Alte Fenster, Türen und Gasheizungen sind Energiefresser. In Zeiten hoher Gaspreise wollen sie viele Menschen austauschen und beantragen dafür Fördergelder beim Bund. Die Nachfrage ist hoch: In diesem Jahr wurden laut Brancheninsidern schon mehr Anträge gestellt als 2021 insgesamt.
Seit heute ist klar: Sanierungswillige müssen künftig tiefer in die eigene Tasche greifen. Wer heute einen Antrag für eine Komplettsanierung stellt, erhält bis zu 75.000 Euro Zuschuss vom Bund. Ab Morgen werden es nur noch maximal 67.500 Euro sein. Bei neuen Fenstern sind es derzeit maximal 15.000 Euro, ab dem 15. August nur noch 12.000 Euro.
Die Ampel-Koalition setzt die Bundesförderung für effiziente Gebäude (kurz BEG) neu auf. Die Fördersätze werden um fünf bis zehn Prozent abgesenkt. Bei Komplettsanierungen wird angesichts des sich verändernden Zinsumfeldes auf zinsgünstige Kredite und Tilgungszuschüsse umgestellt. Bereits am morgigen Donnerstag tritt die Reform teilweise in Kraft: Ab dem 28. Juli greifen die neuen Förderbedingungen für Anträge auf Komplettsanierungen bei der staatlichen Förderbank KfW. Für Einzelmaßnahmen bei der Sanierung wie dem Fenstertausch gelten die neuen Förderbedingungen für die Antragstellung beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) ab dem 15. August.
„In Zukunft bekommt der oder die Einzelne etwas weniger an Förderung als vorher, aber dafür können viele Menschen von den Förderprogrammen profitieren“, rechtfertigt Robert Habeck, Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, die abgesenkten Sätze. Die steigenden Energiepreise würden Investitionen in eine Sanierung früher rentabel. Die Umstellung diene zudem der Verlässlichkeit: Sie soll sicherstellen, dass kontinuierlich gefördert werden kann.
Hintergrund der kurzfristigen Reform der Gebäudeförderung ist laut dem Wirtschaftsministerium die angespannte Lage bei der Energieversorgung und die hohen Preise infolge des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine sowie die Zuspitzung der Klimakrise. „Weniger Energie zu verbrauchen, ist der günstigste und effizienteste Beitrag zu mehr Unabhängigkeit und Klimaschutz und hilft, bei den Energiekosten zu sparen“, erklärt Habeck.
Immer weniger Fachkräfte für die Energiewende
Für die angestrebte Energiewende in den Haushalten, etwa beim Umstieg von Gasheizungen auf Wärmepumpen, stehen immer weniger Fachkräfte zur Verfügung. Bundesweit habe es im vergangenen Jahr mit rund 275.000 Erwerbstätigen in Sanitär- und Heizungsberufen rund 9,4 Prozent weniger gegeben als noch 2012, zeigen Daten des Statistischen Bundesamts.
Stand: 27. Juli 2022
Trotz des Erwerbstätigenrückgangs boomt die Branche. Im ersten Quartal 2022 waren laut Statistikamt knapp 3700 Betriebe mit mindestens 20 Beschäftigten in der Gas-, Wasser-, Heizungs-, Lüftungs- und Klimainstallation tätig. Das seien fast 40 Prozent mehr gewesen als zehn Jahre davor. Die Umsätze hätten um 73,1 Prozent auf rund 4,6 Milliarden Euro zugenommen.
Während die Fördersätze sinken, sollen die finanziellen Mittel, die der Bund für Sanierungen insgesamt für Sanierungen zur Verfügung stellt, steigen. Ab diesem Jahr will der Bund 14 Milliarden Euro pro Jahr für Förderung effizienter Gebäude zur Verfügung stehen. Zum Vergleich: 2020 wurden rund fünf Milliarden Euro bewilligt, 2021 waren es acht Milliarden Euro. Das Geld soll vor allem aus dem Klima- und Transformationsfonds kommen, dessen Wirtschaftsplan das Kabinett am heutigen Mittwoch beschließen will.
Der Fokus soll mit zwölf bis 13 Milliarden Euro auf Sanierungen liegen. Nur ein kleinerer Teil von einer Milliarde entfällt auf den Neubau, denn der Effekt für Energieeinsparung und Klimaschutz ist bei der energetischen Gebäudesanierung laut dem Wirtschaftsministerium 4,5-mal höher als beim Neubau.
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Die Förderung von Neubauten soll zu einem späteren Zeitpunkt neu geregelt werden und ab dem Jahr 2023 greifen. Schon jetzt steht allerdings fest, dass die Förderung im Neubau weitgehend auf zinsverbilligte Kredite umgestellt werden soll. Zuschüsse werden auf fünf Prozent gesenkt. Auch für Bauherren werden energetische Maßnahmen also teurer.
Seit dem Start der BEG-Förderung im Juni 2021, ist die aktuelle Reform schon der dritte Umbau. Habeck musste das Programm der staatlichen KfW-Förderbank bereits zweimal stoppen, weil das Geld für die große Nachfrage nicht ausreichte. Nach den ersten beiden Unterbrechungen hatte Habeck jeweils die Kriterien verschärft, nach denen Häuslebauer gefördert werden. Es hagelte Kritik – insbesondere im Hinblick auf das Koalitionsziel von 400.000 neuen Wohnungen pro Jahr.
„Katastrophe für den Klimaschutz“
Auch die jetzige Reform stößt bei Brancheninternen und Umweltschützern auf Entsetzen. Im Jahr 2022 sei die Nachfrage nach Sanierung endlich hochgefahren, die seit 20 Jahren trotz steigender Förderungen stagniert war, beklagt Emanuel Heisenberg, CEO von ecoworks, einem Hybrid aus Bauunternehmen und Energieversorger. „Das jetzt die Haushaltspolitik massiv in die Sanierungsförderung eingreift, ist eine völlig unverantwortliche Entscheidung.“ Viele Sanierungsvorhaben seien nach der Kappung der Tilgungszuschüsse nicht mehr finanzierbar.
Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) bezeichnet die Förderkürzungen als eine Katastrophe für den Klimaschutz und fordert Habeck auf, umgehend nachzusteuern. „Während Minister Habeck von Energiesparen und Energieeffizienz spricht, schafft er hiermit de facto die Sanierung des Gebäudebestandes ab. Diese Aktion über Nacht ist eine Absage an den Klimaschutz im Gebäudesektor“, kommentiert Barbara Metz, Bundesgeschäftsführerin der DUH. Sie geht davon aus, dass die geplanten Änderungen die Gebäudesanierung in Zeiten von Inflation und steigenden Baukosten vollständig zum Erliegen bringt.
Jürgen Leppig, Bundesvorsitzender des Energieberaterverbands teilt ihre Meinung. Die energieeffiziente Gebäudesanierung würde so zu einem Luxusgut, dass sich nur wenige leisten können und wollen. „Man könnte fast meinen, der Bundesregierung sei es ein Anliegen, die Energiewende im Gebäudebereich an die Wand zu fahren.“
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