Breitbandausbau Die Legende vom schnellen Ausbau des Internets

Eine Baustelle für den Breitbandausbau in Düsseldorf (NRW). Quelle: imago images

In der WirtschaftsWoche war vor Kurzem ein Plädoyer für den raschen Ausbau des Glasfaserinternets zu lesen. Die Forderung ist populär, aber sie ist gefährlich. Ein Schnell-schnell beim Breitbandausbau hätte verheerende Folgen. Ein Gastbeitrag.

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Tim-Oliver Müller ist Hauptgeschäftsführer des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie. Er antwortet auf einen Beitrag von Thorsten Dirks, den Sie hier lesen können.

Schnelles Internet an wirklich jedem Fleck in Deutschland. Das ist kein Luxus, sondern unstrittig dringend nötig. Es geht nicht nur um die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft, sondern auch um den Zugang zu Bildung und damit Teilhabe an unserer Gesellschaft. Kurz: Die Digitalisierung wird uns maßgeblich den Wohlstand von morgen ermöglichen. Stand heute haben wir jedoch den Ausbau der Netze verschlafen – das ist ernüchternd. Wie sieht der Masterplan für den Ausbau aus? Das ist eine der Schlüsselfragen für die neue Regierung.

Um hierbei Fehler zu vermeiden, führt kein Weg an dem Blick in die Vergangenheit vorbei. Warum haben wir bisher beim Breitbandausbau versagt? Erstens: Infolge der Monopolstellung eines Breitbandversorgers wurden über Jahre hauptsächlich Ballungsgebiete angeschlossen, der Rest war schlicht nicht lukrativ. Zweitens: Die Ertüchtigung alter Kupferkabel war ein folgenreicher Fehler; eine technisch unnütze Schleife, die uns weit zurückgeworfen hat. Fazit: Was hier 20 Jahre schiefgelaufen ist, kann nicht von heute bis ins Jahr 2025 fachlich einwandfrei korrigiert werden.

Mehr noch: Ein Schnell-schnell beim Ausbau könnte sich als eine lange anhaltende Kostenfalle entpuppen. Denn wer jetzt einseitig auf Tempo setzt, nimmt zweifelhafte und nicht fachgerechte Maßnahmen der Durchführung in Kauf, die das Gemeingut Straße zur teuren Dauerbaustelle für uns Steuerzahler macht.

Warum? Eine Straße kann und sollte nicht einfach aufgeschlitzt und wieder zugemacht werden. Die Idee von der schnellen Legung der Breitbandleitungen klingt verführerisch, ist aber gefährlich. Denn die vorhandene unterirdische Infrastruktur, wie Gas-, Wasser-, Energie-, Fernwärmeleitungen, die bereits tiefer in der Erde liegt, kann nicht einfach überbaut werden. Zum Beispiel müssen Gas- und Wasserleitungen immer mal wieder saniert oder im Notfall eines Lecks schnell zugänglich sein. Sollten die Versorgungsleitungen jetzt überbaut werden, können sie zukünftig schlechter erreicht werden.

Die Städte und Gemeinden stehen vor einer gewaltigen Aufgabe: Sie müssen den Spagat zwischen dem Anschluss und dem Schutz der oberirdischen und unterirdischen Infrastruktur schaffen. Wir müssen bei allem Wunsch nach Tempo auf Qualität und Nachhaltigkeit achten. Diese Erkenntnis setzt sich nun durch.

Die Bürgermeister landauf, landab etwa haben schon länger begriffen, dass ein viel zu hastiger Straßenaufriss zur langfristigen Kostenbelastung für die Kommunen wird. Ihre Planungslogik geht über eine Legislaturperiode hinaus. Auch große Wirtschaftsverbände lassen ein Umdenken erkennen: Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft forderte kürzlich, vermehrt die Nachhaltigkeitsaspekte beim Breitbandausbau in den Fokus zu stellen und Überbauung zu verhindern. Und Bitkom-Präsident Achim Berg regte jüngst an, die Fördergelder für die Durchführungen länger zu streuen, damit sich die Tiefbauer auf nötige Investitionen einstellen können und Planungssicherheit haben.

Häufig hören wir Berichte aus Südeuropa, wie rasant dort jedes entlegene Dorf mit Breitbandinternet ausgestattet wird. Kürzlich habe ich mit einem Leitungsbauunternehmer gesprochen, der gerade aus dem Spanienurlaub kam. Der berichtete mir von überirdisch hängenden Kabeln, die sich mastlos von Haus zu Haus schwingen. Einige Dorfbewohner hatten ihre Wäsche darauf aufgehängt. Zitat: „Wenn ich das in Deutschland abliefere, mache ich mich nicht nur zum Gespött, ich kann gleich Insolvenz anmelden.“

Aber auch in Deutschland finden wir derzeit Rahmenbedingungen bei den Bauausschreibungen vor, die alles andere als akzeptabel für unseren Anspruch an Qualität sind. Das hat zur Folge, dass immer mehr Baubetriebe an den Vergaben einfach nicht mehr teilnehmen möchten. Wie kann das sein? Viele Unternehmen wollen einfach die Haftungsrisiken nicht mehr eingehen, wenn sie aufgefordert werden, nach dem Prinzip „Schnell schlitzen-legen-zustopfen“ zu arbeiten.

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Ich sage es nicht gern, aber: Der schnelle Ausbau des Glasfaserinternets ist bis 2025 nicht zu realisieren. Die Fehler der Vergangenheit sind nicht mal eben korrigierbar. Setzen wir lieber alles daran, es jetzt richtig und nachhaltig zu machen.

1. Hochwertig, fachgerecht und strategisch koordiniert: Das Gemeingut Straße muss nachhaltig geschützt und respektiert werden. Vermeiden wir langfristige Kosten durch eine fahrlässig falsche Überbauung der vorhandenen Infrastruktur.

2. Die Kommunen erhalten durch ein koordiniertes und gründliches Vorgehen die Chance, parallel zum Breitbandausbau existierende Leitungen wenn notwendig zu erneuern und das Infrastrukturangebot noch massiv upzugraden, etwa mit dringend benötigten Leitungen für E-Ladesäulen. Und die kommunale Verwaltung kommt endlich zu ihrem lange ersehnten Leitungskataster. Verwaltung weiß heute gar nicht, wo die Leitungen denn überall liegen.

3. Auf Qualität beharren, heißt nicht verhindern. Im Gegenteil, wir möchten mit dem Projekt Breitbandausbau neue Maßstäbe setzen. Daher wird derzeit auch eine überfällige DIN-Norm zum Thema Breitbandlegung entwickelt.

Jeder kennt dieses Sprichwort: Wer billig baut, baut zweimal. Das gilt eben auch, wenn das Tempo der Nachhaltigkeit übergeordnet wird. Setzen wir lieber auf Qualität, dann können wir uns noch lange am schnellen Internet erfreuen.

Mehr zum Thema: Die Coronakrise treibt die Digitalisierung voran – und vertieft die digitale Kluft zwischen einkommensstarken und -schwachen Haushalten. Vernetzung darf kein Luxus sein, fordern John B. Taylor und Jack Mallery in einem Gastbeitrag.

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