Ausgerechnet zu Beginn des Mobile World Congress überrascht der Handy-Pionier Motorola mit einer ungewöhnlichen Aktion: „Stimmt deine Phone-Life-Balance noch?“, fragt der mittlerweile vom chinesischen Technologie-Konzern Lenovo übernommen Telefonbauer. In einem kurzen Online-Fragebogen können Smartphone-Nutzer ihre Touchscreen-Abhängigkeit testen – und bekommen am Ende Tipps zum Freizeitverhalten.
„Wir stehen als Hersteller auch in einer Verantwortung dafür, wie unsere Geräte das Leben der Menschen beeinflussen“, sagt Lars-Christian Weißwange, deutscher Geschäftsführer bei Motorola. „Smartphones sollen Spaß machen und den menschlichen Austausch fördern, aber die Leute nicht in Smombies verwandeln, die bloß noch in sich gekehrt aufs Handydisplay starren.“ Gemeinschaftliche Unterhaltung statt ego-fokussiertem Zeitvertreib, das ist die Idee, mit der sich Motorola künftig im Markt positionieren will.
Einem Markt im Umbruch. Das Smartphone, der wichtigste Treiber des digitalen Wandels in der vergangenen Dekade, verliert an Zugkraft. Kannte die Branche über Jahre nur Wachstum, zeichnet sich nun eine Trendwende ab. Zum ersten Mal überhaupt meldeten die Marktforscher im Schlussquartal 2017 einen schrumpfenden Markt. Nach mehr als 430 Millionen web-fähigen Telefonen im vierten Quartal 2016 kauften Kunden Ende 2017 nicht mal mehr 410 Millionen Geräte weltweit. Ein Minus von 5,5 Prozent.
Das ist zwar noch immer ein globales Milliardengeschäft für Apple, Samsung & Co. Aber es ist auch ein Warnschuss für eine Industrie, die ohnehin schon seit Jahren unter einer massiven Schieflage bei der Verteilung der Gewinne leidet. Während die großen Zwei konstant satte Überschüsse mit dem Handygeschäft erzielen, krebst die Verfolgerschaft vielfach unter der Profitabilitätsschwelle herum.
Nun lässt auch noch das Interesse der potenziellen Kundschaft nach. Nicht, weil die Menschen ihre Smartphones weniger nutzen, sondern, weil sie diese länger einsetzen. Vodafone-CEO Vittorio Collao bringt es im Hintergrundgespräch auf eine einfache Formel. „Die durchschnittliche Gerätenutzung der Kunden ist von 22 auf 29 Monaten gestiegen“, rechnet er vor. Das bekommen die Hersteller nun zu spüren.
Der Grund ist simpel. Moderne Smartphones sind inzwischen – selbst in der Unter- bis Mittelklasse – so leistungsfähig, dass die Käufer immer seltener das Bedürfnis haben, neue Technik anzuschaffen. Weil es den Hersteller zunehmend an revolutionären Ideen fehlt, die die Kundschaft zum Tausch der Handys motivieren, sinkt die Nachfrage zusätzlich. An die Stelle technologischer Revolution ist längst die graduelle Innovation getreten.
Bestes Beispiel sind die neuen Galaxy-S9-Smartphones, die Samsung am Vorabend des MWC in Barcelona präsentiert hat. Viel Tamtam und eine bombastische Light-Show konnten nicht darüber hinwegtäuschen, dass das S9 im Grunde ein leicht verbessertes S8-Handy ist. Mit einer stärkeren Kamera und – als Innovation bejubelt – einem besser platzierten Fingerabdruck-Sensor!
Damit passiert in der Telekommunikationswelt nun, was schon die PC-Welt getroffen hat. Die Geräte sind gut genug, als dass man sie noch allzu häufig erneuern müsste. Zwar verkauft die Computerbranche bis heute noch immer Millionen von Rechnern. Doch der mit dem „Good-Enough-Effekt“ verbundene Nachfrageeinbruch hat den PC-Markt nachhaltig erschüttert – und die Reihen der Hersteller erkennbar gelichtet.
Darauf muss sich nun auch die Telekommunikationsbranche einstellen und andere Erlösquellen oder Geschäftsmodelle finden. Die Wege, die die Hersteller dafür wählen, unterscheiden sich deutlich.
Apple, Google und Samsung beispielsweise machen ihre Telefone mehr und mehr zur zentralen Schaltstelle fürs vernetzte Leben. Apple etwa über seine Home-Kit-Plattform, die Haustechnik unterschiedlichster Hersteller unter Apples Führung zusammenführen soll. Google verfolgt mit seinem Google-Home-Assistenten ein ähnliches Konzept für seine Pixel-Telefone. Samsung produziert einen Großteil der vernetzbaren Haustechnik gleich selbst – und integriert die zentrale Steuerung dafür unter anderem in die neuen Galaxy-Smartphones.
Einen weiteren Weg, Handy-Käufer länger an die Marke zu binden und ein Zusatzgeschäft mit ihnen zu machen, hat Motorola mit seinem Mod-Konzept gefunden. Das ermöglicht es, an die Top-Telefone des Herstellers, die Moto-Z-Serie, auf der Rückseite zusätzliche Hardware anzudocken. Die Mods reichen von einem Kameramodul, über einen extrastarken Lautsprecher von JBL bis hin zu einer Steuerkonsole, die das Telefone in einen Game-Controller verwandelt.
„Natürlich kauft nicht jeder Moto-Z-Nutzer zig zusätzliche Mods“, sagt Motorola-Manager Weißwange. „Aber wir ermöglichen eine bessere Personalisierung der Geräte an den Bedarf der Kunden.“ Dass sich der Marktanteil des Herstellers im vergangenen Jahr in Deutschland – wenn auch von niedrigem Niveau kommend – mehr als verdoppelt habe, wertet er als Beleg für die Richtigkeit seiner These.
Den konsequentesten Weg, sich für die Zukunft der Kommunikation aufzustellen, verfolgt unter den Handy-Produzenten der chinesische Kommunikationskonzern Huawei. Zwar haben sich die Asiaten in den vergangenen Jahren als Schwergewicht im Smartphone-Geschäft etabliert und fast alle Wettbewerber hinter sich gelassen. Trotzdem sieht der Konzern das große Zukunftsgeschäft der Drahtloskommunikation im einem ganz anderen Technologiefeld.
„Wir stehen an der Schwelle, bei der neben die Kommunikation der Menschen miteinander, die der Maschinen mit den Maschinen tritt“, sagt Ken Hu, Co-CEO von Huawei, im Gespräch mit der WirtschaftsWoche. Die neue, fünfte Mobilfunkgeneration 5G werde die Basisinfrastruktur im Internet der Dinge betont er, „und wir werden dafür – vom Smartphone über die Funkchips für Milliarden von Maschinen bis zur Netzwerkinfrastruktur jedes Element der Kommunikationstechnik liefern“.