
Geduld ist eine Eigenschaft, die Gründer gewöhnlich selten auszeichnet. Aber Reza Etemadian braucht gerade eine Menge davon. Der Grund: Ein namhafter Konzern aus Wolfsburg lässt sein Startup Itizzimo zappeln. Um das lange avisierte Pilotprojekt mit dem Konzern starten zu können, muss dieser ihn als Lieferant listen – und das kann Monate dauern, wie der Einkauf des Unternehmens signalisiert hat.
Nicht auszuschließen, das der Deal noch platzt – weil Itizzimo zu klein oder jung ist. „Je größer ein potenzieller Partner ist“, sagt Etemadian, „umso mehr rote Ampeln gibt es für Startups.“
Dabei haben es Etemadian und sein Mitgründer Christian Kleinschroth ziemlich eilig: Sie entwickeln eine Technologie, die die Arbeit in Fabriken radikal verändern könnte – mithilfe intelligenter Brillen, die wie kleine Computer funktionieren und 2013 von Google und Epson auf der Elektronikmesse CES in Las Vegas im Januar vorgestellt wurden.
Für welche Smart-Home-Technologien sich deutsche Internetnutzer interessieren
Fittkau & Maaß Consulting hat Internetnutzer in Deutschland befragt, für welche der folgenden Smart-Home-Technologien sie sich interessieren.
Quelle: Statista
50,7 Prozent
44,1 Prozent
36,1 Prozent
18,7 Prozent
18,6 Prozent
15,4 Prozent
14,5 Prozent
13,3 Prozent
7,2 Prozent
22,3 Prozent
Wer sie in einer Produktionshalle trägt, kann dank Itizzimo Informationen zu den Maschinen einblenden oder per Video-Chat mit Experten sprechen, die bei der Wartung helfen. Lageristen können Bestände lokalisieren und über die Brille nachbestellen, wenn Engpässe auftreten – und haben dabei die Hände frei. „Die Brillen werden das nächste große Ding“, ist Reza Etemadian überzeugt, „und damit Teil der vierten industriellen Revolution.“
Diese nächste Stufe der industriellen Revolution, auch Industrie 4.0 genannt, ist die große Hoffnung der deutschen Wirtschaft. Denn sie ist Treiber grundlegender ökonomischer Umwälzungen, ganz ähnlich denen, die mechanische Produktionsanlagen Ende des 18. Jahrhunderts auslösten, Fließbänder und elektrischer Strom knapp 100 Jahre später und die ersten Computer in den Sechzigerjahren.
Industrie 4.0 soll Produktionsanlagen in intelligente Fabriken verwandeln und Straßen und Häuser in intelligente Städte, in denen Maschinen, Fahrzeuge und Geräte miteinander und mit den Menschen kommunizieren. Ein „Internet der Dinge“ soll entstehen, in dem der Grundsatz gilt: Was über elektronische Datennetze miteinander verbunden werden kann, wird auch verbunden, liefert Daten, lässt sich aus der Ferne steuern oder reguliert sich und andere Geräte in selbstlernenden Prozessen.
Itizzimo
Itizzimo, Würzburg.
SAP, E.On.
Das Würzburger Startup entwickelt Software für Datenbrillen, die sich in der Industrie einsetzen lassen - etwa in der Fertigung oder im Lager.
Eine Entwicklung, die unseren Alltag grundlegend verändern wird: Während vor 30 Jahren mehrere Menschen um einen Computerbildschirm saßen wie steinzeitliche Jäger und Sammler ums Lagerfeuer, wird künftig jeder Einzelne viele Computer nutzen – so selbstverständlich wie wir heute Steckdosen und Lampen einsetzen, statt Feuer zu entfachen. Im Jahr 2020 sollen 50 Milliarden Geräte weltweit vernetzt sein, prognostizieren die Telekommunikationsausrüster Cisco und Ericsson. Die Heizung lässt sich via Handy steuern, und der Kühlschrank bestellt Lebensmittel, wenn die Vorräte knapp werden.
„Das Potenzial von Industrie 4.0 ist immens“, hat eine Forschergruppe um Henning Kagermann festgestellt, den Präsidenten von Acatech, der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften. Auch Dieter Schweer vom Bundesverband der Deutschen Industrie ist überzeugt, dass die „Digitalisierung der Industrie die Art der Produktion und der Produkte grundlegend verändern wird“.