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  4. Isar Aerospace: Spectrum-Rakete stürzt kurz nach Start ab – und ist trotzdem ein Erfolg

Rakete von Isar AerospaceEin kurzer Flug für Spectrum, ein großer Schritt für die Raumfahrt

Beim Testflug ist Deutschlands erste kommerzielle Rakete kurz nach dem Abheben abgestürzt. Trotzdem ist es ein historischer Moment für die europäische Raumfahrt – und die nächste Rakete fast schon startbereit.Andreas Menn 31.03.2025 - 08:50 Uhr

Die Spectrum-Rakete des bayerischen Start-ups Isar Aerospace ist kurz nach dem Start abgestürzt.

Foto: Brady Kenniston/Isar Aerospace,

In den ersten Sekunden sah der Start noch sehr gut aus: Kraftvoll hob die Rakete „Spectrum“ von Isar Aerospace am Sonntagmittag am Startplatz im norwegischen Andøya ab, stieg senkrecht in den Himmel über der verschneiten Landschaft in Nordnorwegen. Doch nach etwa 30 Sekunden geriet die erste deutsche Orbitalrakete in Schieflage, kippte kopfüber – und stürzte ins Meer.

Daniel Metzler, Chef des Münchner Raketen-Start-ups Isar Aerospace, zeigte sich trotzdem hocherfreut über den Testflug. „Unser erster Testflug erfüllte alle unsere Erwartungen und war ein großer Erfolg“, sagte Metzler nach dem Start. „Wir haben zwar nicht die Erdumlaufbahn erreicht, aber Unmengen gelernt.“ Das Team habe Terabytes an Daten gesammelt, die es nun für den nächsten Flug auswerten könne.

Es ist ein besonderer Moment für die europäische Raumfahrt: Erstmals hebt eine kommerzielle Rakete aus Deutschland ab – und erstmals von einem Startplatz in Europa. „Dieser Tag markiert einen Meilenstein für unsere Wettbewerbsfähigkeit in der Raumfahrt“, kommentierte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck. „Der ungehinderte Zugang zum Weltraum ist strategisch entscheidend – nur wer ins All gelangt, kann es auch nutzen.“

Zwar hatte schon in den 70er-Jahren das Unternehmen Otrag an einer Rakete gearbeitet, doch die hat es nie in den Orbit geschafft. Isar Aerospace ist nun das erste von drei deutschen Raketen-Start-ups, die Deutschland einen eigenen Zugang in den Weltraum verschaffen wollen. Experten sehen dafür dringenderen Bedarf denn je. Raketenstarts, Satellitenkommunikation, Aufklärung aus dem All: In sicherheitspolitisch kritischen Bereichen verließ sich Europa lange Zeit stark auf die USA. 

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Doch seit die Trump-Regierung bisherigen Partnern wie Kanada und Grönland mit einer Invasion droht, erscheint Europas eingeschränkter Zugang ins All als Sicherheitsrisiko. Flogen vor zwei Jahren noch Aufklärungssatelliten der Bundeswehr mit einer Rakete von SpaceX ins All, dem Unternehmen des Trump-Vertrauten Milliardärs Elon Musk, erscheint das heute kaum noch denkbar. Zu riskant erscheint es, dass dabei die US-Regierung ganz genaue Details über die Fähigkeiten der Satelliten erfährt.

Ein explosives Geschäft

Gleichzeitig sind Raketenstarts ein boomendes Geschäft. Immer mehr Satellitenflotten sind geplant, die Internet aus dem All bereitstellen, Waldbrände erkennen, den weltweiten Schiffsverkehr überwachen oder Methanemissionen messen sollen. Waren Anfang 2021 insgesamt rund 3400 aktive Satelliten im Weltall, so sollen nun laut der Raumfahrtberatung Novaspace im Schnitt 3700 dazu gekommen, und zwar jedes Jahr. Macht zehn neue Satelliten jeden Tag.

Geht es nach Daniel Metzler, Co-Gründer und Chef von Isar Aerospace, sollen einige davon mit seiner Spectrum-Rakete ins All starten. Seit 2018 arbeiten die Gründer in München an der Technologie, haben dafür mehrere Hundert Millionen Euro Kapital eingesammelt. „Wir entwickeln alle wichtigen Komponenten selbst“, erzählt Metzler schon vor einer Weile der WirtschaftsWoche, „die Triebwerke, die Struktur, die Elektronik und die Software.“ 

Eine große Aufgabe für ein vergleichsweise kleines Unternehmen mit gut 400 Mitarbeiten. „Eine Rakete ist ein hochkomplexes System, das zu 90 Prozent aus hochexplosivem Treibstoff besteht“, sagt Stefanos Fasoulas, Direktor des Instituts für Raumfahrtsysteme an der Universität Stuttgart. „Die anderen fünf bis zehn Prozent sind aus Tausenden von Einzelteilen zusammengesetzt, die alle reibungslos funktionieren müssen.“ Und nach Möglichkeit nichts wiegen dürften, damit am Schluss ein bis drei Prozent übrig bleibe für die Nutzlast.

Manche Fehler, die in der Fabrik oder am Startplatz entstehen können, zeigen sich erst beim tatsächlichen Flug. Darum gelten die Chancen für einen erfolgreichen Erstflug in der Branche als sehr gering. „Die Ausfallwahrscheinlichkeit beim ersten Start liegt nahezu bei 100 Prozent“, sagt Raumfahrtexperte Fasoulas. Zumal Isar Aerospace ähnliche wie SpaceX lieber auf Tempo setzt als auf Perfektion – und dann aus den Fehlern schnell lernen will. „Wir haben nie damit gerechnet, dass wir beim ersten Flug den Orbit erreichen würde“, sagt Isar-Chef Metzler bei der Pressekonferenz nach dem Flug.

Mit dem Taxi statt dem Bus ins All

Im Vergleich zum Marktführer, der Falcon-9-Rakete von Space X, ist die Spectrum relativ klein: 28 Meter hoch statt 69, zwei Meter breit statt 3,7 – und eine Tonne Nutzlast statt rund 17. Und mit der noch im Test befindlichen Riesenrakete Starship will SpaceX noch viel größere Lasten ins All bringen. Kann das deutsche Start-up da überhaupt mithalten?

Fürs erste offenbar schon: Bis Anfang 2027 seien die Auftragsbücher schon gefüllt, erzählte Isar-Gründer Metzler neulich. Für die Jahre danach liefen schon Kundengespräche. Gebucht haben unter anderem schon die Europäische Weltraumorganisation Esa. „Wir müssen beim Bau der Trägerraketen Wettbewerb herstellen“, sagte Esa-Chef Josef Aschabacher schon Ende 2023 der WirtschaftsWoche.

„Es gibt am Markt definitiv eine Lücke für kleinere Transportsysteme, die einzelne, kleinere Satelliten ins All transportieren können“, sagt Raumfahrtexperte Fasoulas. „Manche wollen lieber mit dem Taxi fahren als mit dem Bus.“ Statt auf eine Mitfluggelegenheit bei SpaceX zu warten, können Satellitenbetreiber bei Unternehmen wie Isar Aerospace einen eigenen Flug buchen, schnell und flexibel.

Doch der Abstand zu SpaceX sei noch groß, sagt Hans Königsmann, der lange Zeit als Vizepräsident bei Musks Raumfahrtunternehmen verantwortlich war: „Raketen wie die von Isar Aerospace sind ein Schritt in die richtige Richtung“, sagt Königsmann. „Doch eine echte Konkurrenz für SpaceX sind sie noch lange nicht.“

83 Prozent aller Nutzlasten flogen im Jahr 2024 mit einer Rakete von SpaceX ins All, so eine Statistik des Unternehmens BryceTech. Insgesamt hoben vergangenes Jahr 134 SpaceX-Raketen ab, vom europäischen Anbieter Arianespace nur drei. Start-ups sind bis jetzt noch nicht kommerziell ins All gestartet. In Europa seien die Projekte „noch zu klein und zu zögerlich“, sagt Königsmann.

Isar-Aerospace-Chef Metzler hat es selbst einmal als Fehler bezeichnet, nicht früher schon größer gedacht zu haben. Doch das Start-up schaltete vor ein paar Jahren um – und entwickelte die Rakete dann so weiter, dass sie sich in Massen fertigen lässt. Eine Fabrik vor den Toren von München, 40.000 Quadratmeter groß, ist in Aufbau.

Automatisierung, 3-D-Druck, das alles soll die Kosten in der Produktion senken. Und zugleich bis zu 40 Raketenstarts pro Jahr erlauben. Damit will sich Isar Aerospace auch bei Kunden attraktiv machen, die gleich ein Dutzend Satelliten oder mehr ins All bringen wollen. 

Freie Flugbahn über der Arktis

Zugleich hat sich das Start-up den Startplatz am Weltraumbahnhof Andoya in Nordnorwegen für 20 Jahre gesichert. Beim Start gen Nordpol fliegen die Raketen hier über unbewohntem Gebiet und können bei einem Absturz wenig Schaden anrichten. Auch der Transport der Raketen zum Startplatz ist einfacher als etwa zum europäischen Weltraumbahnhof in Französisch-Guayana. 

Zudem sind polare Umlaufbahnen, die von hier aus erreichbar sind, bei Betreibern von Erdbeobachtungssatelliten beliebt. Denn die Kameras im All können dann Orte am Erdboden immer ungefähr zur gleichen Tageszeit abfotografieren, was die Bilder leichter vergleichbar macht.

Nun muss Isar Aerospace erst einmal zeigen, dass seine Rakete es ins All schafft. Die für den zweiten Flug sei schon startklar, die dritte in Arbeit, sagt Metzler kürzlich. Aber auch die Konkurrenz schläft nicht. So will das britische Start-up Orbex dieses Jahr erstmals eine Rakete in Schottland starten, Latitude aus Frankreich plant ebenfalls einen Erstflug. In Deutschland arbeiten Rocket Factory Augsburg und Hyimpulse an eigenen Launchern.

Weltweit sind Dutzende Raketen-Start-ups im Aufbau. „Dass die Mehrzahl davon am Markt Bestand haben wird, ist eher unwahrscheinlich“, sagt Experte Fasoulas. Mehrere europäische Anbieter könnten sich aber durchaus etablieren. Neben der Technologie spiele auch das richtige Timing am Markt dabei eine Rolle. „Aus meiner Sicht ist das Rennen noch offen.“

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