Die Europäischen Staats- und Regierungschefs wollten Zeit gewinnen. Mit einem Katalog möglicher Sanktionen in drei Eskalationsstufen versuchten sie, sich Spielraum zu verschaffen – und die Möglichkeit, sich abzustimmen. Viele kleine Nadelstiche sollten derweil den russischen Präsidenten Wladimir Putin zum Einlenken zwingen. Doch der Plan ging nicht auf. Putin besiegelte die Annektierung der Krim sehr viel schneller als erwartet. Und Russlands Vizepremier Dmitri Rogosin mokierte sich sogar offen über die zweite Stufe der EU-Sanktionen, die Einreiseverbote und Kontosperrungen für Russen und Ukrainer. Nun ist die EU gezwungen, ernsthafter über Wirtschaftssanktionen nachzudenken. Egal, wie diese ausfallen – sie werden beiden Seiten Schmerzen zufügen.
Bundeskanzlerin Angela Merkel hat bereits angekündigt, dass die Länder der EU dies aushalten müssen. „Wir alle wären zu ihnen bereit und entschlossen, falls sie unumgänglich werden“, sagte sie Mitte März in ihrer Regierungserklärung über die dritte Stufe der Wirtschaftssanktionen. Diese in ihrer Deutlichkeit bemerkenswerte Ankündigung blendet allerdings einen wichtigen Aspekt aus: Die Interessenlage in der EU ist sehr heterogen. „Die wirtschaftlichen und politischen Kosten und der politische Nutzen sind zwischen den EU-Mitgliedstaaten sehr ungleich verteilt“, betont Georg Zachmann vom Brüsseler Thinktank Bruegel. Vor diesem Hintergrund Sanktionen zu finden, denen alle 28 Mitgliedstaaten ausnahmslos zustimmen, ist ein schwieriges Unterfangen.
Enge Kontakte
Das Einreiseverbot illustriert die Probleme. Europäische Diplomaten haben eine Liste mit bis zu 120 Personen vorgelegt, denen der Weg in die EU in Zukunft blockiert werden könnte. Doch Österreich und Zypern haben gebremst. Mit beiden Ländern pflegen russische Geschäftsleute enge Kontakte.
Noch haben die Europäer die dritte Stufe der Sanktionen nicht definiert. „Sie könnten in vielfältiger Weise die wirtschaftliche Zusammenarbeit beeinträchtigen“, sagt Merkel. Der Europäische Auswärtige Dienst untersucht in diesen Tagen unterschiedliche Instrumente auf ihre Wirkung. Zu den Sanktionen mit einem spürbaren Effekt zählen Exportbeschränkungen. Russland bezieht 52 Prozent seiner Einfuhren aus der EU und den USA. Während sich das Land mit landwirtschaftlichen Gütern fast komplett selbst versorgen kann, ist es bei Chemieprodukten und im Maschinenbau auf Einfuhren angewiesen. Allerdings gibt es hier einen direkten Effekt: Deutschen Herstellern würde der Absatzmarkt wegbrechen.