Rückzug von Brin und Page Rückblick: Was die Google-Gründer vor 16 Jahren bewegte

Die beiden Google-Gründer Larry Page (links) und Sergey Brin im Interview mit der WirtschaftsWoche im Jahr 2003 Quelle: Arne Weychardt für WirtschaftsWoche

2003 führte die WirtschaftsWoche eines der ersten Interviews in Deutschland mit den Google-Gründern Larry Page und Sergey Brin: über Kasse machen an der Börse, Konkurrenz durch Microsoft und Urlaub auf Firmenkosten.

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Dieses Interview erschien am 2.10.2003 in der WirtschaftsWoche unter dem Titel „Eher ein Zufallstreffer“.

Brin, 30, und Page, 30, gründeten die Suchmaschine Google im September 1998. Sie revolutionierten den vermeintlich längst aufgeteilten Markt für Web-Recherchen, indem Google die Relevanz der Internetseiten anhand der Zahl der Querverweise von anderen Web-Sites bewertet. Einst dominierende Suchdienste wie Excite, AltaVista oder Infoseek hat Googles mehr als 3,3 Milliarden Internetseiten umfassender Web-Index längst abgehängt. Bitter für die Konkurrenz: Bevor der gebürtige Moskauer Brin und Page als Sohn eines US-Informatikprofessors mit Google den Start auf eigene Faust wagten, hatten die damaligen Stanford-Studenten mit ihrem Konzept bei den etablierten Anbietern Klinken geputzt. Vergeblich.

WirtschaftsWoche: Mr. Page, Mr. Brin, als Sie mit Google gestartet sind, hatten Sie Ihr erstes Büro in einer Garage im Silicon Valley. Keine schlechten Aussichten, immerhin haben auch Microsoft-Gründer Bill Gates, Apple-Chef Steve Jobs oder die Herren William Hewlett und David Packard in Garagen angefangen.
Brin: Stimmt, wenn wir mit denen gleichziehen könnten, wäre das in der Tat eine tolle Perspektive.
Page: Aber die Realität sieht noch ganz anders aus. Natürlich haben wir unsere Träume, aber es wäre vermessen zu erwarten, dass sie auch in Erfüllung gehen.

Die Tendenz stimmt doch. Immerhin ist Google die mit Abstand erfolgreichste Suchmaschine im Internet.
Page: Im Rückblick überrascht mich das auch immer wieder.

Haben Sie nicht an den Erfolg Ihres Unternehmens geglaubt?
Brin: Doch, das schon. Aber der Erfolg kam insofern überraschend, als Larry und ich ursprünglich gar nicht daran gedacht haben, daraus ein Geschäftsmodell zu machen.

von Matthias Hohensee

Wie bitte, wollen Sie damit sagen, Google sei ein Zufallsprodukt?
Page: Zumindest war es eher ein Zufallstreffer, dass sich Sergeys Forschungen zum Finden und Analysieren von Informationen – das so genannte Data Mining – und mein Interesse an Informationsstrukturen im Internet ergänzten und wir beides schließlich kombiniert haben. Das Geschäftsmodell hat eher uns gefunden als umgekehrt.

Dafür haben Sie im Gegensatz zu vielen anderen einen Durchmarsch hingelegt wie aus dem Lehrbuch der New Economy.
Brin: Nur ist der Hype um die New Economy in sich zusammengebrochen. Das ist schon merkwürdig: So viele neu gegründeten Firmen sind gescheitert, und Google geht's gut.
Page: Sehr gut! Und während es anfangs immer hieß, mit Suchdiensten im Web sei kein Geld zu verdienen, gilt das heute als sehr lukratives Geschäft.

Da könnte es sich langsam lohnen, Google an die Börse zu bringen und Kasse zu machen. Bisher haben Sie das immer abgelehnt, aber Ihre Risikokapitalgeber wollen sicherlich auch Geld sehen.
Brin: Anders als viele, die während des E-Hypes ein Internetunternehmen gestartet haben, haben Larry und ich Google nicht gegründet, um damit möglichst schnell an der Börse den großen Schnitt zu machen. Wir wollten etwas Langlebiges auf die Beine stellen, etwas, das auch nach zehn oder mehr Jahren noch Bestand hat.
Page: Und damit sind wir bei den Investoren auf offene Ohren gestoßen. Das hat mich zunächst auch überrascht.
Brin: Außerdem sehen unsere Investoren ja Geld. Ohne ins Detail zu gehen: Google hat ein sehr profitables Geschäftsmodell.

Das heißt, das Thema Börse stellt sich für Sie auf Dauer nicht?
Page: Es stellt sich jetzt nicht. Zu Zeiten der E-Bubble hatten wir Schwierigkeiten, gute Leute zu finden, weil wir keinen unmittelbaren Börsengang anstrebten und die Mitarbeiter nicht mit millionenschweren Aktienoptionen ködern konnten. Das Problem hat sich zurzeit erledigt. Aber wir wären doch fahrlässig, würden wir uns nicht immer wieder fragen, ob wir unsere Strategie ändern müssen.

Zum Beispiel, weil das Geschäft in Zukunft härter wird: Der Internetriese Yahoo hat in diesem Jahr Ihre Konkurrenten Inktomi und Overture aufgekauft. Und auch Microsoft hat angekündigt, eine eigene Suchtechnologie zu entwickeln.
Brin: Trotzdem ist Yahoo selbst weiter Kunde bei uns.

Dennoch: Der Markt ist in Bewegung. Der bisherige Overture-Kunde T-Online wollte nach deren Übernahme durch Yahoo seinen Vertrag vorzeitig kündigen und zu Google wechseln, darf das aber laut Gerichtsbeschluss nicht.
Page: Grundsätzlich ist es kein gutes Zeichen für eine Geschäftsbeziehung, wenn man seinen Kunden gerichtlich zwingen muss, zu bleiben.

Fürchten Sie nicht, dass Sie schnell Probleme bekommen, wenn Microsoft mit all seiner Entwicklungspower und Marketingmacht im Suchmaschinengeschäft aktiv wird?
Page: Kein Zweifel, wenn ein solcher Gigant in unser Business drängt, kann das ganz schön strapaziös werden.
Brin: Aber zum Glück gibt es ja auch ein paar Märkte wie Computerspiele, Finanzsoftware oder Organizer, in denen sich Microsoft trotz hoher Investitionen gegen Unternehmen wie Sony, Intuit oder Palm noch nicht durchgesetzt hat.

Und wie wollen Sie Ihre Führung behaupten?
Page: Es mag etwas platt klingen, aber wir müssen eben besser sein und innovativer.
Brin: So haben unsere Entwickler etwa die klare Vorgabe, neben ihren regulären Projekten 20 Prozent der Arbeitszeit frei zu nutzen und ihre eigenen Ideen umzusetzen. Und weil wir immer noch sehr flache Hierarchien haben, bekommen wir schnell mit, wo sich interessante Dinge abzeichnen, die wir dann zu regulären Angeboten weiterentwickeln.

Zum Beispiel?
Page: Unsere Nachrichtenübersicht Google News ist so ein Fall, oder die Suche in den Internet-Newsgroups. Das sind Projekte, an denen ein paar Leute gearbeitet haben, ohne dass wir beide davon gewusst hätten...
Brin: ...aber als uns klar wurde, welches Potenzial darin steckt, haben wir das ganz schnell realisiert. Diese eher informelle Startup-Kultur müssen wir uns erhalten.

Zugleich müssen Sie weiter wachsen. Wie passt das zusammen?
Page: Der Spagat ist schwierig, aber wir arbeiten daran. In diesem Jahr haben wir beispielsweise alle Mitarbeiter in Kalifornien für zwei Tage zum Skilaufen eingeladen.
Brin: Auf Firmenkosten und während der Arbeitszeit! Das war ziemlich cool.

Das mag funktionieren, so lange Google in erster Linie ein kalifornisches Unternehmen ist. Aber können Sie das auf Dauer bleiben? Die Informationen im Web kennen doch auch keine Ländergrenzen.
Brin: 90 Prozent unserer Suchtechnologie lässt sich weltweit einsetzen. Insofern könnten wir auch ohne internationale Präsenz gute Geschäfte machen. Aber zum einen läuft es noch viel besser, wenn wir in den relevanten Werbemärkten mit Vertriebsleuten vor Ort sind.
Page: Zum anderen bekommen wir zunehmend Probleme bei einigen unserer Mitarbeiter, deren US-Visa nicht mehr verlängert werden. Seit dem 11. September 2001 werden die Behörden immer restriktiver.

Mit welcher Konsequenz?
Brin: Wir überlegen, außerhalb der USA nicht nur Vertriebs-, sondern auch Entwicklungsbüros aufzumachen, um nicht wertvolle Leute und damit Innovationskraft zu verlieren.

Haben Sie schon Standorte im Auge?
Page: Über Indien haben wir intensiv nachgedacht – aber auch über Ziele in Europa. Die Entscheidungen werden in nächster Zeit fallen.

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