Cognigy-Gründer „Neues Kopierpapier kann auch der Bot bestellen“

Chatbot auf einem Handy Illustration Quelle: Fotolia

Das drei Jahre alte Start-up Cognigy hat in seiner zweiten Finanzierungsrunde sechs Millionen Dollar eingesammelt. Im Interview erzählen die Gründer Sascha Poggemann und Philipp Heltewig, was sie mit dem Geld vorhaben, warum auch Mitarbeiter bald mit Chatbots kommunizieren und Smartspeaker kein Zukunftsfeld für sie sind.

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Eigentlich wollten Sascha Poggemann und Philipp Heltewig vor drei Jahren nur einen sprechenden Teddybären entwickeln. Die beiden entschieden sich dann aber doch dazu, Computer zum Reden zu bringen. Mit ihrem Start-up Cognigy bieten sie Software, die Kundenfragen automatisiert beantwortet – ob als Text in einen Chatbot oder gesprochen über einen Sprachassistenten. Mittlerweile ist das Unternehmen auch mit Standorten in den USA und Australien vertreten. In ihrer zweiten Finanzierungsrunde sammelte Cognigy nun sechs Millionen Dollar ein. Zu den Investoren gehörten DN Capital, Nordic Makers und Inventures.

Sie wollen das nun eingesammelte Geld nutzen, um neue Märkte in Europa, Asien und Amerika zu erobern. Wartet die Welt wirklich auf weitere Chatbots?
Heltewig: Es gibt zwar eine Menge an Unternehmen, die Chatbots entwickeln – aber nur eine Handvoll davon hat sich auf Großkunden konzentriert, so wie wir. Und diese Großkunden beziehungsweise Konzerne haben ganz andere Anforderungen, die von 99,9 Prozent der kleineren Chatbot-Anbietern nicht abgedeckt werden können.

Nämlich?
Heltewig: Zum Beispiel ist es für sie wichtig, die DSGVO-Vorgaben einzuhalten oder die Anwendung auf viele Felder ausdehnen zu können.
Poggemann: Chatbots ermöglichen es einem Unternehmen, den Kundenservice relativ kostengünstig auszubauen. Wenn an einem Tag plötzlich eine Millionen statt 10.000 Anfragen im Callcenter landen, können das die Mitarbeiter meist nicht auffangen. Einer KI-Lösung ist es egal, wie viele Anfragen eintreffen. Das sehen immer mehr Unternehmen. Außerdem suchen Unternehmen vermehrt nach Chatbots, um mit ihren Angestellten zu kommunizieren.

Philipp Heltewig (l) und Sascha Poggemann Quelle: Presse

Wie bitte? Sollte der Chef nicht selbst mit seinem Team reden?
Poggemann: Natürlich. Aber es gibt eben auch eine Menge Fragen, die immer wieder auftauchen und deren Beantwortung von wichtigen Dingen abhält. Das fängt bei so einfachen Abfragen wie „Wie viele Urlaubstage stehen mir noch zur Verfügung?“ an und geht bis hin zu ganzen Beantragungs- oder Schadensmeldeprozessen. Neues Kopierpapier kann auch der Bot bestellen.

Kunden aber scheinen von den Vorteilen noch nicht überzeugt zu sein, die sind noch sehr skeptisch.
Heltewig: Ich glaube das Problem bei vielen Chatbots ist, dass gesagt wird: „Hey ich bin ein Bot, wie kann ich dir weiterhelfen?“ Was aber, wenn der Bot sagt: „Hey, ich bin ein Bot, ich kann dir bei diesen drei Dingen helfen. Und wenn nicht, kann ich dich gerne zu einem zuständigen Mitarbeiter verbinden.“ Alleine durch die Art, wie er das Gespräch beginnt, kann man einiges erreichen.

Aber es wird weiterhin Bereiche geben, in denen auf den Menschen mehr Verlass ist als auf einen Chatbot.
Heltewig: Bei Reklamationen oder Beschwerden sollte man wahrscheinlich davon absehen, eine automatisierte Antwort zu geben. Zudem gehen wir ja nicht davon aus, dass die Bots 100 Prozent der Anfragen beantworten können. Aber in jedem Unternehmen wiederholen sich 30 bis 70 Prozent der Themen. Der Kundenservice steckt in einer Wiederholungsschleife.

Welche zum Beispiel?
Heltewig: Bei einem unserer Kunden hängen 80 Prozent aller Anfragen mit Terminbuchungen oder Öffnungszeiten zusammen. Dieser hatte für alle Anfragen aber zu wenige Servicemitarbeiter, wodurch die Kunden bis zu 30 Minuten in der Warteschleife hingen. Dort kann ein Bot helfen, indem er zum Kunden sagt: „Die Wartezeit beträgt ungefähr 30 Minuten, ich könnte aber schon einmal versuchen, dir zu helfen.“ Das kann schließlich nicht schaden, in der Warteschleife hängt man sowieso schon. Selbst wenn das nur bei 30 Prozent der Kunden zutrifft, reduziert das die Bearbeitung der Anfragen massiv.

Mit dem Geld aus der Finanzierungsrunde soll auch der Entwicklungsstandort Düsseldorf ausgebaut werden. Wäre es nicht sinnvoller, nach Experten in den USA oder China zu suchen?
Poggemann: Das Schöne am Standort Deutschland ist, dass wir Zugriff auf hochausgebildete Leute haben. In den USA sind Fachkräfte um ein Vielfaches teurer

Welche Rolle spielen Smartspeaker wie etwa Amazon Echo oder Google Home für Cognigy?
Poggemann: Wir haben uns am Anfang sehr stark auf Smartspeaker konzentriert, mittlerweile ist das im Geschäftsalltag eher ein Nebenprojekt.

Warum?
Poggemann: Ich selbst besitze mehrere von diesen Smartspeakern und ich benutze nur die eingebaute Funktionalität. Ich spiele Musik, steuere die Beleuchtung oder frage nach der Zeit. Mit einer Firma kommuniziere ich aber nicht darüber. Und den meisten Menschen scheint es ähnlich zu gehen.

Worauf wird sich also Cognigy konzentrieren?
Poggemann: Weiterhin auf die klassischen textbasierten Chatbots für Webseiten und auf virtuelle Agenten, die bei Telefonanfragen einspringen.

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