CEOs an der Universität „Der Link zwischen Wissenschaft und Wirtschaft muss enger werden“

Sabina Jeschke. Quelle: imago images

Die ehemalige Bahn-Vorständin Sabina Jeschke setzt sich für eine stärkere Vernetzung von Wirtschaft und Wissenschaft ein. Was das bringen soll und welche Rolle dabei Wirtschaftsbeiräte an Hochschulen spielen können.

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Sabina Jeschke kennt beide Seiten. Als ehemalige Technikvorständin der Deutschen Bahn ist sie in der Wirtschaft bestens verdrahtet. Auf der anderen Seite hatte sie zuvor acht Jahre lang eine Professur für Maschinenbau an der RWTH Aachen inne. 2021 gründete sie gemeinsam mit ihren Partnern das Start-up Quantagonia. Außerdem ist Jeschke Vorstandsvorsitzende des Non-Profits KI Park, der die Entwicklung von Künstlicher Intelligenz in Deutschland beschleunigen will. Die Frage, wie wichtig die Vernetzung zwischen Wirtschaft und Wissenschaft ist, kann sie also bestens beantworten.

WirtschaftsWoche: Frau Jeschke, Sie engagieren sich als Gründungsmitglied des neuen CxO-Wirtschaftsbeirats der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU). Warum?
Sabina Jeschke: In Deutschland ist die Durchlässigkeit zwischen Wirtschaft und Wissenschaft nur schwach ausgeprägt. Zwar gehen Menschen nach der Promotion erst in Unternehmen und werden später Professoren. Umgekehrt aber sehen wir nur selten Professoren, die in die Wirtschaft gehen. In den USA zum Beispiel gibt es einen viel regeren Wechsel – da werden Professoren Vorstände und umgekehrt. Das befruchtet beide Bereiche. Diesen Austausch will ich auch für Deutschland vorantreiben.

Warum funktioniert das hier bislang noch nicht?
Wer in der Wirtschaft tätig war, dem wird meist eine Honorarprofessur angeboten, wo er in der Lehre wirkt und einige Vorlesungen hält. Aber macht das Sinn, wenn ein Vorstand zwei Semesterwochenstunden unterrichtet? Liegt hier das maximale Potential einer Kooperation zwischen einer Universität und einem ehemaligen Geschäftsführer? Viel sinnvoller ist es, eine Form zu finden, wie man dessen Marktkenntnisse und tiefe Netzwerke in das Universitätsleben einbringt. Umgekehrt erschwert das deutsche Beamtenrecht den Wechsel aus der Professur in die Wirtschaft: Professoren haben unbefristete Verträge und erhalten eine gute Altersvorsorge, die sie bei einem Wechsel in großen Teilen verlieren, auch die bereits erworbenen Ansprüche. Man braucht schon eine ausgeprägte Risikobereitschaft, um einen solchen Schritt zu gehen.

Was ist das Ziel des Wirtschaftsbeirats an der FAU?
Wir wollen eine neue Form finden, wie wir ehemalige Vorstände und Geschäftsführer in die Universität integrieren, aber eben nicht mit einem Schwerpunkt auf die Lehre. Im CxO-Council der FAU bilden Persönlichkeiten aus Industrie und Gesellschaft einen Link zwischen Wissenschaft und Wirtschaft, Nachwuchs und Arbeitgebenden. Die Mitglieder des CxO-Councils sollen ihre Netzwerke in die Universität einbringen und bei der strategischen Weiterentwicklung der Universität unterstützen.

Sie sind die Musterkandidatin für solch einen neuartigen Beirat – Sie waren zwölf Jahre lang Professorin, ehe Sie in den Vorstand der Bahn wechselten. Was planen Sie konkret?
Mein früherer Forschungsschwerpunkt war künstliche Intelligenz. Heute verschiebt sich mein Interesse stark in den Bereich High-Performance- und Quantencomputing – was natürlich naheliegt, denn Quantum Computing wird auch die KI ein weiteres Mal revolutionieren. Die FAU will das Quantencomputing als starken Schwerpunkt aufbauen. Sie hat bereits wichtige Professuren in anderen Bereichen der Informatik und der Physik, die als Bausteine zum Aufbau eines solchen Clusters beitragen. Jetzt wollen wir das Cluster durch die Einbindung von Industriepartnern ausbauen. In gemeinsamen Innovationsökosystemen können Erkenntnisse der Wissenschaft schneller in industrielle Prototypen und neue Geschäftsmodelle überführt werden. Stiftungsprofessuren mit Unternehmen könnten zusätzlich helfen, ein Gebiet schneller zu entwickeln. An der Universität soll ein Netzwerk von aktiven Unternehmen, die Quantencomputer bauen oder nutzen wollen, entstehen. Meine Netzwerke erlauben es, den Prozess zu beschleunigen.

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Ist das eine Art Unternehmensberatung für die Forschung?
Die Universität und die Professoren wissen ganz genau, wo sie hinwollen. Die Keimzellen künftiger Forschungsschwerpunkte entstehen aus der Universität heraus und sie müssen da auch entstehen. Das gebietet schon das Forschungsfreiheitsprinzip, ein zentraler Baustein einer Demokratie. Aber dann können die CxO-Professoren mit ihren ganz anderen wirtschaftlichen Netzwerken dafür sorgen, dass die Forschungsaktivitäten sehr viel schneller und sehr viel gesamtheitlicher nach vorne getragen werden.

Was konkret bringen Sie aus Ihrer Tätigkeit als Technologievorstand der Bahn mit an die FAU?
Auch bei der Bahn habe ich mich mit künstlicher Intelligenz und mit Quantencomputing beschäftigt. Zum Beispiel beim Fahrplan. Wollten wir diesen deutschlandweit und mit hinreichender Genauigkeit per Computer optimieren, dann würden die Berechnungen auf derzeitigen Systemen wohl zwei Jahre dauern. Wir betrachten hier immerhin ein System mit einem 33.000 Kilometer langen Streckennetz, knapp 6000 Bahnhöfen und täglich rund 40.000 Zugfahrten. Heute können wir immer nur Teile optimieren. Die Beschleunigung, die wir 2025 mit Quantencomputing erleben werden, ist so radikal, dass wir erstmals den ganzen Lösungsraum durchsuchen können. Das kann zu komplett neuen Lösungen führen.

Welche weiteren Themen besetzt die FAU mit dem CxO Council?
Jeder CxO bringt zwei oder drei Themen mit, die er an der FAU vorantreiben will. Zwei Kollegen von mir, der frühere Peugeot-Vorstand Jean-Marc Gales und Armin Schnettler, der von Siemens Energy kommt, wollen sich im Bereich Wasserstoff einbringen. Schnettler hatte ursprünglich genau wie ich seine Professur verlassen, um in die Wirtschaft zu gehen, und bringt Erfahrung aus beiden Bereichen mit. Der BDI-Chef Siegfried Russwurm war bislang bereits Honorarprofessor, jetzt bringt er seine hervorragenden Kontakte viel breiter ein.

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Wozu können sich die Netzwerke der Ex-Vorstände für die Universitäten noch lohnen?
Wir alle zusammen wollen auch das Thema Alumni-Arbeit mit der FAU noch einmal neu durchdenken und mit unseren Netzwerken verstärken. Dabei wollen wir uns die amerikanischen Alumni-Netzwerke zum Vorbild nehmen, die ihre Universitäten im Laufe ihres Lebens immer wieder unterstützen. Das kann monetär sein, aber auch durch Auftritte bei einer Veranstaltung oder die Betreuung eines ausgegründeten Start-ups – hier können wir sehr kreativ werden. 

WirtschaftsWoche und FAU richten am 13. September gemeinsam den Weltmarktführer Innovation Day aus. Sabina Jeschke tritt dort als Speakerin auf. Weitere Informationen zum Weltmarktführer Innovation Day gibt es hier.

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