Seit Biontech mit seinem Impfstoff den Menschen einen Weg aus der Coronapandemie weist, ist es ziemlich ruhig geworden um das zweite deutsche Biotechunternehmen, auf das viele große Hoffnungen setzten: Curevac. Dabei arbeitet das Unternehmen mit Sitz in Tübingen an einer Technologie, die die Logistik für die Schutzimpfungen deutlich erleichtern und damit die Verbreitung des Virus eindämmen könnte. Mehr noch: Sie verspricht auch Hilfe gegen andere Krankheiten wie etwa Krebs.
An einem Drucker für Medikamente, der sich in Arztpraxen aufstellen lassen soll, arbeitet Curevac – gemeinsam mit Elon Musk, Chef des Elektroautobauers Tesla. Nichts weniger als „eine Revolution“ der Pharma-Produktion könne das werden, sagt Ingmar Hoerr, Gründer und Chef von Curevac, im Podcast-Gespräch mit WirtschaftsWoche-Chefredakteur Beat Balzli. Die Technologie könne möglich machen, „was es so bisher nicht gab.“
Ein Labor im Kleinformat
Der Drucker, von dem Curevac schon einen Prototypen in Tübingen stehen hat, ist etwa so groß wie ein Auto und soll sich schnell transportieren und aufbauen lassen. "Man kann sich das vorstellen wie einen Kühlschrank“, sagt Hoerr, „ein Mini-Pharmalabor, das mRNA drucken kann.“
Der Botenstoff mRNA dient im menschlichen Körper als Bauanleitung für Proteine - Moleküle, die für den Großteil der Vorgänge in den Zellen verantwortlich sind. Beim Coronavirus-Impfstoff regt die mRNA von Curevac Zellen an, ein Virusprotein zu bilden. Und das löst eine Immunreaktion gegen das Virus aus.
Aktuell werden mRNA-Impfstoffe, wie sie auch Biontech und Moderna entwickelt haben, in riesigen Fabriken hergestellt und von dort mit großem logistischem Aufwand um die Welt transportiert. Kühlboxen und Spezialtransporter müssen sicherstellen, dass die Vakzine auf dem gesamten Weg tiefgekühlt sind, damit sie ihre Wirkung nicht verlieren.
Die Bauanleitung kommt per Download
Der mRNA-Drucker, an dem Curevac arbeitet, könnte die Produktion erheblich vereinfachen. "Die Drucker könnten in den Apotheken und Arztpraxen dieser Welt stehen“, sagt Hoerr. Dort würden per Kurier die nötigen Reagenzien angeliefert – und via Internet das jeweilige Rezept für das benötigte Medikament heruntergeladen. Die RNAs werden dann vor Ort gedruckt.
So genial die Idee erscheint - die Umsetzung hat ihre Tücken: Der Arznei-Automat müsse zugleich ein Reinraum sein, betont Hoerr, da bei der Arzneiherstellung keine Substanzen von außen eindringen dürfen. Außerdem ist das Gerät ein Kühlschrank, damit die empfindlichen mRNA-Stränge nicht in der Wärme zerfallen.
Die Idee dazu hatte das Curevac-Team schon vor einigen Jahren, nur das Know-How zum Fertigungsmaterial fehlte noch. 2015 starteten die Tübinger darum eine Kooperation mit dem Automatisierungsspezialisten Grohmann aus Prüm in der Eifel. Im Jahr 2017 übernahm Tesla Grohmann, um mit der Technik des Maschinenbauers seine Auto- und Batteriefabriken stärker zu automatisieren und so effizienter zu machen.
Heilung per Software
Curevac-Gründer Hoerr traf sich persönlich mit Tesla-Chef Elon Musk, um mit ihm über die Zukunft des Medikamenten-Druckers zu sprechen. „Sehr zugewandt, sehr easy, echt ein Kumpeltyp“, sagt Hoerr über den von vielen bewunderten Unternehmer. „Den könnte man sich auch irgendwo bei einem Studentenaustausch vorstellen.“
Musk gab das Go für die Grohmann-Ingenieure, das Curevac-Projekt weiter zu verfolgen. Auf Twitter äußerte sich Unternehmer begeistert: Synthetische mRNA mache die Heilung vieler Krankheiten zu einem Software-Problem. Also etwas, das sich mit Hilfe von Rechenpower und künstlicher Intelligenz lösen lässt.
Tatsächlich arbeitet Curevac nicht nur an einem Impfstoff gegen das Coronavirus, sondern unter anderem auch an mRNA-Therapien gegen Krebs. Sollte der mRNA-Drucker tatsächlich funktionieren, könnten Spezialisten künftig auf den jeweiligen Patienten zugeschnittene mRNA-Medikamente am Computer entwerfen.
Maßgeschneiderte Medikamente gegen Krebs
So wie sich der Drucker im Büro mit Tinte befüllen lässt, würde die Maschine von Curevac mit verschiedenen Chemikalien bestückt. Das digitale Rezept würde der Drucker in ein physisches mRNA-Medikament verwandeln, das für diesen einen Menschen gedacht ist. Personalisierte Medizin nennen Ärzte den Ansatz.
Bis es so weit ist, dürfte es aber noch ein wenig dauern. Im Sommer sollen die ersten mRNA-Stränge in Tübingen aus dem Drucker kommen - zu Testzwecken. „Es gibt noch vieles zu optimieren“, räumt Hoerr ein. Bis das Gerät in Massen gefertigt werde, werde es noch mehrere Jahre brauchen.
Sollte es gelingen, könnte der Nutzen tatsächlich enorm sein: Selbst in entlegenen Regionen von Entwicklungsländern ließen sich Impfstoffe etwa gegen Tropenkrankheiten herstellen, die Experten am anderen Ende der Welt gerade erst konzipiert hätten. Und neue Gentherapien gegen verschiedenste Krankheiten könnten womöglich direkt dort hergestellt werden, wo die Patienten sind: im Krankenhaus, per Drucker.
Mehr zum Thema: Ingmar Hoerr gründete Curevac und forschte zwanzig Jahre lang an der RNA-Technologie. Im Podcast erzählt er, warum sich Krebs ähnlich wie das Coronavirus besiegen lässt.