




Wann immer auf den Servern seines Unternehmens Tutao die E-Mails in Massen eintreffen – Matthias Pfau freut sich. Von Hannover aus betreibt der Informatiker einen verschlüsselten E-Mail-Dienst, den mehr als zwei Millionen Kunden nutzen, um spitzelsicher elektronische Post zu verschicken. In Zeiten ständiger Hackerattacken und datenhungriger Nachrichtendienste wächst das Geschäft: Alleine in den vergangenen zwei Monaten gewann der Service weltweit 400 000 neue Nutzer.
Angriffsziele von aufsehenerregenden Cyberangriffen
Im Dezember 2015 fiel für mehr als 80.000 Menschen in der Ukraine der Strom aus. Zwei große Stromversorger erklärten, die Ursache sein ein Hacker-Angriff gewesen. Es wäre der erste bestätigte erfolgreiche Cyberangriff auf das Energienetz. Ukrainische Behörden und internationale Sicherheitsexperten vermuten eine Attacke aus Russland.
Im Februar 2016 legt ein Erpressungstrojaner die IT-Systeme des Lukaskrankenhauses in Neuss lahm. Es ist die gleiche Software, die oft auch Verbraucher trifft: Sie verschlüsselt den Inhalt eines Rechners und vom Nutzer wird eine Zahlung für die Entschlüsselung verlangt. Auch andere Krankenhäuser sollen betroffen gewesen sein, hätten dies aber geheim gehalten.
Ähnliche Erpressungstrojaner trafen im Februar auch die Verwaltungen der westfälischen Stadt Rheine und der bayerischen Kommune Dettelbach. Experten erklären, Behörden gerieten bei den breiten Angriffen eher zufällig ins Visier.
In San Francisco konnte man am vergangenen Wochenende kostenlos mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren, weil die rund 2000 Ticket-Automaten von Erpressungs-Software befallen wurden. Laut einem Medienbericht verlangten die Angreifer 73 000 Dollar für die Entsperrung.
Im Mai 2015 fallen verdächtige Aktivitäten im Computernetz des Parlaments auf. Die Angreifer konnten sich so weitreichenden Zugang verschaffen, das die Bundestags-IT ausgetauscht werden. Als Urheber wird die Hacker-Gruppe APT28 vermutet, der Verbindungen zu russischen Geheimdiensten nachgesagt werden.
Die selbe Hacker-Gruppe soll nach Angaben amerikanischer Experten auch den Parteivorstand der Demokraten in den USA und die E-Mails von Hillary Clintons Wahlkampf-Stabschef John Podesta gehackt haben. Nach der Attacke im März wurden die E-Mails wirksam in der Schlussphase des Präsidentschaftswahlkampfs im Oktober 2016 veröffentlicht.
APT28 könnte auch hinter dem Hack der Weltdopingagentur WADA stecken. Die Angreifer veröffentlichen im September 2016 Unterlagen zu Ausnahmegenehmigungen zur Einnahme von Medikamenten, mit einem Fokus auf US-Sportler.
Ein Angriff, hinter dem Hacker aus Nordkorea vermutet wurden, legte im November für Wochen das gesamte Computernetz des Filmstudios lahm. Zudem wurden E-Mails aus mehreren Jahren erbeutet. Es war das erste Mal, dass ein Unternehmen durch eine Hackerattacke zu Papier und Fax zurückgeworfen wurde. Die Veröffentlichung vertraulicher Nachrichten sorgte für unangenehme Momente für mehrere Hollywood-Player.
Bei dem bisher größten bekanntgewordenen Datendiebstahl verschaffen sich Angreifer Zugang zu Informationen von mindestens einer Milliarde Nutzer des Internet-Konzerns. Es gehe um Namen, E-Mail-Adressen, Telefonnummern, Geburtsdaten und verschlüsselte Passwörter. Der Angriff aus dem Jahr 2014 wurde erst im vergangenen September bekannt.
Ein Hack der Kassensysteme des US-Supermarkt-Betreibers Target macht Kreditkarten-Daten von 110 Millionen Kunden zur Beute. Die Angreifer konnten sich einige Zeit unbemerkt im Netz bewegen. Die Verkäufe von Target sackten nach der Bekanntgabe des Zwischenfalls im Dezember 2013 ab, weil Kunden die Läden mieden.
Eine Hacker-Gruppe stahl im Juli 2015 Daten von rund 37 Millionen Kunden des Dating-Portals. Da Ashley Madison den Nutzern besondere Vertraulichkeit beim Fremdgehen versprach, erschütterten die Enthüllungen das Leben vieler Kunden.
Im Frühjahr 2016 haben Hacker den Industriekonzern Thyssenkrupp angegriffen. Sie hatten in den IT-Systemen versteckte Zugänge platziert, um wertvolles Know-how auszuspähen. In einer sechsmonatigen Abwehrschlacht haben die IT-Experten des Konzerns den Angriff abgewehrt – ohne, dass einer der 150.000 Mitarbeiter des Konzerns es mitbekommen hat. Die WirtschaftsWoche hatte die Abwehr begleitet und einen exklusiven Report erstellt.
Im Mai 2017 ging die Ransomware-Attacke "WannaCry" um die Welt – mehr als 200.000 Geräte in 150 Ländern waren betroffen. Eine bislang unbekannte Hackergruppe hatte die Kontrolle über die befallenen Computer übernommen und Lösegeld gefordert – nach der Zahlung sollten die verschlüsselten Daten wieder freigegeben werden. In Großbritannien und Frankreich waren viele Einrichtungen betroffen, unter anderem Krankenhäuser. In Deutschland betraf es vor allem die Deutsche Bahn.
Über die Masse elektronischer Nachrichten aber, die Anfang Mai erst Pfaus Mail-Server flutete und dann den regulären Geschäftsbetrieb von Tutao lahmlegte, freute sich Pfau nicht. Hacker hatten mit einem besonders perfiden neuartigen Angriff die Kommunikation blockiert. Unbemerkt hatten sie wichtige E-Mail-Adressen von Tutao, wie die für Kunden- oder Serviceanfragen, in die Verteiler von Zigtausenden von Newsletter-Anbietern eingetragen. Die Folge: Innerhalb kürzester Zeit wurden Pfau und seine Mitarbeiter von etwa einer halben Million Newsletter bombardiert.
Horrorszenario für vernetzte Unternehmen
Sicherheitsexperten fürchten, Newsletter-Angriffe wie dieser könnten zur nächsten großen Bedrohung für Unternehmen werden – nach der Attacke WannaCry, die kürzlich Anzeigetafeln der Deutschen Bahn und Hundertausende Rechner lahmlegte. Vor „der nächsten Waffe der digitalen Untergrund-Wirtschaft“ warnen die Experten von Spamhaus.org. Der renommierte IT-Experte Brian Krebs spricht von „Newsletter-Bomben“.
Tutanota-Nutzer waren zwar nicht direkt betroffen, dafür war das Unternehmen selbst kaum mehr erreichbar. „Es war uns nicht möglich, aus den Hunderttausenden eintrudelnden Newslettern die relevante Post herauszufischen“, sagt Pfau. „Tagelang konnten wir mit Nutzern und potenziellen Neukunden nicht per E-Mail kommunizieren.“ Mühsam mussten er und sein Team eine Abwehrtaktik entwickeln, um den Ansturm zu stoppen.





Derart abgeklemmt vom Informationsfluss zu sein ist ein Horrorszenario – auch für Autovermieter, Banken, Hotelbetreiber oder Onlineshops. Denn in einer vernetzten Welt ist es für jeden Dienstleister entscheidend, mit Partnern, Lieferanten oder Kunden jederzeit kommunizieren zu können.
IT-Experte Krebs, von der Hackerszene als Gegner identifiziert, war 2016 selbst Opfer eines der ersten Angriffe mit einer Newsletter-Bombe. Fachleute fürchten, dass die Hacker gezielt einen Vorboten des Bösen an einen ihrer Erzfeinde abgesendet haben. Krebs war 2016 auch eines der ersten Opfer der Mirai-Attacke. Die legte kurz darauf im vergangenen Oktober weltweit Zigtausende Server lahm, darunter die von Amazon und Netflix – einer der größten Cyberangriffe in der Geschichte der USA.