Thorsten Polleit und Eckart Langen von der Goltz "Wir müssen verhindern, dass das System kollabiert"

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"Die EZB muss Staatsanleihen kaufen"

Wie kommen wir aus dem Teufelskreis der fortwährenden Verschuldung und Insolvenzverschleppung der Staaten heraus?

Thorsten Polleit: Wir brauchen einen Markt für Geld – wie es auch einen Markt gibt für Turnschuhe, Äpfel und Urlaubsreisen. Sie haben die Freiheit, für Supermarktkäufe, den Euro zu verwenden, aber auch den Yen oder einen Bitcoin.

Eckart Langen v. d. Goltz: Ich halte nichts von Bitcoins. Wo kommen die her? Wer garantiert ihren Wert? Wer produziert sie?

Thorsten Polleit: Der Bitcoin ist eine Entwicklung des freien Marktes. Es handelt sich um eine Cybereinheit. Sie wird produziert durch Computerberechnungen in einem Netzwerk von Menschen, die sich zusammengeschlossen haben.

Eckart Langen v. d. Goltz: Der freie Markt muss reguliert werden! Warum haben wir eine Bankenkrise erlebt? Weil sie unverantwortlich Kredite vermittelt haben. Da fehlten Kontrolle und Regularien.

Lassen Sie uns zurückkommen auf die Euro-Krise und die Rettungsprogramme. Herr Langen von der Goltz, stimmen Sie der Analyse zu, dass die EZB viel Geld in den Markt gepumpt hat, es den Wirtschaften in Südeuropa aber keinen Deut besser geht? Stattdessen erleben wir eine Blasenbildung: an den Aktienmärkten, bei den Immobilienpreisen.

Eckart Langen v. d. Goltz: Durch die Nullzinspolitik sind selbstverständlich Blasen aufgebaut worden, die nichts mit der Realwirtschaft zu tun haben. Das ist eindeutig richtig. Jetzt gilt es, die richtigen Schlüsse zu ziehen: Ja, die Nullzinspolitik trägt nicht mehr zur Lösung bei. Aber auch die Sparpolitik ist gescheitert. Kein Staat der Welt hat seine Schulden je durch Sparen abgebaut! Wir brauchen eine höhere Verschuldung; die EZB muss ABS-Papiere und Staatsanleihen aufkaufen.

Reaktionen auf EZB-Zinssenkung und Wertpapierkäufe

Thorsten Polleit: Es gibt immer den Reflex, bei Krisen mehr Geld zu drucken. Geldmengenvermehrung schafft kein Wachstum. Es wird lediglich kurzfristig übertüncht, wie schlecht die Lage ist. Es gibt einen Scheinaufschwung, nicht mehr. Für mich sind die Programme der Notenbanken ein Akt der Krisenverschleppung.                                 

Eckart Langen v. d. Goltz: Das ist Insolvenzverschleppung. Da stimme ich Ihnen zu! Aber es gibt keinen anderen Weg.

Thorsten Polleit: Ich habe 2008 die Meinung vertreten, den Finanzsektor nicht zu retten und etwa die US-Investmentbanken Lehman Brothers und Bear Stearns zusammensacken zu lassen.

Eckart Langen v. d. Goltz: Um Gottes Willen. Das hätte eine Katastrophe gegeben!

Thorsten Polleit: Die Problematik ist heute doch noch größer geworden. Die Schulden in den Wertpapiermärkten liegen bei 100 Billionen Dollar. 2008 waren es noch 70 Billionen. Das Schuldenmonster wird immer größer. Die Frage ist: Wie kann man dem noch begegnen? Ich glaube, wir brauchen einen Wettbewerb der Währungen, damit die Menschen der Missbrauchsmacht der Notenbanken ausweichen können.

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