Klimawissenschaft Wir brauchen neutrale Forscher, keine Klimaaktivisten

Klimaaktivisten legen am Wochenende teilweise den Flughafen Schiphol lahm. Manche Klimawissenschaftler feiern das. Leider. Quelle: imago images

Forscher, die sich mit Klimafragen auseinandersetzen, vertreten oft linke, antimarktwirtschaftliche Ideologien. Mit der politischen Positionierung erweisen sie dem Glauben an Wissenschaft und dem Klima einen Bärendienst.

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Sie beeinflussen, wie wir künftig arbeiten, uns fortbewegen, wie wir reisen und essen. Sie soufflieren der Politik, welche Industrien weichen sollen. Hersteller von Technik für Verbrennungsmotoren etwa, weil deren Produkt – obwohl durchaus auch klimaneutral betreibbar – nicht in ihr Idealbild einer klimaneutralen Zukunft passt. Keine anderen Wissenschaftler sind heute so mächtig wie Klimaforscher und Klimaökonomen.

Sie werden unter anderem von der Fridays-for-Future-Jugend in den sozialen Medien zu Galionsfiguren hochstilisiert. Einige bringen es bei Twitter auf mehr als 100.000 Gefolgsleute. Stefan Rahmstorf etwa, Ozeanforscher am Potsdamer Institut für Klimaforschung (PIK), oder Volker Quaschning, Professor für Regenerative Energiesysteme an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin, der einen Ableger der Umweltbewegung namens Scientists for Future mitbegründet hat. 

Geschickt nutzen diese Wissenschaftsstars heute das Spiel mit den sozialen Netzwerken, um sich Gehör zu verschaffen. Einige bejubeln mehr oder weniger offen radikale Aktionen linker Klimaaktivisten, wie die, die den Amsterdamer Flughafen Schiphol vor wenigen Tagen teilweise lahm legten. Und sammeln dafür Likes und Herzchen im Internet. Quaschning veröffentlicht regelmäßig poppige Webvideos und Tweets, vollgestopft mit politischer Ideologie, die bei seinen Fans verfängt. Beispielsweise gegen die Atomkraft. Mit Wissenschaft allerdings haben die nichts zu tun, so vereinfacht die Botschaften, dass sie die Nuancen einer Klimarettung in einer komplexen Welt nicht mal ansatzweise wiedergeben könnten. 

Vom Forscher zum Meinungsmacher

Respektierte Forscher verwandeln sich so immer häufiger in Aktivisten mit einer Agenda. Damit setzen sie eine der wichtigsten Grundpfeiler unserer aufgeklärten westlichen Gesellschaft aufs Spiel: Das Vertrauen breiter Bevölkerungsschichten in die Wissenschaft. Liberale und konservative Menschen, jene, die an marktwirtschaftliche Mechanismen und das Recht auf Selbstbestimmung glauben, werden regelrecht durch linke Ideologie weggestoßen, die häufig auf Verzicht und Verbot setzt. Bei emotional diskutierten Fragen wie dem Tempolimit auf Autobahnen etwa. Dialog? Der Versuch, die Masse der Deutschen mit Kompromissen und klugen Lösungsansätzen, die wenig einschränken, für eine klimaneutrale Zukunft zu gewinnen? Fehlanzeige! 

Ein bisschen ist es mit der Wissenschaft wie mit dem Journalismus. Für Journalisten sollte Objektivität oberstes Gebot sein. Deswegen sollten sie nicht Mitglied einer Partei sein, keine Aktien von Unternehmen halten, über die sie schreiben. Und sie sollten sich aktivistische Bemühungen, über die sie schreiben, nicht zu eigen machen. Nur so schützen sie ihre Glaubwürdigkeit und die Reputation der Medien.  

Und nicht nur für das Vertrauen der Bevölkerung wäre es wichtig, dass Klimaforscher und Klimaökonomen ebenso nicht zu Aktivisten werden. Wer kritische Distanz zum Thema bewahrt, mit dem er sich beschäftigt, kann eigene Erkenntnisse später noch hinterfragen. 

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Denn wer sich häufig mit Klimafragen auseinandersetzt, stößt immer wieder auf Defizite in der Wissenschaft. Jene, die bestimmte herrschende Meinungen hinterfragen, wie sich der Klimawandel bekämpfen lässt, werden schnell in die Klimaleugnerecke abgeschoben. Es entsteht eine wissenschaftliche Echokammer, in der Falsches hundert- oder tausendfach wiederholt wird. Es entstehen falsche Feindbilder, die sorgen für Fehlsteuerung: Die Eisenbahn ist gut, das Flugzeug böse, das E-Auto gut, E-Fuels sind ein Trick der Industrie, um am Verbrennungsmotor festzuhalten. Wenn die Welt nur so einfach wäre.

Kritischer Umgang mit Fehlern notwendig

Dabei gibt es in der Klimawissenschaft durchaus Fehler, die man korrigieren müsste, will man die Menschheit nicht noch tiefer in die Krise reiten. Da nutzen Klimawissenschaft und -politik Messgrößen wie das Globale Erderwämungspotenzial 100 (GWP100), um das atmosphärische Verhalten von Gasen wie Methan mit dem von CO2 zu vergleichen. Das Pariser Klimaabkommen basiert darauf. Renommierte Forscher an der Oxford Universität verweisen etwa darauf, dass die Messgröße die Wirkung von Methan, dass etwa von Rindern ausgestoßen wird, völlig falsch wiedergibt. So wirkt ein leicht sinkender Methanspiegel in der Atmosphäre in Wirklichkeit kühlend aufs Klima. Der GWP100 dagegen besagt, dass er die Atmosphäre erhitzt. Das hat beispielsweise Auswirkungen darauf, wie Landwirtschaft reguliert werden sollte. 

Oder E-Fuels. Bei einer aktuellen Recherche der WirtschaftsWoche widersprachen sich Forscher immer wieder selbst. Sie zweifeln an, dass die Industrie schnell genug klimaneutrale E-Fuels bereitstellen kann, um neben dem Flug- und Schiffsverkehr auch den Straßenverkehr zu beliefern. Doch die Technik, um klimaneutrales E-Kerosin fürs Flugzeug in großen Mengen herzustellen, ist noch einige Jahre von der Marktreife entfernt, anders als die Technik für E-Benzin. Ihre Zweifel übertragen die Forscher auf die Politik, die das Thema bremst. Das verhindert, dass schon jetzt eine Massenproduktion für dringend benötigte E-Fuels etwa in Nordafrika aufgebaut werden kann. Was am Ende dem Klima schaden wird.

Oder die Bahn, die von vielen Klimawissenschaftlern immer wieder zum Klimaretter erklärt wird, ungeachtet von Abermillionen Tonnen CO2, die für den Bau von Bahninfrastruktur in die Luft geblasen werden. Beim geplanten großen ICE-Tunnel quer durchs Erzgebirge beispielsweise. Bei dem ist es äußerst fraglich, ob er am Ende wirklich CO2 einspart gegenüber der jetzigen Situation. Menschen, die es nicht eilig haben fahren durchs Elbtal nach Tschechien. Die wenigen, die es eilt, fliegen von Berlin nach Prag. Tunnelbauemissionen entstehen jetzt, die der Flugzeuge in der Zukunft, und auch nur solange, bis die Maschinen in ein paar Jahren mit klimaneutralen Sprit unterwegs sind. Eine differenzierte Betrachtung? Zu kompliziert für Twitter!

Oder das Thema Kondensstreifen von Flugzeugen. Jene Forscher, die einst entdeckt hatten, dass die Streifen zur Erderwärmung beitragen, hatten einen provisorischen Faktor geschaffen, um den Effekt rechnerisch darzustellen. Heute schlagen sie die Hände über den Kopf zusammen. Der Faktor ist ungenau, war nie dafür gedacht, Klimapolitik darauf aufzubauen. Dennoch übernehmen heute Wissenschaftler und Politiker den Faktor in Klimaberechnungen, in denen sie die Schädlichkeit des Flugzeugs hervorheben wollen. Ohne zu hinterfragen, in welchen Situationen er überhaupt anwendbar ist.

Hybris und Planwirtschaft

Vielleicht ist es Hybris der zu Stars gewordenen Forscher, dass sie inzwischen glauben, Planwirtschaft in ganz großem Stile betreiben zu können. Sie entwerfen ein Bild, wie unsere Gesellschaft in 30 Jahren zu leben hat und behandeln diese Utopie wie die einzige Wahrheit. Dass sich Klimaneutralität auf verschiedenen Wegen erreichen lässt, lassen sie außer Acht. 

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Doch die Welt ist eben viel zu kompliziert, der menschliche Wille viel zu individuell, dass es gelingen könnte, eine Zukunft zu schaffen, die diesem wissenschaftlichen Idealbild entspricht. Bahnbrechende Innovationen einzelner kluger Köpfe lassen sich nicht prognostizieren. Und es lässt sich auch nicht vorhersagen, welche Technologien die Konsumenten akzeptieren und welche nicht. Schon gar nicht, lassen sich Menschen einen schrumpfenden Lebensstil aufoktroyieren.

Diese Art Hybris wird dazu führen, dass Klimaziele gerissen werden, dass Pläne scheitern. Das Klima am Ende noch mehr leidet. Es ist inzwischen absehbar, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien in Deutschland langsamer vorangehen wird als geplant, dass sich E-Autos langsamer verbreiten werden als geplant, dass sich Menschen nicht dazu drängen lassen, auf Fleisch und Urlaubsflug zu verzichten. Das macht es notwendig, mehrere Wege zum Klimaschutz parallel zu verfolgen, selbst wenn diese nach heutiger Sicht vielleicht nicht komplett ideal erscheinen. In der Hoffnung, dass einige davon verfangen. Wir jedenfalls hätten dann Gewissheit, dass, wenn das eine oder andere nicht funktioniert, nicht alles verloren ist.

Hinweis: In einer früheren Version des Artikels stand, dass die Forscher aus Oxford herausgefunden haben, dass das GWP100 das Treibhausverhalten von Methan falsch wiedergibt. Tatsächlich war dies schon früher bekannt.

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