Foodtech Deutsches Start-up will Revolution der Schokoladenindustrie anzetteln

Quelle: PR

Kinderarbeit, abgeholzter Regenwald – das ist die dunkle Seite der Schokoladenherstellung. Ein deutsches Start-up bringt in Kürze Schokolade auf den Markt, die ohne Kakao auskommt. Ihr Genuss soll auch das Klima schützen.

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Schokolade ist süß, doch wie sie entsteht, ist mitunter bitter. Für die wichtigste Zutat, Kakao, rackern vor allem in Westafrika oft Kinder auf Plantagen, werden Regenwälder abgeholzt, um Platz für neue Anbaugebiete zu schaffen. 

Sara und Maximilian Marquart sind überzeugt, dass sich Süßigkeiten besser herstellen lassen. Die beiden Geschwister haben mit ihrem Start-up Planet A Foods in München Schokolade entwickelt, die komplett ohne Kakao auskommt. „Wir wollen die größte Revolution der Schokoladenindustrie seit hundert Jahren anzetteln“, sagt Maximilian Marquart.

Eine erste Kostprobe davon verkaufen die Gründer ab Mitte Dezember unter dem Namen Nocoa über ihren Onlineshop: Dort lassen sich dann die nach Angaben der Gründer ersten kakaofreien Schokoladentafeln der Welt bestellen. 

Es ist eine Innovation, die in die Zeit passt: Immer mehr Konsumenten achten auf nachhaltig hergestellte Lebensmittel, suchen nach regional hergestellten Produkten. Die Lebensmittelindustrie investiert Milliarden von Euro in vegane Produkte, hunderte Start-ups weltweit arbeiten an Fleisch aus Pflanzenproteinen oder Milch aus Hafer. Nur die Schokolade hat noch niemand neu erfunden.

Die Hälfte der Anbauflächen sind bedroht

Auf die Idee, genau das zu versuchen, kamen Maximilian und Sara Marquart, als sie etwas gegen den Klimawandel unternehmen wollten. „Wir wollten eine Lebensmittelfirma gründen, die 500 Megatonnen Kohlendioxid im Jahr einsparen kann“, erzählt der promovierte Ingenieur Maximilian Marquart.  

Bei ihrer Recherche stießen die Geschwister bald auf die Schattenseiten des Kakaoanbaus. Kinderarbeit, Abholzung des Regenwaldes für neue Anbauflächen und die damit verbundene schlechte CO2-Bilanz machen das braune Pulver zu einem problematischen Produkt. Obendrein gefährdet der Klimawandel selbst das Wachstum der Kakaopflanzen. „50 Prozent der Anbaugebiete sind dadurch bedroht“, sagt Maximilian Marquart.

Sara und Maximilian Marquart haben mit ihrem Start-up Planet A Foods in München kakaofreie Schokolade entwickelt Quelle: PR

Sara Marquart, promovierte Lebensmittelchemikerin, hatte sich beruflich bereits intensiv mit Ersatzstoffen für Kaffee beschäftigt. Nun befasste sie sich mit der Produktion von Schokolade: Wie entstehen beim Fermentieren und Rösten die mehr als 30 Aromen, die Kakao so einzigartig machen? Und womit ließe sich das nachahmen? 

„Die Hauptbestandteile von Schokolade sind Kakaopulver und Kakaobutter“, sagt Sara Marquart. „Wir ersetzen beides.“ Auf der Suche nach einem geeigneten Rohstoff dafür stießen sie auf ein traditionelles, regional verfügbares Produkt: Hafer. „Wenn man Hafer richtig fermentiert und röstet“, sagt Sara Marquart, „erhält man sehr ähnliche Aromen wie im Kakao.“ 

Milliarden winzig kleine Helfer

Fermentation ist der Prozess, den unter anderem Brauereien nutzen, um Bier herzustellen. Es ist eine der ältesten Lebensmitteltechnologien überhaupt. Nötig ist dafür Zucker – und ausgewählte Hefepilze. Milliarden dieser mikroskopisch kleinen Helfer wandeln den Hafer so um, dass nach Filtern und Trocknen ein braunes Pulver entsteht. Das rösten die Gründer - ähnlich wie auch Kakaobohnen geröstet werden. Dabei entstehen die gewünschten Kakaoaromen.

Auch für den Ersatz der Kakaobutter nutzen die Geschwister einen Fermentationsprozess: In einem Kessel produzieren Hefen aus Zuckermelasse Öle. „Gebrautes Fett“, nennt Maximilian Marquart das. Es ist selbst geschmacklos, sorgt aber im Mund dafür, dass beim Schmelzen der Schokolade ihre Aromen frei werden.

Aus Pulver, Fett und ein paar weiteren Zutaten stellen die Gründer schließlich Schokolade her. Bei Blindverkostungen sollen selbst Lebensmittelexperten sie für gewöhnliche Schokolade gehalten haben. „Da haben wir gemerkt, es funktioniert“, sagt Maximilian Marquart.

Edelschokolade wollen die Gründer mit ihren Innovationen zunächst nicht ersetzen, sondern Massenprodukte wie Schokoriegel. Im tschechischen Pilsen bauen die Gründer in einer 1000-Quadrameter-Halle nun ihre erste Produktion auf, die 400 Kilogramm Schokolade pro Stunde hervorbringen soll.

Das Ziel ist eine riesige Schokoladenfabrik

Sechs Millionen Euro Wagniskapital hat Planet A Foods eingesammelt. Zu den Investoren zählt unter anderem der Wagniskapitalgeber Cherry Ventures aus Berlin, der auch hinter Flixbus, Flink und Flaschenpost steckt, sowie Fifty Ventures aus dem Silicon Valley, ein Geldgeber zahlreicher namhafter Biotech-Start-ups. 

Die limitierte Tafelschokolade soll nur der Anfang sein. Ab dem zweiten Quartal 2023 will Planet A Foods seine Schokolade als Kernzutat bekannter Produkte im Süßigkeitenregal auf den Markt bringen. Dazu kooperieren die Gründer „mit einer sehr bekannten Firma in Deutschland“, sagt Maximilian Marquart. In den nächsten Monaten soll das Start-up, das heute 20 Mitarbeiter beschäftigt, stark wachsen.

Auch die Produktion soll in den nächsten Jahren massiv ausgebaut werden. „Wir wollen ein bis zwei Millionen Tonnen Schokoladenmasse pro Jahr fertigen“, sagt Maximilian Marquart. Dazu muss nicht nur der Geschmack die Verbraucher überzeugen – sondern auch der Preis. „Sobald wir hochskalieren, sind wir auf einem sehr sehr attraktiven Preisniveau“, verspricht der Gründer. Die Nocoa-Schokolade werde nicht teurer als das gewöhnliche Produkt.

Das sind hochgesteckte Ziele. Sollten die Geschwister sie umsetzen, kämen sie ihrem ursprünglichen Ziel, 500 Megatonnen CO2 einzusparen, einen großen Schritt näher. Der Dienstleister CarbonCloud hat berechnet, wie viel CO2 ein Kilogramm Nocoa-Schokolade verursacht: 1,9 Kilogramm. Bei herkömmlicher Schokolade kommt eine Studie im Fachmagazin Science auf 19 Kilogramm.

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