Rätsel um Ursprung von Sars-CoV-2 Wie sicher sind Laborexperimente mit Viren?

Achtung, Sperrgebiet! Riems bei Greifswald ist die gefährlichste Insel Deutschlands. Quelle: imago images

Die Debatte spitzt sich zu, ob das Coronavirus aus einem Labor entwichen sein könnte. Wie gut sind solche Forschungseinrichtungen geschützt? Ein Blick auf eines der bestgesicherten Labore auf der Ostseeinsel Riems.

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Das Statement von US-Präsident Joe Biden sorgte für Wirbel: Die US-Geheimdienste, forderte er, sollten sich mehr bemühen, nach der Ursache der Coronapandemie zu suchen. Zwei Möglichkeiten kämen in Betracht: Entweder hätten Tiere das Virus auf den Menschen übertragen – oder Sars-CoV-2 sei bei einem Laborunfall in die Welt geraten.

Bisher gibt es keine Beweise für ein Laborleck. Aber seit Bidens Vorstoß ist um diese Erklärung wieder eine Debatte entstanden. Keine Frage: Wäre ein Sicherheitsleck in einem chinesischen Virenlabor Grund für Covid-19, wäre das ein massives Problem für die chinesische Regierung. Und die aktuelle Debatte wirft bereits die Frage auf, wie geschützt die Hunderten Labore sind, in denen Forscher weltweit mit teils brandgefährlichen Erregern hantieren.

Wie sicher also sind Laborexperimente mit Viren? Einer, der Antworten darauf geben kann, ist Thomas Mettenleiter. Der Biologie und Virologe ist Präsident des Friedrich-Loeffler-Instituts, ein staatliches Institut, das seit mehr als 110 Jahren Infektionskrankheiten bei Tieren erforscht – in Hochsicherheitslaboren. Dessen Standort: Die Ostseeinsel Riems nahe Greifswald, die nur durch einen Damm mit dem Festland verbunden ist.

Man nennt sie auch die Seucheninsel

Für wie wahrscheinlich hält Mettenleiter die Laborthese? „Zu 100 Prozent ausgeschlossen ist es nicht, dass aus einem Labor einmal ein Virus oder anderer Biostoff nach außen gelangt“, sagt Mettenleiter, „aus welchen Gründen oder Verkettungen auch immer“. Doch anhand der verfügbaren Informationen erscheine es im Fall von Sars-CoV-2 als unwahrscheinlich: „Zumindest gibt es bislang keine Beweise dafür.“

Mit Laborsicherheit kennt der Virologe sich aus: Auf Riems betreibt sein Institut ein Labor der höchsten von vier Biosicherheitsstufen, kurz S4. Es ist eines von dreien weltweit, in denen auch Tiere gehalten werden. Die Erreger, mit denen die Mitarbeiter darin hantieren, gehören zu den gefährlichsten überhaupt: Ebola, Krim-Kongo-Fieber, Nipahvirus. Bis zu 75 Prozent der Menschen, die sich mit Nipah infizieren, sterben daran. Die „Seucheninsel“ wird Riems darum auch im Volksmund genannt.

Oder auch: das deutsche Alcatraz – eine Anspielung auf die Gefängnisinsel in der Meeresbucht bei San Francisco. Denn ähnlich wie die berüchtigte Haftanstalt ist das Labor in der Ostsee vielfach gesichert. „Dafür gibt es internationale und nationale Standards und Vorschriften“, sagt Mettenleiter. Zuständige Behörden prüften, dass mit größtmöglicher Sorgfalt verhindert werde, dass Erreger entweichen könnten.

Ein Bakterium entkam einem Labor in China

Technisch ist auf Riems dazu einiger Aufwand betrieben worden: „Die Labore und Tierräume stehen unter permanentem Unterdruck“, erzählt Mettenleiter. So kann Luft, falls etwa Viren hineingeraten, nicht aus dem Labor entweichen. Zudem seien die Räume mit sogenannten doppelten Hochleistungsschwebstofffiltern für die Zu- und Abluft ausgerüstet. Auch durch die Belüftungsanlage kann also kein Virus entwischen.

Was aber, wenn die Luftversorgung ausfällt? „Alle Systeme laufen mit einem Zweitsystem im Hintergrund, das dann anspringt“, sagt Mettenleiter. Das werde regelmäßig getestet und jährlich inspiziert und gewartet.

Seucheninsel in der Ostsee: Eines der am strengsten geschützten Biolabore weltweit betreibt das Friedrich-Loeffler-Institut auf der Insel Riems bei Greifswald. Quelle: dpa

Zu Fehlern kommt es in Laboren offenbar trotzdem: In einem Labor im Nordwesten Chinas verwendeten Mitarbeiter laut Angaben der Gesundheitskommission von Lanzhou abgelaufene Desinfektionsmittel. Daraufhin seien Bakterien über die Belüftungsanlage in die Umwelt gelangt. Die Folge: Mehr als 3000 Menschen wurden mit Brucellaerregern infiziert, die häufig für Fieber und Schüttelfrost sorgen, mitunter aber auch Organe schädigen.

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