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Digitaler PersonalausweisWie Nancy Faesers falscher Geiz die Digitalisierung bremst

Ein smarter Gratisservice der Bundesregierung steigerte die Nutzerzahl des elektronischen Personalausweises in knapp zwei Jahren um fast 20 Prozent. Nun stellt Bundesinnenministerin Faeser den Dienst ein. Sie spart am falschen Ende. Ein Kommentar.KOMMENTAR von Thomas Kuhn 29.12.2023 - 14:57 Uhr

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) erschwert die nachträgliche Aktivierung bislang ungenutzter elektronischer Personalausweise.

Foto: REUTERS

Die Digitalisierung der deutschen Verwaltung ist – abgesehen von einigen wenigen Positivbeispielen – seit Jahren ein Trauerspiel. Nicht bloß gegenüber europäischen Digitalisierungsmusterländern, wie etwa dem baltischen Estland hängt Deutschland beim Angebot digitaler Behördendienstleistungen teils Jahre zurück. Bis Ende 2022 hatte schon die große Koalition geplant, mit dem sogenannten Onlinezugangsgesetz (OZG) alle Verwaltungsdienstleistungen zu digitalisieren. Tatsächlich aber boten Bund und Länder bis zur selbst gesetzten Frist online lediglich vier Prozent ihrer digitalisierbaren Verwaltungsleistungen an.

Mitverantwortlich für die schleppende Umsetzung der Pläne ist ein klassisches Henne-Ei-Problem: Für den Zugriff auf viele der Verwaltungsangebote müssen Bürgerinnen und Bürger die darin seit Jahren standardmäßig vorhandenen Onlinefunktionen ihrer Personalausweise aktivieren. Über Jahre aber machte das kaum jemand, weil es ja kaum nutzbare digitale Angebote bei Ämtern und Behörden gab.

Der Freischaltbrief, um die digitale Identität im Ausweis zu aktivieren, verschwand zumeist im Altpapier oder in irgendwelchen Ordnern im Schrank. Die Verwaltungen wiederum wandten sich lieber anderen Themen zu, weil es ja auch kaum Menschen gab, die ihren Personalausweis als „ePerso“ für die Online-Identifikation nutzten.

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Inzwischen immerhin hat sich die Lage mancherorts durchaus gebessert. Beispiele, wie die jüngst erst von der WirtschaftsWoche als „Deutschlands digitalste Städte“ ausgezeichneten Kommunen Freiburg oder Ingolstadt belegen, wie weitreichend das Angebot an digitalen Bürgerdiensten inzwischen sein kann. Es reicht vom digitalen Anmelden des Wohnsitzes oder eines neuen Autos bis zum Antrag für Anwohner oder Handwerkerparken, oder der Anmeldung eines Gewerbes. Und immer häufiger fragen sich Menschen nun, ob und wie sie die Digitalfunktionen ihres Ausweises nun doch noch aktivieren können? Und wo, zum Teufel, eigentlich der alte PIN-Brief vom Amt geblieben sein könnte?

Einfach, bürgernah und kostenlos

Seit Februar 2022 hatte das Bundesinnenministeriums eine ebenso einfache, wie komfortable Antwort auf die Fragen gefunden und ein smartes Angebot geschaffen, um der Digitalisierung auf die Sprünge zu helfen. Wer den alten Freischaltbrief nicht mehr fand, konnte über die Web-Adresse pin-ruecksetzbrief-bestellen.de einen Einmal-Aktivierungscode per Brief bestellen. Annähernd zwei Millionen Bürgerinnen und Bürger haben von dem Angebot bisher Gebrauch gemacht.

Doch damit ist nun schon wieder Schluss. Vor wenigen Tagen meldete das Nachrichtenportal heise.de, das Bundesinnenministerium (BMI) werde das Angebot beenden. „Der im Februar 2022 eingeführte kostenfrei nutzbare PIN-Rücksetz- und Aktivierungsdienst per Pin-Brief wird ausgesetzt. Der komplette Dienst wird zum 31. Januar 2024 eingestellt“, hieß es auf Anfrage aus dem BMI. Der Sparhaushalt 2024 erfordere „eine Neubewertung aller Projekte und Dienste im Bereich Digitale Identitäten“. Mit anderen Worten, Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) lenkt die ohnehin stockende Digitalisierung noch weiter aufs Abstellgleis.

Und zwar mit aller Kraft: Wer nun als Bürger hoffte, zumindest auf die Schnelle noch einen Rücksetzbrief beantragen zu können, wird enttäuscht. Offenbar ist dem Ministerium das Geld noch früher ausgegangen als zunächst gedacht. Statt erst Ende Januar 2024, ist nun sogar schon im alten Jahr Schluss. „Der PIN-Rücksetz- und Aktivierungsdienst musste zum 29. Dezember 2023 leider eingestellt werden“, erscheint bereits jetzt als Hinweis auf der Webseite des BMI. Nach dem vorzeitigen Ende des Rücksetzbriefs bleibt nun also wieder nur der analoge Gang zum Amt: Dort können Bürgerinnen und Bürger die PIN vor Ort zurücksetzen lassen oder den ePerso höchstpersönlich nachträglich aktivieren.

Ein Bärendienst für die Digitalisierung

Mit der überhasteten Sparmaßnahme erweist Faeser der Digitalisierung einen Bärendienst. Laut Umfragen von Yougov nutzen deutschlandweit gerade mal acht Prozent der Menschen die Online-Funktion des ePerso, hochgerechnet also knapp sieben Millionen Deutsche. Dass sich seit Februar 2022 knappe zwei weitere Millionen Menschen Faesers Rücksetzbriefe haben schicken lassen, belegt, wie erfolgreich die Aktion war, um die eine Hälfte des Henne-Ei-Problems zu entschärfen. Umso mehr, als immerhin rund zwei Drittel der Briefe laut BMI auch tatsächlich verwendet wurden, um den ePerso zu aktivieren.

In der an Durchbrüchen alles andere als reichen Liste der Digitalisierungsbemühungen in der deutschen Verwaltung war das zumindest eine kleine Erfolgsgeschichte. Faesers falscher Geiz beim ePerso würgt selbst die nun wieder ab. Es ist und bleibt ein Trauerspiel!

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