EZB bleibt bei Nullzins Der Euro wird zur Weichwährung

Schmilzt der Wert des Euro? Quelle: dpa

Die Konjunktur in Europa boomt, die Inflation steigt. Doch die EZB will die Geldpolitik vorerst nicht straffen. Das schadet dem Euro.

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Außer Spesen nix gewesen. Dieses Fazit werden wohl viele Journalisten ziehen, die sich heute zur Pressekonferenz der Europäischen Zentralbank (EZB) nach Frankfurt aufgemacht haben. Denn viel Neues gab es aus dem Euro-Tower nicht zu melden. Die EZB hält die Leitzinsen mindestens bis zum Sommer 2019 konstant. Die Anleihekäufe wird sie wie angekündigt von Oktober an von derzeit 30 Milliarden auf 15 Milliarden Euro pro Monat zurückfahren und Ende des Jahres einstellen – vorausgesetzt, Konjunktur und Inflation machen ihr keinen Strich durch die Rechnung.

Das Geld, das die EZB durch die Tilgung fälliger Anleihen einnimmt, will sie weiter in den Kauf neuer Anleihen stecken. Das soll deren Kurse stützen und die Bilanzsumme der Notenbank stabil halten. Details zu den Reinvestitionskäufen, etwa nach welchen Ländern und Laufzeiten die EZB Anleihen kaufen will, hat sie nicht genannt. Darüber habe man im EZB-Rat nicht diskutiert, erklärte Draghi. Experten rechnen damit, dass die EZB im Dezember Details nennen wird.

Insgesamt könnte man das Treffen der Notenbanker also als Non-Ereignis bezeichnen. Doch ganz so einfach ist das nicht. Denn die EZB hat heute deutlich gemacht, dass sie die geldpolitische Straffung auf die ganz, ganz lange Bank schieben will - obwohl die Konjunktur boomt. In den nächsten Jahren werde die Wirtschaft der Euro-Zone um knapp zwei Prozent wachsen, prognostizieren die Euro-Hüter. Das ist deutlich mehr, als die Wirtschaft bei normaler Auslastung der Kapazitäten erzeugen kann. In Deutschland läuft die Konjunktur schon jetzt heiß, weitere Länder werden folgen.

Das dürfte die Preise mittelfristig nach oben treiben. Ob die Inflationsprognose der EZB für die nächsten Jahre von 1,7 Prozent eintritt, ist daher fraglich. Zumal die Tariflöhne in der Euro-Zone schon jetzt mit Raten von über zwei Prozent steigen. Nicht nur in Deutschland, auch in Südeuropa sind qualifizierte Arbeitskräfte knapp. Die steigenden Löhne setzen die Unternehmen unter Druck, ihre Produktpreise ebenfalls anzuheben.

Dazu kommt, dass sich die Immobilienpreise in vielen Euro-Ländern wieder auf Kletterpartie befinden. Vor allem in Deutschland, Irland, den Niederlanden und Spanien müssen Interessenten immer mehr Geld für Häuser und Wohnungen auf den Tisch legen. Der Euro-Zone droht daher ein neuer gefährlicher Finanzzyklus, wie ihn die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) in Basel anhand von Verschuldung und Immobilienpreisen berechnet. Eine kluge und verantwortungsvoll agierende Zentralbank müsste die geldpolitischen Zügel daher zügig straffen, bevor der Finanzzyklus so weit fortgeschritten ist, dass er nur noch um den Preis einer schweren Rezession gestoppt werden kann.

Draghi aber negiert diese Gefahr. Seine Behauptung, die Euro-Zone sei noch immer auf monetäre Stimuli angewiesen, wirkt vor dem Hintergrund der guten Konjunktur geradezu skurril. Immer deutlicher wird, dass sich die EZB in den Dienst der Finanzminister gestellt hat. Ihr geht es deshalb darum, die Zinsen für die hochverschuldeten Staatshaushalte im Süden der Euro-Zone möglichst lange nach unten zu drücken. Das wird den Euro auf Dauer weichspülen. Seine Kaufkraft wird sinken, nach innen und außen. Die Zustände in der Währungsunion werden daher immer mehr denen in Italien in den Siebziger- und Achtzigerjahren ähneln. Dass EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker den Euro zur führenden Weltreservewährung machen will, wie er seiner jüngsten Europa-Rede erklärte, ist vor diesem Hintergrund geradezu lächerlich.

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