
Die Verfassungskommission im türkischen Parlament hat den Weg zur einmaligen Aufhebung der Immunität von zahlreichen Abgeordneten geebnet. Die Änderung, der das Parlament allerdings noch mit Zweidrittelmehrheit zustimmen muss, brächte vor allem die kurdenfreundliche Oppositionspartei HDP in Bedrängnis. Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan wirft der HDP vor, der parlamentarische Arm der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK zu sein.
Die Kommission habe in der Nacht zum Dienstag über einen entsprechenden Antrag entschieden, berichtete die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu. Abgeordnete der islamisch-konservativen Regierungspartei AKP und der Oppositionsparteien CHP und MHP hätten den Vorschlag einstimmig angenommen. Die HDP habe die Versammlung nach einem Streit verlassen und nicht an der Abstimmung teilgenommen.
Ziel ist eine vorübergehende Verfassungsänderung, mit der die Immunität von Abgeordneten, bei denen die Staatsanwaltschaft dies bereits beantragt hat, aufgehoben würde. So würde der Weg zu einer Strafverfolgung frei. Die Änderung soll nach Angaben der HDP nur einen Monat gelten und nicht vor dem Verfassungsgericht angefochten werden können.
Laut Anadolu sind 136 von 550 Abgeordneten betroffen. Dabei drohe 50 der 59 HDP-Abgeordneten die Aufhebung der Immunität. Die übrigen Abgeordneten verteilen sich auf die anderen drei Parteien im Parlament - hinzu kommt eine parteilose Abgeordnete. Unter anderem drohen den HDP-Parteichefs Selahattin Demirtas und Figen Yüksekdag Strafverfolgung wegen Mitgliedschaft in einer Terrororganisation und Volksverhetzung. Sollte ein Gericht die Abgeordneten in letzter Instanz verurteilen, würden zugleich ihre Parteien diese Sitze im Parlament verlieren.
Reaktionen zu möglichen Grenzschließungen
Anton Börner, Präsident des Außenhandelsverband BGA, warnt im "Tagesspiegel" vor Grenzschließungen. Rund 70 Prozent des deutschen Außenhandels würden innerhalb Europas abgewickelt. "Vor diesem Hintergrund werden sich die Kosten alleine für die internationalen Straßentransporte um circa drei Milliarden Euro verteuern."
"Durch Staus und Wartezeiten, zusätzliche Bürokratie oder zum Beispiel die Umstellung von Just-in-time-Lieferung auf deutlich teurere Lagerhaltung können sich die Kosten für die deutsche Wirtschaft schnell auf zehn Milliarden Euro pro Jahr summieren", mahnt DIHK-Geschäftsführer Martin Wansleben.
Der Vize-Präsident des Europaparlaments, Alexander Graf Lambsdorff (FDP), sagte der "Rheinischen Post": „Die Schließung der deutschen Grenzen wäre ein Debakel für die Flüchtlinge, für die Wirtschaft, aber auch für Millionen Pendler und Urlauber.“
"Verstärkte Kontrollen ist was anderes, aber eine komplette Schließung ist absolut illusorisch. Und man sollte den Leuten da keine Scheinlösungen anbieten“, sagte SPD-Generalsekretärin Katarina Barley im Deutschlandfunk.
"Wenn die Grenzen geschlossen würden, ist Schengen gefährdet. Das hat ebenfalls große Auswirkungen auf Deutschland, auf Arbeitsplätze in Deutschland", sagte der nordrhein-westfälische CDU-Landesvorsitzende Armin Laschet.
Die geplante Verfassungsänderung hatte in den vergangenen Tagen für hitzige Debatten gesorgt. Zweimal innerhalb einer Woche lieferten sich Parlamentarier der AKP und der HDP eine Schlägerei in der zuständigen Kommission. Der AKP-Abgeordnete Mustafa Yeneroglu sagte der Deutschen Presse-Agentur: „Wir wollen deutlich machen, dass der Kampf gegen den Terrorismus auch solche umfasst, die im Schutz der Immunität Terrorismus unterstützen.“ Die HDP weist die Vorwürfe der PKK-Unterstützung zurück.
Die Türkei führt seit Monaten gegen die PKK einen Krieg im Südosten des Landes und im angrenzenden Irak. Die türkische Armee teilte am Dienstag mit, sie habe am Vortag Verstecke und Stellungen der PKK im Nordirak bombardiert und 18 Kämpfer getötet. 14 PKK Kämpfer seien zudem bei Gefechten in den südosttürkischen Provinzen Mardin, Sirnak und Hakkari getötet worden.