Shutdown Ein Milliardär und Hunderttausende ohne Gehalt

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Trump: „Eine Krise des Herzens und eine Krise der Seele“

Trump hat inzwischen eine regelrechte PR-Offensive gestartet, um den Bau der Mauer durchzupeitschen. Dazu gehörte die TV-Ansprache aus dem Oval Office, an diesem Donnerstag will der Präsident außerdem an die Grenze reisen. Auch der Duktus hat sich geändert: Warnte Trump vor den Kongresswahlen im November noch vor einer „Invasion“ durch Migranten aus Südamerika, so will er den Mauerbau nun auch als eine Art humanitäre Geste verkaufen. Das Weiße Haus argumentiert, Migranten würden durch das Bollwerk davon abgehalten, den gefährlichen Marsch nach Norden überhaupt erst anzutreten.

„Das ist eine humanitäre Krise. Eine Krise des Herzens und eine Krise der Seele“, sagt Trump in seiner Fernsehansprache. „Das ist der Kreislauf des menschlichen Leids, von dem ich entschlossen bin, ihn zu beenden.“ Dann zählt er Fälle auf, bei denen illegal Eingewanderte in den USA Menschen getötet haben. „Dutzende Familien“ habe er getroffen, die Angehörige verloren hätten. „So traurig. So furchtbar“, sagt Trump. „Wie viel amerikanisches Blut müssen wir noch vergießen, bevor der Kongress seine Arbeit macht?“

Mit jedem Tag, den der Mauerstreit und der „Shutdown“ andauern, wächst der Druck auf Trump und den Kongress, eine Einigung zu finden. Für neun Ministerien und zahlreiche Behörden lief mit Anbruch des 22. Dezembers die Finanzierung aus. Was abstrakt klingt, hat Auswirkungen aufs Alltagsleben, weil viele Behörden nur im Notmodus oder gar nicht mehr funktionieren. Und für die betroffenen Regierungsmitarbeiter hat der „Shutdown“ ganz konkrete Folgen - nämlich beim Gehalt.

Nach Regierungsangaben wurden rund 800 000 von ihnen entweder in den Zwangsurlaub geschickt oder sie müssen zunächst ohne Bezahlung weiterarbeiten. In letztere Kategorie fallen Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes, deren Arbeit als „essenziell“ eingestuft wird, um das öffentliche Leben nicht zum Stillstand zu bringen - zum Beispiel Sicherheitskontrolleure an Flughäfen.

Normalerweise wird das Gehalt bei „Shutdowns“ rückwirkend nachgezahlt. Für viele Amerikaner - die anders als die Deutschen kein Volk von Sparern sind - ist das trotzdem problematisch: Sie leben von Gehaltsscheck zu Gehaltsscheck. Die US-Notenbank berichtete im vergangenen Jahr, 40 Prozent der Amerikaner könnten eine unerwartete Ausgabe in Höhe von 400 Dollar (knapp 350 Euro) nicht stemmen, ohne sich Geld leihen oder Besitz verkaufen zu müssen. Die Gewerkschaft NTEU - die nach eigenen Angaben mehr als 150 000 Bundesangestellte vertritt - teilte am Mittwoch mit, viele ihrer Mitglieder würden in dieser Woche erstmals kein Gehalt bekommen.

Trump sagte am vergangenen Sonntag, er könne die Sorgen der Bundesangestellten „nachvollziehen“, die nicht wüssten, wie sie ihre Rechnungen bezahlen sollten. Das ist eine gewagte Aussage für Trump, dessen Vermögen das Magazin „Forbes“ im vergangenen Jahr auf 3,1 Milliarden Dollar taxierte. Der Präsident sagte mit Blick auf die ausbleibenden Gehaltsschecks auch: „Ich bin sicher, dass die Menschen, die betroffen sind, Anpassungen vornehmen werden.“ Gemeint ist: dass sie den Gürtel eben eine Weile enger schnallen.

Ein zwangsbeurlaubter Mitarbeiter des Justizministeriums, der nicht namentlich genannt werden will, sagt dazu: „Entschuldigen Sie meine Wortwahl, aber das ist Bullshit.“ Trumps Drohung eines monate- oder gar jahrelangen „Shutdowns“ sei „deprimierend“. Die Betroffenen hätten Familien und laufende Zahlungsverpflichtungen, aber keine anderen Einkünfte. „Ich bin nicht ultraliberal, aber ich weiß nicht, wie Menschen ihm glauben können. Er lügt die ganze Zeit. Und er hat keine Ahnung davon, wie die Menschen leben.“

Während sich Trump und die Demokraten gegenseitig für den „Shutdown“ verantwortlich machen, ist die Schuldfrage aus Sicht des Justizmitarbeiters „zu 100 Prozent“ beantwortet. Weil Trump sein Versprechen nicht einhalten könne, Mexiko für die Mauer zur Kasse zu bitten, „tut er unschuldigen amerikanischen Steuerzahlern wie mir weh“. Dass die Mauer etwas bringen werde, glaube er nicht. „Die Menschen werden andere Wege finden, um ins Land zu kommen.“ Warum Trump so eisern an dem Bollwerk festhalte? „Er will eine Mauer, auf der eines Tages sein Name steht. Wie ein weiterer Trump-Tower.“

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