
Wirtschaft von oben #288 – Die neuen Raketen: Hier arbeiten SpaceX und Co. an den Raketen von morgen
Es war ein besonderer Anblick, der sich vor einigen Tagen den hunderten Zuschauern am Strand des Golfs von Mexiko bot. Kurz nach ihrem Start in Richtung All kehrte eine 70 Meter hohe Raketenstufe des Unternehmens SpaceX wieder zum Startplatz im texanischen Boca Chica zurück – und fiel sanft in die Fangarme eines Versorgungsturms.
Das Manöver rückt die wohl revolutionärste Idee der Raumfahrt ein Stück näher: Eine Rakete samt Raumschiff, wiederverwendbar und dabei mächtiger als die Mondrakete Saturn V. Satelliten, Raumstationen, Weltraumteleskope – das alles könnte so bequem, billig und massenhaft ins All geliefert werden. Den Anfang sollen im Jahr 2026 Astronauten der Nasa machen, die im Starship von SpaceX zum Mond fliegen wollen.
Die Ingenieure in Texas sind nicht die einzigen, die an neuen Raketen arbeiten. Auch in China ist eine wiederverwendbare Rakete in Arbeit. Und in Europa sind kleinere Launcher kurz vor dem Erststart, die preiswertere und flexible Transporte ins All versprechen.
Sie alle wollen den schnell wachsenden Markt für neue Satellitenflotten bedienen. Exklusive Satellitenbilder bieten Einblicke in die Weltraumbahnhöfe, an denen gerade das weltweite Raketen-Rennen stattfindet.
Allem voran in Boca Chica am Golf von Mexiko. Vor zehn Jahren war das hier nur ein kleines Nest mit einer Handvoll Einwohnern. Dann entschied sich SpaceX, hier seinen Weltraumbahnhof Starbase zu bauen. Heute ist Boca Chica ein Experimentierfeld für die vielleicht ambitioniertesten Raketenpläne der Welt.
Bilder: LiveEO/Google Earth, LiveEO/Google Earth/Airbus, LiveEO/Google Earth/Maxar, LiveEO/Pleiades
Seit im Sommer 2019 der erste Prototyp für das Starship abgehoben ist, hat sich das Raketenprogramm schnell weiterentwickelt. Heute stehen mehrere halbfertige Starships nebeneinander auf dem Gelände, die nebenan in einer Produktionshalle gebaut werden. Das Starship, das mit 120 Metern Höhe größer ist als die Freiheitsstatue, soll bis zu 250 Tonnen Last oder 100 Astronauten auf einmal ins All hieven können – weit mehr als jede aktive Rakete derzeit. Und weil es wiederverwendbar ist, soll ein Start künftig nur noch wenige Millionen Euro kosten.
Die zweite Stufe des Starships, das eigentliche Raumschiff, hat in Tests bereits bewiesen, dass sie auf Beinen sicher wieder am Boden landen kann. Die erste Stufe soll gar keine Beine mehr bekommen, um Gewicht zu sparen. Stattdessen soll sie am Versorgungsturm quasi wieder andocken – und dort rasch für den nächsten Flug bereit gemacht werden. Mit dem Tests vor wenigen Tagen hat SpaceX gezeigt, dass das Manöver machbar ist.
Der nächste Testflug für das Starship ist schon in Planung. Denn für die nächsten Jahren sind zahlreiche Einsätze für die Riesenrakete geplant. So hat die US-Raumfahrtbehörde Nasa das Space-X-Raumschiff für sein Mondprogramm Artemis auserkoren. Im September 2026 soll es laut offiziellem Zeitplan so weit sein: Dann sollen eine Astronautin und ein Astronaut mit dem Starship auf dem Mond landen und dort eine Woche lang bleiben.
Mehrere Starships sollen dazu erst einmal Treibstoff in eine Erdumlaufbahn bringen. Dort sollen sie dann ein Rendezvous mit der Mondlande-Version des Raumschiffs durchführen und es betanken, damit es genug Sprit für den Flug zum Erdtrabanten hat. Das Auftanken will SpaceX nächstes Jahr erstmals im All testen.
Ob das alles so schnell kommt, ist allerdings noch offen. Der umstrittene SpaceX-Gründer Elon Musk ist für kühne Ankündigungen bekannt, hat seine Zeitpläne aber immer wieder gebrochen. Kürzlich hat Musk angekündigt, im Jahr 2026 die ersten Starships zum Mars zu schicken, dann noch ohne Crew. Im Jahr 2028 soll dann die erste Marsmission mit Astronauten starten. Ähnliches hatte Musk schon einmal für das Jahr 2018 versprochen.
Aktuell beschäftigt sich der Multimilliardär offenbar vorrangig damit, Donald Trump erneut ins Amt des US-Präsidenten zu verhelfen. Mithilfe von Millionenspenden, Wahlkampfauftritten und politischen Statements auf seiner Plattform X. Sollte Trump gewählt werden, könnte Musk eine Position in der Regierung erhalten, wo er sich um Deregulierung kümmern will.
Laut einem Bericht der „New York Times“ könnte Musk dann Macht über genau jene Behörden erlangen, die seine Unternehmen SpaceX und Tesla wegen verschiedenster Belange von Sicherheit über Arbeitsschutz bis zu Umweltvergehen im Visier haben. So haben texanische Umweltbehörden SpaceX vorgeworfen, die Gewässer rund um den Weltraumbahnhof zu verschmutzen.
Wenn es SpaceX gelingt, das Starship in einen regulären Betrieb zu überführen, dann wird das Unternehmen zunächst wahrscheinlich zahlreiche Satelliten für seine Internet-Konstellation Starlink ins All bringen. Vergangene Woche kündigte Musk neue, viel größere Satelliten für seine Starlink-Flotte an, die zehnmal mehr Bandbreite liefern sollen als die jetzige Generation. Schnelles Internet überall auf der Erde für viele Millionen Menschen soll damit möglich werden.
Astronomen wiederum hoffen, dass mit dem Starship eine ganz neue Generation von Teleskopen ins All starten kann. Deren größere Spiegel sollen noch viel schärfere Bilder von entfernten Planeten und Galaxien liefern als etwa das James Webb Teleskop. Auch Raumstationen sollen sich mit der Rakete am Stück und viel preiswerter als früher ins All bringen lassen.
Doch Boca Chica ist nicht der einzige Ort, an dem neue wieder verwendbare Raketen getestet werden. Tausende Kilometer weiter, in der Wüste Gobi in China, testet das chinesische Raumfahrtunternehmen Landspace ebenfalls eine Rakete, die zur Erde zurückkehrt. Das im Jahr 2015 gegründete Unternehmen hat in den vergangenen Jahren einen Raketenstartplatz am Jiuquan Satellite Launch Center errichtet, einem Weltraumbahnhof, der schon 1958 gegründet worden war. Im Jahr 2018 startete Landspace dort seine erste Rakete.
Bilder: LiveEO/Google Earth/CNES, LiveEO/Google Earth/Maxar, LiveEO/UP42/Blacksky
Im Januar testete Landspace erstmals den Prototypen einer geplanten wiederverwendbaren Rakete. Zhuque-3, so ihr Name, soll einmal knapp 77 Meter hoch sein und gut 18 Tonnen Nutzlast ins All bringen. Sie könnte damit die chinesische Alternative zu den Falcon-9-Raketen von SpaceX werden, die regelmäßig ins All starten und wieder landen. Der erste Test im Januar hat Berichten zufolge funktioniert, die Rakete hob auf bis zu 350 Meter Höhe ab und landete wieder. Mitte September flog das Vehikel dann schon mehr als zehn Kilometer hoch und kehrte wieder zurück. Schon nächstes Jahr will Landspace erstmals eine Rakete in voller Größe ins All schicken. Auch der chinesische Konkurrenz iSpace testet inzwischen eine wieder verwendbare Raketenstufe.
In Nordnorwegen, auf der Insel Andøya, macht sich unterdessen Europas Raumfahrtzukunft startbereit: Am Weltraumbahnhof Andøya testet das Münchner Start-up Isar Aerospace seine Spectrum-Rakete. 28 Meter groß, soll sie aus Europa Satelliten mit einem Gesamtgewicht von bis zu einer Tonne ins All bringen.
Bilder: LiveEO/Google Earth, LiveEO/Pleiades
Wenn die Tests am Boden gut laufen und die Behörden ihr OK geben, könnte Deutschlands erste Trägerrakete noch in diesem Jahr zum ersten Mal ins All starten. Die Spectrum ist deutlich kleiner als das Starship und nicht wiederverwendbar. Trotzdem ist sie schon vor dem Erststart gefragt: Satellitenbetreiber Airbus und Start-ups haben bei den Münchner Gründern Starts gebucht.
Von Nordnorwegen aus kann die Spectrum-Rakete Erdbeobachtungssatelliten auf eine besonders geeignete Umlaufbahn platzieren. Vor allem aber bieten neue Raketen Europa mehr eigene Zugänge in den Weltraum. Als im Jahr 2023 die europäische Ariane-5-Rakete eingestellt worden war und ihr Nachfolger sich verzögerte, mussten sogar europäische Navigationssatelliten und Aufklärungssatelliten der Bundeswehr mit SpaceX ins All fliegen. Eine Abhängigkeit, die viele in Brüssel und Berlin künftig vermeiden wollen.
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