Corona-Schnelltests Selbsternannter Lobbyist der Ungeimpften will Gesundheitsbehörden lahmlegen

Kostenloser Corona-Selbsttest für zuhause mit Zertifikat: Rechtsanwalt Can Ansay agiert in einer rechtlichen Grauzone. Quelle: Phil-Dera

Can Ansay stellt Ungeimpften kostenlos Zertifikate auf Selbsttests aus und versteht sich zunehmend als deren Lobbyist. Jetzt plant er eine Massenpetition, um eine Testpflicht für alle durchzusetzen – auch für Geimpfte.

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Seit einem Monat stellt der Hamburger Rechtsanwalt kostenlos jedem ein Corona-Zertifikat aus, der zu Hause einen Selbsttest durchführt – und unterläuft dadurch die Anstrengungen der Gesundheitsbehörden, die Pandemie in den Griff zu kriegen. 

Pro Tag attestieren für ihn tätige Ärzte rund 10.000 Nutzern, dass sie negativ getestet sind, ohne der Testung selbst beizuwohnen oder Beweise dafür zu kontrollieren. Damit operiert Ansay in einer rechtlichen Grauzone. Behörden haben deshalb bereits Bußgelder angedroht. Doch die Ankündigung blieb anscheinend ohne Folgen. So berichtet die große Mehrheit der Nutzer in einer Umfrage des Anbieters, mit den virtuell ausgestellten Zertifikaten ungehindert gereist zu sein und Eintritt in Schulen, Krankenhäusern, Pflegeheimen und Großveranstaltungen erhalten zu haben.

54 Prozent kamen mit einem PDF durch, 22 mit einem Ausdruck – 18,5 Prozent mussten es nicht einmal vorzeigen. Nur fünf Prozent der Nutzer wurden wegen des von DrAnsay.com ausgestellten Zertifikat an ihren Plänen gehindert – aber nur 0,2 Prozent der Antwortenden musste deshalb ein Bußgeld zahlen.

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Vertraut man den anonymen Angaben, hat die überwältigende Mehrheit der Nutzer, 98 Prozent von mehr als 4000 Antwortenden, wirklich einen Selbsttest durchgeführt und sowohl davor und danach von dem mit ihrem Namen kenntlich gemachten Test Fotos gemacht und sie eingereicht. 59 Nutzer gaben allerdings an, keine Fotos gemacht zu haben. Immerhin 20 Menschen gaben zu, gar keinen Test gemacht zu haben, als sie sich ein Zertifikat ausstellen ließen. Den epidemiologisch schlimmsten Fall, dass ein positiv Getesteter sich ein Zertifikat ausstellen ließ, gab in der Umfrage nur ein Nutzer zu.

Klar wird durch die Umfrage aber auch: DrAnsay.com selbst prüft nicht einmal die von ihm formell verlangten Fotos auf Vollständigkeit oder Richtigkeit, ehe ein Zertifikat ausgestellt wird: „Wir vertrauen unseren Nutzern. Dass Zertifikat ist nur gültig mit den dazugehörigen Fotos auf dem Handy. Damit verlagern wir die individuelle Prüfung auf die Kontrolleure.“

Mit seinem Angebot erreicht DrAnsay.com wohl besonders hartgesottene Nicht-Geimpfte. 45 Prozent seiner Nutzer wollen sich unter keinen Umständen gegen Corona impfen lassen – selbst bei einer Impfpflicht. Aber 25 Prozent der Kunden würde sich in den kommenden Monaten impfen lassen, wenn die bisherige Notfall-Zulassung nach Langzeitstudien in eine reguläre Zulassung umgewandelt würde oder ein herkömmlicher Totimpfstoff oder Novavax zugelassen würde. Immerhin zehn Prozent geben an, bereit zu sein, sich durch sachliche Argumente überzeugen zu lassen. Besonders häufig nutzen Menschen in Thüringen, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern die umstrittene Dienstleistung.

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Das Angebot von DrAnsay.com hatte in deutschen Behörden Ablehnung ausgelöst. Die zuständige Hamburger Sozialbehörde etwa sagte, die Zertifikate deckten sich nicht mit den geltenden Regelungen. Sie dürften nicht als Beweis für die 3G-Regel eingesetzt werden. Jeder, der dagegen verstoße, riskiere ein Bußgeld in Höhe von 300 Euro. Offenbar aber sind die Laien in Restaurants und Kneipen, die die Testzertifikate im Alltag kontrollieren sollen, nicht tief genug im Thema, um die DrAnsay-Zertifikate als nicht gültig zu erkennen. Laut Bundesgesundheitsministerium droht je nach Fallkonstruktion demjenigen, der Impf- oder Testzertifikate fälscht, eine Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren oder eine Geldstrafe.

Can Ansay hatte sich sogar schon selbst angezeigt – bislang ohne Auswirkungen. „Wir setzen uns für einen gerechten Umgang mit Ungeimpften ein“, sagt der Hamburger Rechtsanwalt, „2G, 3G+ oder eine Impfpflicht würden traumatisieren und viele in den Untergrund treiben“. Ansay plädiert für eine Testpflicht für alle – ohne Unterscheidung zwischen geimpft und ungeimpft: Mithilfe seines Dienstes sei das kosteneffizient darstellbar.

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Ab morgen plant er eine konzertierte Aktion, bei dem sein Nutzerkreis von rund 250.000 Personen Online-Petitionen per E-Mail an die Gesundheitsministerien von Bund und Ländern sowie Gesundheitsämter verschickt: Die Forderung sei eine Gleichstellung mit Geimpften statt einer 2G-Regel: „Das wird bei den Behörden spürbar sein.“ 

Mehr zum Thema: Kritiker einer Impfpflicht argumentieren oft, diese beschneide die Freiheit. Die Wahrheit ist jedoch: Diese Menschen haben den Freiheitsbegriff nicht richtig verstanden. Ein Kommentar.

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