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Internet der DingeVernetzte Industrie bietet Gründern Chancen

Das Internet verändert die deutsche Industrie radikal. Eine große Chance für Startups, mit Industriekonzernen und etablierten Mittelständlern ins Geschäft zu kommen – wenn sie die nötige Ausdauer mitbringen.Jens Tönnesmann 17.11.2014 - 06:00 Uhr

Reza Etemadian (links), Christopher Bouveret (rechts), Gründer von Itizzimo.

Foto: Klaus Weddig für WirtschaftsWoche

Geduld ist eine Eigenschaft, die Gründer gewöhnlich selten auszeichnet. Aber Reza Etemadian braucht gerade eine Menge davon. Der Grund: Ein namhafter Konzern aus Wolfsburg lässt sein Startup Itizzimo zappeln. Um das lange avisierte Pilotprojekt mit dem Konzern starten zu können, muss dieser ihn als Lieferant listen – und das kann Monate dauern, wie der Einkauf des Unternehmens signalisiert hat.

Nicht auszuschließen, das der Deal noch platzt – weil Itizzimo zu klein oder jung ist. „Je größer ein potenzieller Partner ist“, sagt Etemadian, „umso mehr rote Ampeln gibt es für Startups.“

Dabei haben es Etemadian und sein Mitgründer Christian Kleinschroth ziemlich eilig: Sie entwickeln eine Technologie, die die Arbeit in Fabriken radikal verändern könnte – mithilfe intelligenter Brillen, die wie kleine Computer funktionieren und 2013 von Google und Epson auf der Elektronikmesse CES in Las Vegas im Januar vorgestellt wurden.

Für welche Smart-Home-Technologien sich deutsche Internetnutzer interessieren
Die Umfrage
Heizung regeln
Fenster/Jalousien öffnen/schließen
Beleuchtung ein/ausschalten
Kühlschrankinhalte automatisch nachbestellen
Fernseher via Internet nutzen/programmieren
Druckerpatronen automatisch nachbestellen
Pflanzen via Internet-Fernsteuerung gießen
Babyfon via Internet nutzen
Haustiere via Internet-Fernsteuerung füttern
Kein Interesse

Wer sie in einer Produktionshalle trägt, kann dank Itizzimo Informationen zu den Maschinen einblenden oder per Video-Chat mit Experten sprechen, die bei der Wartung helfen. Lageristen können Bestände lokalisieren und über die Brille nachbestellen, wenn Engpässe auftreten – und haben dabei die Hände frei. „Die Brillen werden das nächste große Ding“, ist Reza Etemadian überzeugt, „und damit Teil der vierten industriellen Revolution.“

Diese nächste Stufe der industriellen Revolution, auch Industrie 4.0 genannt, ist die große Hoffnung der deutschen Wirtschaft. Denn sie ist Treiber grundlegender ökonomischer Umwälzungen, ganz ähnlich denen, die mechanische Produktionsanlagen Ende des 18. Jahrhunderts auslösten, Fließbänder und elektrischer Strom knapp 100 Jahre später und die ersten Computer in den Sechzigerjahren.

Industrie 4.0 soll Produktionsanlagen in intelligente Fabriken verwandeln und Straßen und Häuser in intelligente Städte, in denen Maschinen, Fahrzeuge und Geräte miteinander und mit den Menschen kommunizieren. Ein „Internet der Dinge“ soll entstehen, in dem der Grundsatz gilt: Was über elektronische Datennetze miteinander verbunden werden kann, wird auch verbunden, liefert Daten, lässt sich aus der Ferne steuern oder reguliert sich und andere Geräte in selbstlernenden Prozessen.

Itizzimo
Das Unternehmen
Konzernpartner
Geschäftsidee

Eine Entwicklung, die unseren Alltag grundlegend verändern wird: Während vor 30 Jahren mehrere Menschen um einen Computerbildschirm saßen wie steinzeitliche Jäger und Sammler ums Lagerfeuer, wird künftig jeder Einzelne viele Computer nutzen – so selbstverständlich wie wir heute Steckdosen und Lampen einsetzen, statt Feuer zu entfachen. Im Jahr 2020 sollen 50 Milliarden Geräte weltweit vernetzt sein, prognostizieren die Telekommunikationsausrüster Cisco und Ericsson. Die Heizung lässt sich via Handy steuern, und der Kühlschrank bestellt Lebensmittel, wenn die Vorräte knapp werden.

„Das Potenzial von Industrie 4.0 ist immens“, hat eine Forschergruppe um Henning Kagermann festgestellt, den Präsidenten von Acatech, der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften. Auch Dieter Schweer vom Bundesverband der Deutschen Industrie ist überzeugt, dass die „Digitalisierung der Industrie die Art der Produktion und der Produkte grundlegend verändern wird“.

Platz 10: Universität Magdeburg

Die Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg fördert den Unternehmergeist ihrer Studenten  mit dem Interaktionszentrum Entrepreneurship. Es betreibt etwa das Projekt "Pro-Active Science Transfer", das mit Geldern aus dem Europäischen Sozialfonds (EFS), Forschungsergebnisse lukrativ macht und ihren Transfer in die Wirtschaft unterstützt. Ebenfalls ESF-Gelder fließen in das Projekt Senior- & Juniorpreneurship, das Gründungen von Studenten begleitet.

Das kostenlose OpenSource-Projekt Docear, eine Ausgründung der Uni Magdeburg, ist ein Programm für die Bedürfnisse von Wissenschaftlern. Damit lassen sich wissenschaftliche Texte erstellen, verwalten und suchen. Im April erhielten die Gründer dafür den ersten Platz beim Businessplanwettbewerb ego.Business.

Foto: dpa

Platz 9: Universität Potsdam

An den drei Niederlassungen der Universität Potsdam geben sogenannte Standortmanager in Beratungsgesprächen erste Orientierung für eine Unternehmensgründung. Wenn es tatsächlich zur Gründung kommt, helfen Sie, einen Businessplan auszuarbeiten und vermitteln Büros oder Labors für das Start-Up. Das nötige Gründungswissen vermitteln Vorlesungen des Lehrstuhls für Innovationsmanagement und Entrepreneurship. 

Zwei Studenten, ein Doktorand und ein Absolvent der Uni Potsdam haben 2009 in Berlin die Signavio GmbH gegründet. Das Unternehmen entwickelt Software zur Optimierung von Geschäftsprozessen.

Foto: WirtschaftsWoche

Platz 8: LMU München

Die Ludwig-Maximilians-Universität München lehrt nicht nur Unternehmertum und bietet Hilfestellung bei Neugründungen – sie bringt ihre Studenten auch mit regionalen Unternehmen zusammen. So können sie im Programm „Entrepreneur Farm“ an Trainings mit Unternehmensmitarbeitern und über mehrere Monate an Praxisprojekten in den Firmen teilnehmen.

Ein Beispiel einer Ausgründung: Ihre naturwissenschaftlichen Kenntnisse wenden die theoretischen Pysiker Tassilo Keilmann und Karl Gerd Vollbrecht auf den Aktienmarkt an. Die Mitarbeiter des Max-Planck-Institut für Quantenoptik an der LMU haben mit aktienprognose.de ein Portal gegründet, das den weiteren Verlauf von Aktienkursen anhand von Forschungsergebnissen aus der Quantenphysik schätzt. Damit erreichen sie nach eigenen Angaben eine Prognosegüte von 74 Prozent.

Foto: WirtschaftsWoche

Platz 7: FU Berlin

Seit 2006 sind aus der Gründungsförderung der Freien Universität Berlin, die sich „Profund“ nennt, über 70 Kapitalgesellschaften hervorgegangen. Jährlich führt sie zwischen 150 und 200 Beratungsgespräche und bietet in fünf sogenannten Gründerhäusern auf dem Campus 120 Arbeitsplätze für studentische Start-Ups. Außerdem veranstaltet die FU etwa ihren „Entrepreneurship Summit“, der rund 1.500 Teilnehmer pro Jahr anlockt. Auf den mehrmals jährlichen „Business & Beer“-Abenden können Gründer ihre Konzepte vorstellen und den Vorträgen etablierter Unternehmer oder Experten lauschen.

ePortrait soll den Gang zur Fotokabine für Passbilder überflüssig machen. Die im März 2012 gestartete Ausgründung der FU Berlin bietet die Möglichkeit, per Webcam biometrische Passbilder am PC zu machen und sie zu bestellen. Das Unternehmen setzt auch auf Geschäftskunden. So ist das Programm seit Mai in der Website einer Krankenkasse integriert und kann für die Fotos auf elektronischen Gesundheitskarten genutzt werden.

Foto: WirtschaftsWoche

Platz 6: Universität Rostock

Mit Wettbewerben will die Universität Rostock den Unternehmergeist ihrer Studenten wecken. 2009 organisierte das Gründerbüro erstmals „Idee sucht Mentor“. Dabei stellen die Teilnehmer bei einer Art Speed-Dating verschiedenen Experten aus Wirtschaft und Wissenschaft ihre Geschäftsidee vor. Haben Studenten und Mentoren zusammengefunden, erarbeiten sie ein Geschäftskonzept und messen sich dabei mit anderen Gruppen. In der zweiten Jahreshälfte organisiert das Gründerbüro außerdem den Jungunternehmerpreis der Universität Rostock. Seit 2006 wurden laut Uni dort 130 Firmen gegründet. Berührungslose Messtechnik für die Industrie verkauft die Astech Angewandte Sensortechnik GmbH in Warnemünde. Zum Portofolio der Ausgründung der Uni Rostock gehören Sensoren, um Geschwindigkeit, Länge, Abstand, Position, Breite und Farbe zu bestimmen.

Foto: ZB

Platz 5: RWTH Aachen

Im Jahr 2000 hat die Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen gemeinsam mit der örtlichen IHK und den Sparkassen ihr Gründerzentrum ins Leben gerufen. 2003 folgte der Entrepreneurship-Lehrstuhl „Wirtschaftswissenschaften für Ingenieure und Naturwissenschaftler“ (WIN). Die Uni begleitet ihre Jungunternehmer nicht nur während der Gründung, sondern auch in den ersten fünf Jahren danach.

Auf Pursenal.de können sich Nutzer ihre eigene Handtasche gestalten. Dabei lassen sich   unter anderem  Größe, Lederfarbe, Fadenfarbe, Futter, Innenausstattung, Verschluss und Riemenlänge variieren.

Foto: dpa

Platz 4: Universität Lüneburg

Auch die Leuphana Universität Lüneburg setzt auf Beratung, Gründungslehre, Wettbewerbe und Netzwerke. Zusätzlich bietet sie jedem Gründer ein sogenanntes Starter-Set an, genauer gesagt einen 50-Euro-Gutschein, der unter anderem für kostenpflichtige Gründungsveranstaltungen gilt.

 Mit der Ticcats GmbH hat der ehemalige Leuphana-Student 2010 Deutschlands erstes Online-Preisvergleichs-Portal für Live-Unterhaltungs-Tickets gegründet.

Foto: WirtschaftsWoche

Platz 3: Bergische Universität Wuppertal

Seit 1998 fördert die Bergische Universität Wuppertal unternehmerisch engagierte Studenten mit ihrem Gründerzentrum bizeps. Zwei Mitarbeiter stehen für Beratungsgespräche bereit, die Uni bietet Labors und Werkstätten für den Bau von Prototypen und Büros für die geschäftliche Arbeit. Hinzu kommen praxisorientierte Workshops, wie "Wenn aus Freunden Geschäftspartner werden - Typische Probleme" oder "Welche Versicherung braucht ein Gründer wirklich?“.

Sie alle machen Lärm: Autos, Lüftungsschächte, Kompressoren und Pumpen. Um diesen Lärm einzudämmen, hat die 2007 an der Uni Wuppertal gegründete WaveScape GmbH eine Technik entwickelt, die Lärm erkennt und mit künstlichem Gegenschall überlagert. Dabei dämpfen sich Schall und Gegenschall gleichzeitig. Mittlerweile hat das Unternehmen sieben Mitarbeiter

 

Foto: dpa

Platz 2: TU Berlin

Gründerbotschafter an jeder Fakultät der Technischen Universität Berlin sollen bei den Studenten für Unternehmertum werben. Das Zentrum für Entrepreneurship der Uni betreibt außerdem eine Teambörse, in der Gründer nach Partnern suchen können, die in ihr Projekt einsteigen wollen. Hinzu kommen Beratungsgespräche, eine Gründerwerkstatt und Arbeitsräume für Gründer, die die Hochschule anbietet. Zukünftig will die TU eine internationale Gründercommunity aufbauen und ein Exzellenzprogramm für Start-Ups mit hohem Wachstumspotenzial einrichten.

Die Aeroíx GmbH stellt technische Textilien für die Luftfahrt her. Die TU-Ausgründung mit Stoffen, die etwa in Flugzeugen verarbeitet werden, erhielt 2008 ein Gründerstipendium aus dem Exist-Programm des Bundeswirtschaftsministeriums.

 

Foto: Dahl_TUB Gründungsservice

Platz 1: TU München

Die Technische Universität München (TUM) besitzt mit der UnternehmerTUM GmbH eine eigene Unternehmensberatung, die an der Uni entwickelte Technologien auf ihr Marktpotenzial untersucht – und bei Bedarf die Unternehmensgründung mit Rat und Tat begleitet. Außerdem hat sie einen Fonds eingerichtet, mit dem sie in vielversprechende Ausgründungen investiert. Mit der Entrepreneurs' Night veranstaltet sie Netzwerkabende für studentische Start-Ups und bereits etablierte Unternehmen.

 

Foto: WirtschaftsWoche

Stefan Vaillant, Andre Eickler, Bernd Groß, Lars Stuke und Oliver Stache (von links), Cumulocity.

Foto: Frank Reinhold für WirtschaftsWoche

So sehr, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel und Wirtschaftsverbände darin unisono eine „Riesenchance für Deutschland“ erkennen. In einer Umfrage des Branchenverbands Bitkom etwa erklärten 90 Prozent der High-Tech-Unternehmen, dass Industrie 4.0 wichtig für das produzierende Gewerbe sei, um im internationalen Wettbewerb zu bestehen. Denn weltweit sind laut Cisco bis 2022 rund 14,4 Billionen Dollar mit dem Internet der Dinge zu verdienen. Die Bundesregierung hat Industrie 4.0 längst als Ziel ihrer High-Tech-Strategie festgeschrieben und will dafür bis zu 200 Millionen Euro bereitstellen.

Cumulocity
Das Unternehmen
Konzernpartner
Geschäftsidee

Eine Entwicklung, in der sich gerade für Firmengründer zahlreiche neue Möglichkeiten auftun. „Innovationen von Startups spielen beim Thema Industrie 4.0 eine entscheidende Rolle“, heißt es etwa beim halbstaatlichen High-Tech Gründerfonds, der junge Technologieunternehmen finanziert. Erst durch die Verbindung von innovativen, wendigen Startups mit der etablierten Industrie kann der Wirtschaftsstandort Deutschland von der vierten Welle der Industrialisierung profitieren, sind Experten überzeugt. Darin liege der „Schlüssel für eine kreative Weiterentwicklung und Umsetzung von Industrie 4.0“, heißt es etwa beim Wirtschaftsrat der CDU.

Bernd Groß hat eines dieser wendigen Startups gegründet: Cumulocity. Das Unternehmen hat sich im Düsseldorfer K-LAN niedergelassen, einem Innovationsinkubator, und entwickelt Software, die die mobile Kommunikation zwischen Maschinen ermöglicht.

Groß sitzt an einem Schreibtisch und betrachtet bunte Balkendiagramme auf seinem iPad. Die zeigen an, wie viel Kaffee ein Getränkeautomat in der Darnall Service Station heute ausgeschenkt hat, einer Tankstelle irgendwo in Großbritannien. Gerade eben hat sich jemand den 301. Caffè Latte des Tages für 1,50 Pfund gezapft. Groß sitzt Hunderte Kilometer entfernt, aber er kann das Geld förmlich im Automaten klimpern hören.

Groß kann aber nicht nur beobachten, wie viel die Getränkeautomaten ausschenken und wie viel sie einspielen – er sieht auch, wann Tee und Kaffee nachgefüllt werden müssen. Das erspare dem Automatenbetreiber unnötige Anfahrten und so bis zu 40 Prozent der Kosten, sagt Groß. Außerdem verdiene er mehr, weil Kunden ihren Automatenkaffee nun auch bargeldlos zahlen können.

Renzo Rosso, Gründer von Diesel, hat es vom Bauernhof in die Chefetage geschafft.

Foto: REUTERS

Titus Dittmann

Über den Gründer des Skateboard-Labels Titus kam 2012 sogar ein Film ins Kino

Foto: dpa

James Dyson

Der britische Erfinder und Unternehmer wurde durch seinen beutellosen Staubsauger berühmt

Foto: dpa

Günther Fielmann
Der Vorstandsvorsitzende von Fielmann eröffnete 1972 sein erstes Fachgeschäft

Foto: dpa

Eike Batista

Der Unternehmer ist der reichste Mann Brasiliens

Foto: REUTERS

Erich Sixt

Der 68-Jährige machte Sixt zur größten Autovermietung Deutschlands

Foto: dapd

Richard Branson

Der Airline-Gründer will mit seinem Unternehmen Virgin Galactic Privatleute ins All schicken

Foto: REUTERS

Möglich machen das ein kleiner Computer im Automaten, der mit dem Internet verbunden ist – und die Software von Cumulocity. Damit lassen sich aber nicht nur Getränkeautomaten in England überwachen, sondern etwa auch Fuhrparks von Unternehmen, die wissen wollen, wie sparsam ihre Mitarbeiter mit den Fahrzeugen umgehen. „Wir können alles mit unserer Plattform verbinden, um Geschäftsprozesse zu optimieren“, sagt Groß, „Automaten und Autos, Bügeleisen und Spielzeug.“

Eine Technologie, die auch für die deutsche Industrie interessant sein könnte. So dachte jedenfalls Bernd Groß, als er und seine drei Mitgründer vor gut zwei Jahren auf die Idee zu Cumulocity kamen.

Christian Deilmann, Valentin Sawadski, Leopold von Bismarck und Johannes Schwarz (von links), Tado.

Foto: Presse

Tado
Das Unternehmen
Konzernpartner
Geschäftsidee

Damals arbeitete Groß beim Mobilfunkkonzern Nokia im Silicon Valley. Statt im kalifornischen Gründermekka gründeten Groß und seine Mitstreiter aber lieber in ihrer alten Heimat Deutschland – vor den Toren des Ruhrgebiets. Doch während Groß und sein Team in Großbritannien und Finnland schnell Pilotkunden fanden, reagierten deutsche Unternehmen verhalten. „Ihr seid zu klein, zu jung und zu riskant, haben wir bei vielen Firmen zu hören bekommen“, erzählt Groß. Er ist inzwischen überzeugt: „Der größte Standortnachteil der deutschen Industrie ist, dass sie konservativ agiert.“

Homöopathische Honorare

Die Erfahrungen von Bernd Groß und Itizzimo-Gründer Reza Etemadian sind offenbar eher die Regel als die Ausnahme: „In den meisten Fällen passt die DNA eines Industrieunternehmens in punkto Flexibilität, Schnelligkeit und Risikofreudigkeit nicht mit der des Startups zusammen“, sagt Tobias Kollmann, Professor für E-Business und E-Entrepreneurship an der Universität Duisburg-Essen und Vorsitzender des Beirats Junge Digitale Wirtschaft beim Bundeswirtschaftsministerium. „Da prallen Welten aufeinander.“

Auch das Augsburger Startup Secomba, das im November 2013 den WirtschaftsWoche-Gründerwettbewerb gewonnen hat, muss gerade viel Geld für eine Zertifizierung ausgeben, damit auch Behörden und Konzerne die Verschlüsselungstechnologie des jungen Unternehmens nutzen können.

„Viele Anforderungen von Industrieunternehmen an neue Kooperationspartner sind so hoch, dass ein Startup oftmals direkt durchs Raster fällt“, sagt Kollmann. „Das fängt mit Einkaufsrichtlinien an und hört bei Sicherheiten und 90-tägigen Zahlungszielen auf. Darauf kann ein Startup meist nicht reagieren.“

Meiko Hecker versucht es zumindest. Der Experte für Technologietransfer und Dozent für Entrepreneurship an der TU Darmstadt arbeitet mit dem Physiker Walter Schäfer an einer Technologie, mit der sich Sprühprozesse über eine Datenverbindung von jedem beliebigen Punkt der Erde messen und steuern lassen. Damit soll es in Zukunft zum Beispiel möglich sein, Lackiervorgänge in einem Autowerk in China vom Firmensitz in Deutschland zu überwachen und anzupassen. „Aktuell verhandeln wir mit einem Konzern über eine Kooperation und machen für die einen Testdurchlauf nach dem anderen“, sagt Hecker. „Aber das Honorar fließt in sehr homöopathischen Dosen.“

Dass es überhaupt zu den Testdurchläufen gekommen ist, verdanken Hecker und Schäfer der Tatsache, dass sie ihr Unternehmen aus der TU Darmstadt heraus gründen. Wie wichtig solche Institutionen als Referenz sind, wissen auch Ramin Lavae Mokhtari und Gerd Ascheid. Mokhtari hat für den Energiekonzern E.On gearbeitet und das US-Geschäft von T-Ventures geleitet, einer Beteiligungsfirma der Deutschen Telekom; Ascheid leitet an der RWTH Aachen das Institute for Communication Technologies and Embedded Systems, das Technologien für die vierte Welle der Industrialisierung erforscht.

Foursquare
Das soziale Netzwerk Foursquare könnte sich besonders für Groupon lohnen. Foursquare ist standortbezogen, das heißt, dass die Nutzer per GPS ihren aktuellen Standort kommunizieren können. Für jeden Check-in an einem Ort gibt es Punkte. Außerdem können die Foursquare-Nutzer Tipps und to-do-Listen zu den Orten veröffentlichen, wie beispielsweise Restaurantkritiken oder Empfehlungen für Geschäfte. Und hier käme Groupon ins Spiel. Mehr als 20 Millionen Menschen nutzen Foursquare. Geschätzt wird der Wert des dienstes auf rund eine Milliarde Dollar.

Foto: dapd

Airbnb

Luftmatratze oder Klappsofa statt Hotelbett, dafür gemeinsames Frühstück mit dem Gastgeber: Hinter Airbnb steckt ein Unternehmen, dass Couchtouristen und potentielle Gastgeber zusammenführt. Wie bei Hotelportalen können die Anbieter von Gästezimmern bewertet und kommentiert werden, so dass der Reisende erfährt, was ihn wo erwartet. Mehr als 900.000 Menschen sind mittlerweile bei airbnb registriert und mieten und vermieten Unterkünfte rund um den Globus. 112 Millionen Dollar hat das Unternehmen bisher an Investorengeldern eingesammelt. Für Hotelketten oder Portale wäre airbnb eine gute Investition.

Foto: Screenshot

Spotify

Der Musikdienstleister Spotify ist hat im vergangenen Juni von Investoren rund 100 Millionen Dollar von verschiedenen Investoren eingesammelt. Damit und zusammen mit seinen zehn Millionen Nutzern in mehr als zehn Ländern dürfte Spotify etwas teurer werden als eine Milliarde Dollar. Für Apple beispielsweise wäre Spotify aber eine nette Ergänzung zum iStore.

Foto: dpa

Bleacher Report

Die Sportseite Bleacher Report gibt es erst seit 2007. Mittlerweile besuchen rund 25 Millionen Nutzer pro Monat die Homepage, um sich Videos, Analysen und Hintergrundberichte zu verschiedensten Sportthemen anzusehen. Die Zahl der sogenannten unique user macht den bleacher report zur viertgrößten Sport-Website im Netz. Für Nachrichtendienste ohne Sportberichterstattung wäre der Kauf von br also eine Überlegung wert.

Foto: Screenshot

Fab

Bei der Shopping-Community Fab macht pro Tag rund 300.000 Dollar Umsatz. Die mehr als drei Millionen Nutzer können über Fab nach ihren Lieblings-Designer-Stücken suchen und beim Einkauf bis zu 70 Prozent sparen. Das Unternhemen hinter der Community hat bereits 50 Millionen Dollar Investorengelder einsammeln können und ist derzeit um die 200 Millionen Dollar wert. Für Groupon oder andere Schnäppchen-Anbieter wäre Fab eine gute Ergänzung.

Foto: Screenshot

Rovio

Die Macher des Spiels "Angry birds" haben im Jahr 2010 rund fünf Millionen Dollar Umsatz gemacht, drei Millionen davon waren Gewinn. Durch Investoren bewegt sich das Kapital des Jungunternehmens derzeit bei rund 200 Millionen Dollar. Für andere Spielehersteller wie Zynga dürfte Rovio eine gelungene Investition sein.

Foto: dapd

Path

Mit der App Path können Nutzer private Momente, Bilder und Videos mit ihren Freunden teilen. Path funktioniert quasi wie ein Tagebuch, das ein bestimmter Kreis von Menschen lesen darf und von dem bestimmte Einträge auch bei Twitter, Foursquare, Facebook oder Tumblr veröffentlicht werden können. Rund drei Millionen Menschen nutzen das soziale Netzwerk für unterwegs. Google hatte schon einmal bei Erfinder Dave Morin angeklopft und ein 100 Millionen Dollar für Path geboten. Morin lehnte jedoch ab.

Foto: Screenshot

Square

Wer sich bei Square registriert, brauch nie mehr irgendeine Kreditkarte benutzen, sondern kann sein Handy dafür benutzen. Außerdem gibt es fürs eigene Gerät einen Kreditkartenleser. Erfunden hat das mobile Bezahlsystem der Twitter-Mitgründer Jack Dorsey. Für Visa oder Mastercard wäre Square eine schöne Bereicherung. Sie müssten allerdings mindestens eine Milliarde Dollar hinblättern, einige schätzen den Wert des Dienstes auch auf zwei Milliarden.

Foto: Screenshot

Pinterest

Immer mehr Menschen nutzen die virtuelle Pinnwand des sozialen Online-Netzwerks Pinterest. Für Google oder Facebook dürfte Pinterest ein interessantes Startup sein. Wert: Derzeit rund eine Milliarde Dollar, Investoren schätzen, es könnten demnächst mehr als fünf Milliarden werden.

Foto: dpa

Yammer

Yammer funktioniert wie Twitter für Firmen und wird für die private Kommunikation innerhalb der Unternehmen genutzt. Die Zugänge zu einem Yammer-Netzwerk werden streng personalisiert, so dass auch nur Leute einer Firma in einem Netzwerk sind. Das Ganze lässt sich natürlich auch auf einzelne Abteilungen oder Teams herunter brechen.

Foto: Screenshot

Und genau dort setzt ihr Unternehmen an: ICE Gateway kombiniert effiziente LED-Beleuchtung mit intelligenter Steuerungselektronik und senkt so für seine Kunden die Energiekosten. Die Mission der Gründer: Deutschlands Straßenlaternen ins Internet zu bringen.

Dafür tauschen sie in den Laternen die Betriebsgeräte gegen Minicomputer aus, die sich übers Mobilfunknetz mit dem Rest der Welt verbinden. So lassen sich nicht nur die energieeffizienten Leuchtmittel in der Laterne aus der Ferne steuern und Kosten sparen.

Die Laternen könnten zukünftig auch Touristen Informationen bereitstellen oder den Straßenverkehr erfassen. Kunden wie Städte, Konzerne und Flughäfen sollen die Technologie quasi umsonst bekommen: Die Kosten werden durch die Ersparnisse ausgeglichen, die die hochgerüsteten Laternen einspielen.

„Allerdings müssen wir eine ganze Reihe von Entscheidern überzeugen“, sagt Mokhtari, „und das geht nur, wenn Sie zeigen können, wie viel Wissen hinter Ihrem Produkt steht.“

Wer gut vernetzt ist, tut sich leichter: Reza Etemadian von Itizzimo etwa hat von seinen Industriekontakten aus seiner Zeit bei SAP profitiert. Für Meiko Heckers Unternehmen spielte ein Professor den Türöffner. Und Bernd Groß von Cumulocity gelang es, über seine Kontakte aus Nokia-Zeiten die Deutsche Telekom als Kunden zu gewinnen. Außerdem konnte er den High-Tech Gründerfonds als Investor an Bord holen. „Seitdem ist es für uns auf dem deutschen Markt einfacher“, sagt Groß, der bereits 20 Mitarbeiter beschäftigt und demnächst eine weitere Finanzierungsrunde abschließen will.

Ignoranz als Chance

Wer solche Netzwerke nicht hat, muss Wege finden, sie aufzubauen. Andreas Wilzeck ist deswegen mit seinem Unternehmen WiseSense, das Funksysteme zur störungsfreien Kommunikation zwischen Maschinen entwickelt, dem Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie beigetreten.

Das koste zwar 2.000 Euro pro Jahr, sagt Wilzeck. Aber dafür kann der Gründer im Arbeitskreis Wireless in der Automation Kontakte zu Vertretern der Industrie knüpfen. „Total wichtig“ sei das gewesen, sagt Wilzeck.

Man kann die Ignoranz der Industrie aber auch als Chance begreifen – so wie Christian Deilmann und Valentin Sawadski es getan haben. Als die beiden 2011 mit ihrem Unternehmen Tado starteten, setzten auch sie große Hoffnungen auf Kunden und Partner aus der Industrie.

Ihre Geschäftsidee: Heizungen via Smartphone und Internet mit ihren Benutzern vernetzen. Entfernen die sich von ihrer Wohnung, regelt die Heizung die Temperatur herunter. Nähern sie sich, sorgt sie für angenehme Wärme. Wer seine Heizung auf diese Weise sich selbst überlässt, kann laut Deilmann Heizkosten sparen und über sein Smartphone verfolgen, wie sich der Energieverbrauch entwickelt.

„Mithilfe unserer Technologie könnten die Versorger Erdgas und Wärmesteuerung via App als Paket vertreiben“, sagt Deilmann. „Dann würde aus dem anonymen Rohstoff ein persönliches Produkt, das Kunden bindet.“

Doch trotz positiver Testläufe reagierten die Konzerne vorsichtig. „Unsere Idee hat deren Kerngeschäft berührt“, sagt Deilmann und zitiert das amerikanische Sprichwort: „You won’t get fired for buying IBM“ – „Du wirst nicht gefeuert, wenn du IBM kaufst.“

Soll heißen: Geschäfte mit einem Startup sind riskant. Zwar seien die Gesprächspartner in den Unternehmen von der Technologie begeistert gewesen. „Aber als es darum ging, die übrigen Entscheidungsträger zu überzeugen, dauerte doch alles länger als gedacht.“

Tado hat die Zurückhaltung nicht geschadet: Die Gründer beschlossen, ihre Technologie direkt an die Heizungsbesitzer zu verkaufen. Das ging auf: Inzwischen hat Tado Tausende Kunden und beschäftigt 31 angestellte und 14 freie Mitarbeiter. „Es geht extrem bergauf“, sagt der Pionier, „der Herbst und der Winter waren fantastisch.“

Das lockt nun auch die großen Firmen. Seit Mitte Januar bietet der Energieversorger Entega die Heizungs-App von Tado an. Regelmäßig melden sich Maschinenbauer bei Deilmann, die wissen wollen, ob Tado nicht auch ihre Geräte ans Netz bringen kann – Rauchmelder etwa.

Der Gründer hat erst mal andere Pläne: Noch in diesem Jahr will er eine App auf den Markt bringen, die Klimaanlagen steuert. „Vielleicht“, sagt er, „lassen sich ja auch die Konzerne dieses Mal schneller überzeugen.“

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