WirtschaftsWoche: Herr Haeusgen, was ist Ihnen eigentlich lieber? Eine Ampel oder eine Jamaikakoalition?
Karl Haeusgen: Inzwischen bin ich zu der Überzeugung gelangt, dass eine Ampel die bessere Lösung ist.
Warum?
Die Union hat in einem solchen Umfang verloren, dass die Legitimation für das Kanzleramt und das Führen einer Regierung nicht mehr gegeben ist. Hinzukommen die vielen Dissonanzen innerhalb der Union vor der Wahl und auch jetzt noch. Das alles legt den Schluss nahe, dass CDU und CSU einmal eine Erfrischungspause in der Opposition brauchen.
Aber wären die Programme einer Jamaikakoalition nicht besser für die Wirtschaft?
Es wird Sie vielleicht überraschen, aber ich stelle in vielen Gesprächen mit anderen Unternehmern fest, dass ich mit dieser Haltung nicht allein bin – im Gegenteil. Die Wirtschaft ist von der Union enttäuscht, zumindest ist das bei vielen der Fall.
Und die Inhalte sind dann egal?
Natürlich nicht – viele Punkte bei der SPD sind sogar direkt gegen die Wirtschaft gerichtet. Entscheidend ist aber jetzt, ob wir mit der Ampelkoalition eine Olaf-Scholz-SPD bekommen oder eine Kevin-Kühnert-SPD. Das ist noch offen.
Scholz wird der SPD jeden Koalitionsvertrag zur Zustimmung vorlegen müssen, ebenso wie die Grünen. Wie groß ist Ihr Vertrauen in die Weisheit der Delegierten?
Ich vertraue auf den Machtwillen der Delegierten. Die SPD hat eine unglaubliche Renaissance erlebt, die meiner Meinung nach ausschließlich Olaf Scholz zu verdanken ist. Und es wäre doch in höchstem Maße töricht, diese schon nicht mehr für möglich gehaltene Chance auf das Kanzleramt ungenutzt zu lassen. Und auch die Grünen wollen nach 16 Jahren Opposition regieren – auch wenn das Kompromisse erfordert.
Kompromisse werden bei einer Ampel sicher auch zu Lasten der Unternehmer gemacht. Wo verläuft bei Ihnen die rote Linie?
Es ist klar, dass Christian Lindner nicht alles verhindern kann. Aber ich hoffe und gehe davon aus, dass die FDP ihr Gewicht vor allem in der Steuerpolitik einbringen wird. Also keine Substanzsteuern, keine Vermögensteuer, keine Veränderung bei der Erbschaftssteuer. Ich kann mir sogar vorstellen, dass es auch im Mittelbau der Einkommensteuer Erleichterungen gibt, denn davon würden auch viele Facharbeiter profitieren, für die ja auch die SPD steht.
Welchen Preis müsste man dann für ein solches Zugeständnis zahlen?
Ich fürchte, dass bei der Arbeits- und Sozialpolitik Abstriche gemacht werden, also etwa bei der Flexibilität. Gerade der Maschinenbau, aber auch viele andere in der Industrie, fordern die Ausweitung und nicht die Einschränkung von Werksverträgen. Das gilt auch für die so genannte sachgrundlose Befristung. Das wachsende Bedürfnis nach mehr Flexibilität ist sehr wohl ein sachlicher Grund für Befristungen. Aber ich fürchte, dass sich da die Linken in der SPD durchsetzen könnten.
Die SPD-Forderung eines Mindestlohns von 12 Euro trifft Sie nicht, weil im Maschinenbau ohnehin mehr verdient wird?
Es ist richtig, dass es im Maschinenbau niemanden gibt, der für weniger als 12 Euro pro Stunde arbeitet. Der durchschnittliche Jahresverdienst in unserer Branche liegt bei knapp 60.000 Euro, der Durchschnittsverdienst in Deutschland über alle Sektoren hinweg liegt bei knapp 40.000 Euro. Trotzdem lehnen wir einen staatlich festgelegten Mindestlohn als Eingriff in die Tarifautonomie ab. Man sollte das Thema in der dafür gegründeten Kommission belassen.
Eines der schwierigsten Themen wird die Klimapolitik sein.
Wenn wir den Klimawandel managen wollen, dann wird das mit den vorhandenen Planungsverfahren und den rechtlichen Rahmenbedingungen definitiv nicht gelingen. Das Problem muss jede neue Bundesregierung, egal in welcher Farbe, ganz schnell angehen, auch wenn es sehr unpopulär ist, Rechtswege zu verkürzen und Verfahren zu beschleunigen.
Das ist aber vor allen Dingen ein grünes Thema …
So ist es. Die Grünen stehen bundespolitisch für die Bekämpfung des Klimawandels, stellen sich aber auf lokaler Ebene jeder Beschleunigung und jeder größeren Anlage in den Weg.
Mehr zum Thema: Sie diskutieren bei Pasta und Painkillern, streiten und tasten sich heran an die Macht: Der Politnachwuchs von Grünen und FDP trifft sich schon seit Jahren und lotet Gemeinsamkeiten aus. Ihr Programm soll zu Fans von Fridays for Future genauso passen wie zu Trade-Republic-Jüngern.