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Google GeminiEine neue KI und viele aussterbende Geschäftsmodelle

Googles KI-Suche macht das Leben im Internet noch ein bisschen leichter – und stellt nebenbei das Erlöskonzept SEO infrage.Thomas Kuhn 28.03.2025 - 09:22 Uhr aktualisiert
Zehn Monate, nachdem Google sie bei der Entwicklerkonferenz I/O angekündigt hatte, sind die neuen KI-Funktionen auch in Deutschland verfügbar. Foto: IMAGO/SOPA Images

Der Umbau seines Suchportals, den der Digitalkonzern Google in diesen Tagen auch bei seinen deutschsprachigen Diensten vollzieht, er kommt langsam – aber gewaltig.

Langsam, weil Google die neuen KI-generierten Antworten auf Suchanfragen zum einen zunächst nur schrittweise in die Ergebnisseiten einzelner Nutzerinnen und Nutzer einblendet. Zum anderen, weil der Digitalkonzern die ausformulierten Fließtexte nach eigenen Angaben ohnehin nur dann zusätzlich zu den gewohnten Link-Listen und knappen Vorschauzeilen zeigen will, wenn das „sinnvoll“ sei, es also etwa um die Beantwortung besonders komplexer Fragen gehe. Einer amerikanischen Studie zufolge ist das in den USA bisher bei knapp jeder fünften Suchanfrage der Fall.

Zugleich aber markiert die Einführung der, wie Google sie in Deutschland nennt, „Übersicht mit KI“ einen gewaltigen Umbruch. Es ist die größte Zäsur für das Angebot, seit der Suchdienst 1997 online ging: Aus dem führenden Webverzeichnis wird eine machtvolle Antwortmaschine. Eine, die mehr denn je zuvor zum Torwächter oder Brückenbauer zwischen den Suchinteressen der Nutzer und den Informationen der Inhalteanbieter im Web mutiert.

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Es ist ein Paradigmenwechsel, der nicht bloß verändert, wie Menschen Informationen im Netz finden. Mindestens so sehr erschüttert er die Geschäftsmodelle, die sich rund um die Suche im Web etabliert haben. Denn damit Googles Suchalgorithmen Webshops, Nachrichtenseiten, Ratgeberportale oder beliebige andere Seiten in den Ergebnislisten möglichst weit oben einsortiert, widmet sich eine ganze Industrie von Dienstleistern und Softwareanbietern der Anpassung der Webinhalte an die Suchalgorithmen – der Suchmaschinenoptimierung oder „Search Engine Optimization“, im Netzjargon kurz SEO genannt. Es ist ein Milliardenmarkt, den spezialisierte Dienstleister wie Nuoptima allein in Deutschland auf rund 5,8 Milliarden Euro jährlich kalkulieren.

Was aber, wenn Google künftig immer häufiger direkt selbst die passenden Antworten gibt, statt Links auf möglicherweise zu den Suchbegriffen passende Webseiten aufzulisten? Wenn der Web-Gemeinde im Wesentlichen reicht, was die KI als Zusammenfassung formuliert hat und die Nutzer nicht mehr auf die verknüpften Quellen oder die übrigen, weiter unten aufgelisteten Web-Links klicken?

Das wird katastrophal für unseren Traffic
Danielle Coffey
Vorsitzende News Media Alliance

„Das wird katastrophal für unseren Traffic“, kommentierte Danielle Coffey, Vorsitzende der „News Media Alliance“, die in den USA Interessen von mehr als 2.000 Tageszeitungen und Zeitschriften vertritt, die Pläne schon im vergangenen Mai, als Google die englisch „AI Overview“ genannten KI-Antworten erstmals vorstellte. Seither hat Google die Funktion schrittweise zunächst in englisch- und spanischsprachigen Ländern aktiviert. Rund eine Milliarde Nutzer, so der Konzern, können das Feature mittlerweile nutzen. Nun schaltet der Konzern die Übersicht mit KI auch für deutschsprachige Anwender frei.

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Google-Manager wie Brendon Kraham, verantwortlich fürs globale Geschäft mit Suchanzeigen sowie Produkt- und Geschäftsstrategie versuchen, zu beruhigen: „Wir verstehen diese Sorgen“, so Kraham im Gespräch mit dem Onlinedienst OMR.com und sagt: Untersuchungen in den Ländern, in denen die KI-Antworten bereits verfügbar seien, zeigten, wer die Übersicht mit KI nutze, suche häufiger und sei zufriedener mit den Ergebnissen.

„Dadurch steigt auch die Anzahl kommerzieller Suchanfragen“, so Kraham weiter. Dadurch steige auch die Anzahl kommerzieller Suchanfragen. Googles Ziel sein nicht, Inhalte zu ersetzen, sondern Nutzende effizienter mit relevanten Quellen zu verbinden, betont Kraham. „Kurz gesagt: Mehr Suchanfragen, zufriedenere Nutzende und hochwertigere Klicks – ein Gewinn für alle Beteiligten, auch für Publisher.“

Also alles kein Grund zur Sorge?

Selbst Googles KI „Gemini“ hat Zweifel

Googles eigener KI-Chat-Agent Gemini ist deutlich skeptischer: „Webseitenbetreiber, deren Geschäftsmodell auf Werbeeinnahmen aus einfachen Informationsinhalten basiert, könnten durch die direkten KI-Antworten, massive Einbrüche des Traffics erleiden“, kommentiert Gemini eine entsprechende Chat-Anfrage. Ebenso könnten „kleine Unternehmen, die stark auf traditionelle Suchmaschinenwerbung angewiesen sind, könnten Schwierigkeiten haben, ihre Sichtbarkeit aufrechtzuerhalten“.

Das deckt sich mit Prognosen menschlicher Experten für Online-Marketing: „Das klassische SEO ist tot“, unkt etwa Jonas Paul Klatt, Gründer des auf Reputationsberatung spezialisierten Dienstleisters OnRep Consulting auf der Plattform Trending Topics. Unternehmen, die durch klassische Suchmaschinenoptimierung bisher bei Google gut sichtbar gelistet wurden, könnten erheblich an Visibilität einbüßen, warnt der Experte.

Gerade kleineren und mittleren Unternehmen könnten wirtschaftliche Einbrüche drohen. Zumal bisher unklar sei, an welchen Inhalten auf den Webseiten sich die KI bei der Suche nach Antworten bediene. „Man weiß nicht, was über sein Unternehmen gefunden wird.“

Dazu kommt, dass bei KI-Sprachmodellen – trotz allen Trainings – sogenannte „Halluzinationen“ auftreten können. Kurz gesagt, die Algorithmen fabulieren sich ihre Antworten zurecht, oder sie gehen Informationen auf den Leim, die beispielsweise von Satireseiten publiziert wurden. Nach dem US-Start von Googles-KI-Antworten hatten Nutzer begonnen, besonders skurrile Ratschläge auf der Online-Plattform Reddit zu sammeln; wie etwa den Hinweis, Geologen der Universität Berkeley würden empfehlen, bei Mineralienmangel „mindestens einen kleinen Stein pro Tag“ zu verspeisen.

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Derlei Unsinn habe man inzwischen weitgehend eliminiert, verspricht Google, ist sich der Grenzen der Technik aber dennoch bewusst. So blendet das Unternehmen weiterhin im Chat-Fenster seines KI-Agenten gut sichtbar die Warnung ein „Gemini kann Fehler machen, auch bei Informationen über Personen, überprüfe daher die Antworten.“

Und so sieht der Suchkonzern seine KI-Antworten jedenfalls vorerst auch nur als Ergänzung und nicht als Ersatz für die klassische Linkliste mit Online-Fundstellen. Die Übersichten mit KI seien besonders bei komplexen Anfragen hilfreich, die Informationen aus mehreren Quellen erfordern, sagt Google-Manager Kraham, betont aber, es gebe auch weiterhin „viele Suchanfragen, bei denen klassische Suchergebnisse die bessere Wahl sind“.

Ob das nur Beschwichtigungen sind, oder ob das Interesse der Suchenden tatsächlich auch weiter über die KI-Zusammenfassungen hinausreicht, wird sich wohl erst in den kommenden Monaten zeigen, wenn die Fließtextantworten auch auf Googles deutschsprachigen Suchseiten etabliert sind. Entscheidende Kenngröße ist die sogenannte "Zero-Click-Rate", also der Anteil von Suchanfragen, bei denen die Nutzer anschließend keine der angezeigten Fundstellen anklicken.

Offizielle Zahlen von Google gibt es nicht. Marktforschern und Suchmaschinenexperten wie Rand Fishkin zufolge aber folgte in den vergangenen Jahren bei etwa der Hälfte bis zwei Dritteln der Suchergebnisse anschließend kein Klick mehr auf eine andere Webseite.

Die Quote merklich zu senken, dürfte angesichts von Googles „Übersicht mit KI“ schon bald zur Aufgabe einer neuen Profession von Online-Optimieren werden. Statt SEO-Experten, glaubt jedenfalls OnRep-Berater Klatt, seien in Zukunft AEO-Spezialisten gefordert. AEO, wie „Answer-Engine-Optimization“, die optimale Aufbereitung von Webinhalten für die Antwortmaschinen.

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