Vollgeparkte Gehwege und Unfälle Was deutsche Städte gegen das E-Scooter-Chaos tun

Chaos durch E-Scooter Quelle: imago images

Seit mehr als zwei Monaten können E-Scooter in deutschen Städten ausgeliehen werden. Für eine Verkehrswende haben sie noch nicht gesorgt, für Probleme schon. Manche Städte tun etwas dagegen, andere nicht. Ein Überblick.

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Wer sich auf den deutschen Straßen von auf dem Gehweg geparkten E-Scootern und Scharen von Rollerfahrern in der Innenstadt genervt fühlt, der dürfte sich nach Regulierungen wie in Paris oder Tel-Aviv sehnen. Den Verleihern der E-Scooter werden in der französischen Hauptstadt und der israelischen Technologie-Hochburg mittlerweile klare Grenzen aufgezeigt.

Paris legt gerade Abstellzonen fest. Nur dort sollen die E-Scooter nach der Fahrt geparkt werden dürfen. Bis Ende des Jahres sollen 2500 Abstellplätze entstehen, die durch Markierungen am Boden deutlich zu erkennen sein sollen. Außerdem wurden in Paris die Strafen für das Missachten der Verkehrsregeln verschärft: 135 Euro zahlt, wer mit einem E-Scooter auf dem Bürgersteig unterwegs ist. Werden Roller so geparkt, dass sie den Fußgängerverkehr behindern, kostet das 35 Euro Strafe.

Ähnlich greift auch Tel-Aviv durch. Und das war bitter nötig: Die tausende E-Scooter haben das ganze Stadtbild verändert. Bürger hatten sich über chaotische Zustände auf den Gehwegen beschwert und Tel-Aviv reagierte mit harter Hand: Nach eigenen Angaben hat die Stadt seit Jahresanfang 13.000 Strafzettel an Fahrer von Elektro-Scootern und -Fahrrädern verteilt. Außerdem sollen allein im Mai und Juni mehr als 1000 Geräte beschlagnahmt worden sein, berichtet die Deutsche Presse Agentur. Damit die Tretroller ordnungsgemäß abgestellt werden, wurden auch in Tel-Aviv hunderte festgelegte Parkzonen ausgewiesen. So will die Stadt dem Chaos Herr werden.

Daran versuchen sich nun auch deutsche Städte.

Das tun die größten deutschen Städte gegen die E-Scooter-Flut

So viel vorweg: Für eine wirkliche Regulierung per Gesetz fehlt den deutschen Städten die rechtliche Grundlage. Die „Elektrokleinstfahrzeuge-Verordnung“ sieht eine Regulierung durch die Städte nicht vor. Die E-Scooter werden auf öffentlichem Grund vermietet sowie abgestellt (wenn es richtig gemacht wird) und dieser „Gemeingebrauch“ erfordert auch keine Genehmigung.

Doch in der Regel wenden sich die Anbieter eines Verleihsystems wie Tier, Voi, Circ und Co. proaktiv an die Städte, um mit diesen zu kooperieren. Viele Städte haben daraufhin eine „freiwillige Selbstverpflichtung“ aufgesetzt, die von den Anbietern unterschrieben werden kann. In einer solchen Vereinbarung können dann durchaus Regulierungen und Limitierungen enthalten sein. Kommt ein Anbieter ohne unterschriebene Erklärung in eine Stadt und stellt Roller auf, könnte die Stadt das Unternehmen öffentlich anzählen, zum Beispiel als „Regelmissachter“ darstellen und darauf setzen, dass die Bürger einen solchen Dienst nicht nutzen wollen. Viel mehr bleibt den Behörden nicht übrig.

Mit dem Scooter-Chaos geht allerdings jede Stadt individuell um. Das macht eine Umfrage der WirtschaftsWoche bei den elf größten Städten der Republik deutlich.

Berlin:
Die Hauptstadt arbeitet mit einer solchen freiwilligen Selbstverpflichtung, der sich die Anbieter von Leih-Scootern – in Berlin sind das etwa Lime, Voi, Circ oder Tier – beugen sollen. Die Verpflichtung sieht unter anderem Orte vor, an denen das Abstellen der Scooter verboten werden soll – etwa am Brandenburger Tor. So sollen die Roller an Hotspots nicht mehr wüst im Weg herumstehen. Außerdem will Berlin sogar zusätzlichen Platz für das Parken der Roller schaffen: Ähnlich wie in Paris sollen Parkzonen entstehen und dafür sollen sogar Autostellplätze weichen.

Hamburg:
Hamburg hat laut eigener Aussage derzeit keine großen Probleme mit den mehr als 2100 E-Scootern, die in der Hansestadt unterwegs sind. Man sei sehr zufrieden mit der dort geltenden Selbstverpflichtung, die ebenfalls Orte vorsieht, an denen das Abstellen der Scooter verboten ist.

Außerdem sollen innerhalb des Ring 2 – der die Hamburger Innenstadt sehr weiträumig einkreist – pro Anbieter nur 1000 Scooter aufgestellt werden. Die Fläche im Ring 2 dürfte für die derzeit aktiven Unternehmen in Hamburg bei weitem die interessanteste sein und aufgrund der vielen Hotspots als gesamtes Geschäftsgebiet beinahe ausreichen.

München:
Die vier Verleiher in München haben ebenfalls eine Vereinbarung mit der Stadt unterschrieben, die vor dem Start der Unternehmen in der bayerischen Landeshauptstadt ausgehandelt wurde. Ziel der Selbstverpflichtung sei es, „auf eine verkehrssichere Nutzung hinzuwirken“, teilte die Stadt der WirtschaftsWoche mit. Und damit dieses Ziel erreicht wird, gibt die Stadt den Verleihern einiges vor. Neben etlichen Parkverbotszonen wurden auch einige Fahrverbotszonen eingerichtet, wo die E-Scooter überhaupt nicht erlaubt sein sollen – etwa im Englischen Garten oder im Olympiapark.

Auch die Anzahl der Scooter ist in der Selbstverpflichtung geregelt, wie ein Auszug aus dem Dokument zeigt: „Der Anbieter stellt innerhalb des Altstadtrings (inkl. beider Seiten der umgrenzenden Straßen) maximal 100 Fahrzeuge bereit. Im Bereich innerhalb des Mittleren Rings (Bundesstraße B2R) können am Beginn eines Geschäftstages (7 Uhr) weitere maximal 1.000 Fahrzeuge zur Nutzung angeboten werden. Für das übrige Stadtgebiet gibt es keine Begrenzungen.“

Köln:
In der Metropole am Rhein gibt es derzeit keine Überlegungen, den Verleih von E-Scootern stärker zu regulieren oder zum Beispiel die Anzahl der ausleihbaren Tretroller zu begrenzen, teilte die Stadt mit. „Köln hat sich – wie bereits nach dem Start der Leih-Fahrräder – einen Zeitraum von rund 6 Monaten gesetzt, um Erkenntnisse zu sammeln“, heißt es in der Antwort. Erst danach werde man sehen, wo nachjustiert werden müsse. Scooter von Lime, Tier und Circ sind derzeit in der Domstadt unterwegs.

Frankfurt am Main:
Dieselben Anbieter sind auch in Frankfurt aktiv. Harte Regulierungen der Behörden müssen sie nicht fürchten: Paragraph 16 des Hessischen Straßengesetzes (die Sondernutzung), die auch Einschränkungen seitens der Behörden ermöglichen würde, „kann nicht angewandt werden, weil die Fahrzeuge überall im Geschäftsgebiet geparkt werden dürfen, wo dies legal möglich ist“, teilte das Dezernat Verkehr der Stadt Frankfurt am Main mit. Kommunen könnten daher weder den Verleih von E-Tretrollern stärker regulieren, noch den Verleih von E-Tretrollern oder die Zahl der Anbieter begrenzen. Mit Selbstverpflichtungen scheint Frankfurt also nicht zu arbeiten.

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