Irland ist und bleibt der Sonderfall unter den Krisenstaaten Europas. Anders als im Süden des Kontinents gingen die Schuldenprobleme hier nicht von der öffentlichen Hand aus, sondern von der Bankbranche. Dennoch musste sich das Land einem Konsolidierungsprogramm unterwerfen. Und ist auch dabei wieder ein Spezialfall: Als erstes Land verlassen die Iren gerade den Rettungsschirm. Bereits im Lauf des Jahres hatte die Regierung von Premier Enda Kerry begonnen, sich am Kapitalmarkt zu refinanzieren. Mit großem Erfolg: Irland verfügt inzwischen über Kreditlinien von gut 20 Milliarden Euro, die würden im Zweifel genügen, um den Staatshaushalt bis 2015 zu finanzieren.
So bewerteten wir Irland 2012
Regierungschef Enda Kenny verfügt über breiten Rückhalt im Parlament. Auch Teile der Opposition unterstützen grundsätzlich Irlands Reformkurs. Widerstand kommt von den Gewerkschaften und aus der Wirtschaft.
Note: 2-
Die Lohnstückkosten wurden drastisch reduziert, die Wettbewerbsfähigkeit erhört, verkrustete Strukturen wurden aufgehoben.
Note: 2
In einer seiner ersten Amtshandlungen reduzierte Kenny sein Gehalt als Premier um sieben Prozent. Das Haushaltsdefizit wurde um fünf Prozentpunkte reduziert, Kritiker fordern aber mehr.
Note: 4+
Irland hat deutliche Fortschritte gemacht. Der Reformeifer ist hoch, der Sparwille fast befriedigend. Zieht die Konjunktur in den wichtigsten Abnehmerländern (Großbritannien, Deutschland) etwas an, dürfte Irland Ende 2013 wieder auf eigenen Beinen stehen können.
Note: 3+
Dennoch werden die Märkte weiter ein Auge auf das Land haben, das sogar darauf verzichtet hat, den Ausstieg aus dem Rettungsprogramm mit vorübergehenden Kreditlinien abzusichern. Im Verlauf des nächsten Jahres wollen die Iren eine weitere große Auktion von Staatsanleihen wagen, dann wird sich weisen, ob die neue Selbstständigkeit tatsächlich den Test am freien Markt besteht. Ein erster Testlauf kurz nach dem Abschied vom Rettungsschirm hat bereits gut funktioniert.
Mit der Sanierung des Staatshaushalts sind die Iren in den vergangenen Jahren hervorragend vorangekommen. Bereits ab dem kommenden Jahr macht sich das Land nun daran, den durch die Bankenrettung auf horrende 124 Prozent des Bruttoinlandsprodukts angewachsenen Schuldenstand zu reduzieren. 2019 soll die Grenze von 100 Prozent unterschritten werden, als Fernziel hat Kerry die Marke von 60 Prozent ausgerufen. Anders als in den meisten südeuropäischen Staaten haben die harten sozialen Einschnitte und die grassierende Arbeitslosigkeit – zuletzt knapp 13 Prozent – in Irland nicht zu einer politischen Krise geführt. Die Regierung sitzt recht fest im Sattel, Generalstreiks sind auf der Insel im Atlantik kein Thema. Viele Iren erklären das damit, dass sie anders als die Menschen in Portugal oder Griechenland wüssten, dass ein gewichtiger Teil der Schuld für die Misere bei Ihnen selbst liegt. Denn in Irland musste keiner tatenlos zusehen, wie das Staatsbudget Jahr für Jahr von ein paar reichen Cliquen geplündert wird. Mit riskanten Immobilieninvestments hat fast jeder Ire erst kräftig mitverdient, um dann höchstpersönlich vor der Pleite zu stehen.
Irlands Abschlusszeugnis 2013
Die Regierung von Premier Enda Kenny verfügt über eine solide Mehrheit. Auch in der Bevölkerung gibt es keine grundsätzliche Kritik am Kurs der Regierung. Gewerkschaft und Wirtschaft grummeln zwar hier und da, zetteln aber keine großen Konflikte an.
Note: 2
Die Lohnstückkosten wurden drastisch reduziert, verkrustete Strukturen aufgehoben. Durch das Ende des Rettungsschirms erspart sich Irland zudem eine schmerzhafte Reform seines Steuermodells.
Note: 2
Bereits 2014 soll mit dem Abbau des Schuldenstands begonnen werden, bis 2019 soll die Marke von 100 Prozent fallen. Bisher hat Irland seine Ziele in dieser Hinsicht recht gut eingehalten.
Note: 3
Irland hat den Schritt aus dem Rettungsschirm vollzogen. Das allein ist eine echte Leistung. Dennoch drohen weiter Gefahren, auf die das Land kaum Einfluss nehmen kann. Das Zeugnis fällt daher gut aus, ist aber mit überdurchschnittlichen Risiken behaftet.
Note: 2-
So geht das größte Risiko für Irland auch nicht davon aus, dass der Reformeifer zu ermatten drohte. Die Lohnstückkosten sind bereits massiv gesunken, die wichtigsten Budgetkürzungen sind vollzogen. Stattdessen stehen die Banken längst noch nicht so gut da, wie viele Iren hoffen. Beim anstehenden Stresstest der EU gelten sie als größte Wackelkandidaten. Denn in ihren Büchern finden sich nach wie vor reihenweise problematische Immobilienpakete. Stärker als jedes andere Land hängt Irland damit auch weiterhin vom Wohlgefallen der Märkten und der Entwicklung ihrer Banken ab. Sollten letztere ihre Arbeit ebenso gut gemacht haben wie die Regierung, könnte der erste Sanierungsfall in ein oder zwei Jahren tatsächlich als abgeschlossen gelten.