Der Blick in die Tiefen einer volkswirtschaftlichen Statistik bringt bisweilen auch Skurriles zu Tage. Im Juli sind die Importpreise im Vergleich zum Vorjahr um 15 Prozent nach oben geschossen. Doch zumindest ein Produkt aus dem Ausland hat sich zugleich drastisch verbilligt: Bei „lebenden Schweinen“ notierte das Statistische Bundesamt einen Preisrutsch von 14 Prozent.
Der tierische Wertverlust konnte freilich nicht verhindern, dass die Importpreise insgesamt so stark stiegen wie seit September 1981 nicht mehr, als die zweite Ölpreiskrise die Wirtschaft im Würgegriff hielt. Dabei gab es regional keinen großen Unterschied zwischen Einfuhren aus der Euro-Zone (Preise plus 15,7 Prozent) und Nicht-Euro-Staaten (plus 14,5 Prozent). Analysten hatten insgesamt mit rund 13,6 Prozent gerechnet, nachdem im Juni ein Zuwachs bei den Einfuhrpreisen von 12,9 Prozent verzeichnet worden war.
Grund für den starken Anstieg waren vor allem die hohen Energiepreise, aber nicht nur. Stromlieferungen aus dem Ausland verteuerten sich um 171,4 Prozent – was bei einem anhaltenden Trend zu einem weiteren Risiko für die deutsche Energiewende werden könnte. Importiertes Erdgas kostete 170,5 Prozent mehr als vor einem Jahr, bei Erdöl lag das Plus bei 68,9 Prozent, Steinkohle wurde um 71,6 Prozent teurer.
Zugleich mussten deutsche Unternehmen vielfach mehr Geld für Vorleistungsgüter aus dem Ausland ausgeben. Beispiele gefällig? Eisenerz: plus 108,7 Prozent. Gehobeltes und gesägtes Holz: plus 57,4 Prozent. Kunststoffe: 42,1 Prozent. Auch bei Naturkautschuk (plus 47,8 Prozent), Kaffee (plus 33,8 Prozent) und Getreide (plus 17,8 Prozent) ging es mit den Importpreisen nordwärts.
Die Preissprünge lassen die Sorgen vor einer „importierten Inflation“ wachsen, die – parallel mit steigenden Löhnen – die Teuerungsrate in Deutschland auf bis zu fünf Prozent hieven könnte. Der Begriff kam in Deutschland in den Fünfzigerjahren auf und soll auf den späteren Bundesbankpräsidenten Otmar Emminger zurückgehen, der zwischen 1977 bis 1979 an der Spitze der Notenbank stand.
Wenn Importe die Inflation nach oben treiben, sind dafür aber nicht immer nur Preiserhöhungen der Hersteller und Lieferanten verantwortlich. Auch der Wechselkurs spielt eine gewichtige Rolle. Wertet eine Währung ab, verbilligen sich die Exporte, während für Importwaren mehr Geld gezahlt werden muss. Dies gilt umso mehr bei einer geringen „Preiselastizität“ der Nachfrage, wie es Ökonomen nennen. In diesem Fall sinkt die Nachfrage trotz höherer Preise kaum. Da der Euro gegenüber dem US-Dollar in den vergangenen Wochen an Wert verloren hat, liegt die Vermutung nahe, dass auch dies den Anstieg der Importpreise unterstützt hat. Angesichts des etwas vorsichtigeren Kurses der amerikanischen Geldpolitik könnte der Dollar in der nächsten Zeit weiter zulegen.
Das bedeutet im Umkehrschluss einen schwächeren Euro – und weiter steigende Einfuhrpreise.
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