Seznam.cz Das tschechische Google

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Seznams Zukunft

Zima dagegen gibt sich kämpferisch: „Wir denken nicht daran, irgendwelche unserer Dienste einzustellen.“ Und von der Konkurrenz will er auch nichts wissen. „Wir sind fokussiert auf unser Unternehmen.“

Trotzdem: „Langfristig wird Seznam es schwierig haben“, sagt Christoph Salzig, der frühere Pressesprecher des Bundesverbands Digitale Wirtschaft und heutiger Inhaber von Primus Inter Pares, einem Netzwerk von Kommunikationsspezialisten. Abzulesen sei das an den Marktanteilen und der Nutzungsintensität. „Die Zahlen sind nicht mehr auf dem Niveau von vor fünf Jahren.“

Hier dominiert Google den Suchmaschinenmarkt

Anfang 2010 noch betrug Googles Marktanteil gerade einmal 20 Prozent – Seznam dagegen verfügte über gut 68 Prozent. Im selben Jahr trieb Google seine Marketing-Aktivitäten auf dem tschechischen Markt auf den Höhepunkt.

Der US-Konzern schaltete in Tschechien TV-Werbung für seine Suchmaschine – etwas, dass Google sonst nicht nötig hat, denn in den meisten europäischen Ländern hat Google um die 90 Prozent des Markts inne. Es war das zweite Mal in Googles Geschichte, dass der Konzern für seine Suchmaschine warb.
Erstmals griff Google 2009 in Japan zu dieser Maßnahme, um Yahoo die Marktführerschaft dort strittig zu machen. Immerhin ist der japanische Online-Werbemarkt mit einem Volumen von neun Milliarden US-Dollar einer der größten weltweit; das Volumen des tschechischen beträgt gerade einmal eine halbe Milliarde US-Dollar.

„Danach haben sich die Kraftverhältnisse gewendet. Seznams Dominanz ist gebrochen“, sagt Simkanič. „Niemand weiß, ob sie aktuell 50 Prozent oder nur 40 Prozent des Suchmaschinen-Markts beherrschen – es gibt ja keine Zahlen von Google.“

Selbst wenn Seznam nur noch 40 Prozent der Marktanteile beherrschen sollte, ist das eine beeindruckende Leistung. In Deutschland hat Google 95 Prozent des Markts inne – gefolgt von Bing und Yahoo, die jeweils zwei Prozent halten.

Vorbild für europäische Start-Ups?

Können europäische Start-Ups sich also etwas von Seznam abgucken, um gegen Riesen zu bestehen? „Wer die Geschichte Seznams betrachtet, könnte auf die Idee verfallen, dass auch kleinere Unternehmen langfristig eine Chance gegen Riesen wie Google haben“, sagt Salzig. Er selbst glaubt nicht daran. 

Seznams großer Vorteil sei die Sprache gewesen. „Wann immer eine Sprache sich von dem unterscheidet, was wir aus dem anglophilen oder europäischen Raum kennen, wird es für Google aufwendiger, den Such-Algorithmus darauf auszurichten.“ So etwas lohne sich nur, wenn eine kritische Masse erreicht werde – der Markt müsse groß genug sein. „Aus diesem Grund hat sich Google mit den Investitionen in Tschechien so lange zurückgehalten.“

Zudem sei es entscheidend gewesen, dass Seznam so früh auf einem noch jungen Markt war und die Tschechen damals dem Englischen nicht allzu nahestanden. Der deutsche Markt sei heute weiter entwickelt als der tschechische. „Je erwachsener ein Online-Markt ist, desto stärker nähert er sich dem anglophilen Sprachraum“, sagt Salzig.

Dass so etwas wie Seznam in Deutschland möglich ist, hält Salzig deswegen für unwahrscheinlich. „Die europäischen Bestrebungen, eine Suchmaschine an den Start zu bringen, sind eklatant gescheitert“, sagt er. Google wirke auf dem Suchmaschinenmarkt völlig konkurrenzlos.

„Die Geschichte zeigt, dass Google mit dem enormen Investitionsvolumina fast jederzeit bereit ist, eine Alternative anzubieten“, sagt Salzig. „Die Tatsache, dass Google Android in so kurzer Zeit wettbewerbsfähig gemacht hat, ist der stärkste Beleg für die Innovationskraft Googles.“

Trotzdem: Simkanič ist sich sicher, dass Seznam andere Wege finden wird, seine Stellung zu verteidigen. „Für alle Tschechen ist es verwunderlich, dass Seznam sich so lange gegen Google durchgesetzt hat.“ Es bleibt abzuwarten, was Zima und seine Kollegen sich einfallen lassen, um Google weiter erfolgreich entgegenzutreten.

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