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Emmanuel Macron Quelle: REUTERS

Macron ist der Feind seiner eigenen Thesen

Beat Balzli
Beat Balzli Ehem. Chefredakteur WirtschaftsWoche Zur Kolumnen-Übersicht: Balzli direkt

Der französische Präsident Emmanuel Macron will Europa einigen. Aber sein Appell wäre nur glaubwürdig, wenn er auch für die Außenwirtschaftspolitik gelten würde.

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Le Grandeur der Inszenierung hätte dem Sonnenkönig gefallen. Wenn der französische Präsident Emmanuel Macron einen Appell an Europa richtet, reicht ein Interview nicht aus. Die Botschaft muss in 28 EU-Ländern erscheinen, jeweils als Brief in einer nationalen Zeitung. Le continent c’est moi – zumindest am vergangenen Dienstag.

Macrons flächendeckender Vorstoß kommt nicht zufällig vor der Europawahl. Er fürchtet eine Erosion seiner Position und einen Erfolg der Populisten. Zu viele prügeln gerade auf Brüssel ein, nicht nur in Ungarn oder Italien. Zum wiederholten Mal beschwört der Exinvestmentbanker zu Recht den starken Kontinent. In seiner Rede an der Sorbonne im Jahr 2017 forderte er die Neugründung Europas. Diesmal ist es die Renaissance. „Wir dürfen nicht Schlafwandler in einem erschlafften Europa sein“, ruft er den Europäern zu. Noch nie sei Europa in so großer Gefahr wie heute gewesen. Die nationalistische Abschottung bedrohe alles.

In seinem Brief äußert sich Macron erstaunlich konkret und radikal. Gleich mehrere Maßnahmen sollen die Union retten, den Menschen „Freiheit, Schutz und Fortschritt“ bringen. Man muss damit nicht einverstanden sein, weil die Vorschläge wie etwa der gemeinsame Mindestlohn ökonomisch fragwürdig sind. Aber in einem Punkt liegt er richtig: Die Menschen sollen die Gemeinschaft als positives Projekt für ihre eigene Zukunft begreifen, das alleine nicht zu stemmen ist. Ein Narrativ, für das auch Deutschland offensiver werben könnte.

So weit die Theorie. In der Praxis mutiert Macron zum Feind seiner eigenen Thesen. Nur als Block kann Europa etwa im künftigen Kräftemessen zwischen USA, Russland und China überleben – vorausgesetzt, man lässt sich nicht auseinanderdividieren. Doch Macron tut genau das, wie der Zollstreit mit den USA zeigt.

Im Gegensatz zu den Deutschen will er keine Verhandlungen, weil er fürchtet, die Gelbwesten könnten ihm den Ausverkauf der Heimat vorwerfen. Die drohenden Autozölle kümmern ihn nicht, denn selbst die Schweden und Slowaken exportieren mehr Wagen in die USA. Gleichzeitig plädiert er trotz Widerstands der Deutschen für einen Alleingang bei der Digitalsteuer, weil sich so die Antipathie der Franzosen gegen Google und Co. ausnutzen lässt.

Der Sonnenkönig wollte übrigens Versailles zum Zentrum Europas machen. Macrons Appell passt also in die Tradition des Kultschlosses: groß, beeindruckend und viel Fassade.

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