1. Startseite
  2. Technologie
  3. Mobilität
  4. Lithium-Schwefel-Batterie: Ex-Topmanager Cromme will neuen Batteriechampion mit aufbauen

Batterie-Start-up TheionDreimal stärkere E-Auto-Akku-Ladung: Ex-Siemens-Aufseher Cromme setzt auf dieses Start-up

Viele Jahre hat Gerhard Cromme die Geschicke deutscher Großkonzerne mitbestimmt. Jetzt heuert der Ex-Topmanager beim Berliner Start-up Theion an – und will dessen neuartiger Batterie zum Durchbruch verhelfen.Andreas Menn 18.08.2022 - 11:00 Uhr
Foto: WirtschaftsWoche

Gerhard Cromme hat in seinem Managerleben den Kurs vieler der größten deutschen Konzerne führend mitbestimmt, ob ThyssenKrupp, Siemens, Allianz – Cromme saß im Aufsichtsrat oder Vorstand. Doch in den vergangenen Jahren hat sich der Ex-Topmanager verstärkt Start-ups zugewendet. 

Nun heuert Cromme beim Berliner Start-up Theion an: Der 79-Jährige übernimmt den Beiratsvorsitz bei dem jungen Unternehmen, das mit einer neuen Technologie in den Markt für Batterien einsteigen will. „Wenn wir die Energiewende schaffen wollen, brauchen wir leistungsstarke Energiespeicher“, sagt Cromme. „Theions Ansatz für eine leistungsstarke und kostengünstige Batterie auf der Basis von Schwefel hat mich überzeugt.“

Theion, gegründet 2020 vom Luftfahrtingenieur Florian Ruess und dem Batterieforscher Marek Slavik, setzt auf ein neues Batteriedesign: Für die Kathode, also die negativ geladene Elektrode der Batterie, verwendet es nicht Nickel, Mangan und Kobalt, sondern Schwefel in einem kristallinen Zustand. 

Zusätzlich sollen Kohlenstoff-Nanoröhrchen die Leitfähigkeit der Kathode steigern. Und statt eines flüssigen Elektrolyten, also Ladungsträgers zwischen den Elektroden, verwenden die Entwickler einen festen – die Technik ist noch im Forschungsstadium, gilt aber als potenziell leistungsfähiger. 

E-Mobilität

E-Auto-Batterien: Kleiner werden ist die Zukunft

Dreifache Reichweite im Elektroauto

Gleich mehrere Gründe sprechen laut Theion für die Lithium-Schwefel-Technologie. Zum einen soll die neue Kathode die Kosten deutlich senken – im Gegensatz zu vielen Metallen ist Schwefel oft ein Abfallstoff industrieller Prozesse, wie der Ölverarbeitung, und so preiswert zu beschaffen. „Unser Kathodenmaterial Schwefel kostet nur 20 Cent pro Kilogramm – im Vergleich zu 20 Euro bei Nickel, Mangan und Kobalt, kurz NMC811“, sagt Ulrich Ehmes, CEO von Theion, „mit steigender Tendenz angesichts der aktuellen Metallpreise“. Die Herstellung der Schwefel-Batterien soll obendrein 90 Prozent weniger Energie verbrauchen als bei heutigen Lithium-Ionen-Akkus.

Zum anderen verspricht sich das Start-up mit der Lithium-Schwefel-Batterie enorme Leistungssprünge: „Wir können pro Kilogramm Gewicht drei mal mehr Energie speichern“, sagt Ehmes. Erreichen fortschrittliche Batterien heute eine Energiedichte von rund 300 Wattstunden pro Kilogramm, peilt Theion 1000 Wattstunden an. Auch gemessen am Volumen soll die Batterie viel Energie speichern.

Es wäre, sollte das wirklich klappen, ein Durchbruch für zahlreiche Anwendungen: Elektroautos kämen mit einer Akkuladung drei mal weiter als heute. „Geräte, die heute nur mit Stromkabel betrieben werden können, könnten per Akku laufen“, sagt Ehmes. „Selbst Flugzeuge und Airtaxis könnten mehrere Stunden in der Luft bleiben.“

Ein Versprechen, das Theion-Hauptinvestor und Seriengründer Lukasz Gadowski besonders gereizt haben dürfte. Der Mitgründer des Lieferdienstes Delivery Hero hat mit Autoflight, Archer und Volocopter Anteile an drei Flugtaxi-Start-ups, die als Kunden der erhofften Theion-Akkus in Frage kommen.

Große Batteriewunder haben freilich schon viele Start-ups versprochen – und viele nie eingelöst. Ein Pferdefuß der Schwefelbatterien war bisher ihre geringe Zyklenfestigkeit – die Anzahl der Lade- und Entladevorgänge, bis die Batterie nicht mehr zu gebrauchen ist. „Statt bisher 20 bis 30 Ladezyklen brauchen wir aber mindestens 500 oder über 1000“, sagt Ehmes. 
Genau das soll mit dem Zelldesign und der Prozesstechnologie von Theion gelingen. Im Kleinmaßstab mit 18 Millimeter großen Zellen seien schon angepeilte Zielwerte erreicht worden, sagt Ehmes, ohne Details zu verraten. Ein weiterer wichtiger Meilenstein sei Ende Juli die Herstellung einer großen Kathode in Kristallstruktur gewesen. 

Zuletzt hatten auch andere Forschungsteams von Fortschritten in der Schwefeltechnologie berichtet, etwa im Frühjahr an der australischen Monash University, an der schon länger an Lithium-Schwefel-Batterien geforscht wird. Mit Hilfe einer neuartigen Zwischenschicht wollen die Forscher die Lebensdauer ihrer Batterie gesteigert haben. Hunderte Ladezyklen seien damit nun möglich. Und die Technik könne sogar zwei bis fünf mal so viel Energie pro Kilogramm speichern als heutige Batterien.


Hajeks High Voltage #29

Ausgelaugt oder frisch? Neue Schnelltests für die E-Auto-Batterie geben Auskunft

von Stefan Hajek


Doch das alles sind nur Werte aus dem Labor. „Auf Forschungsebene werden bei der Lithium-Schwefel-Batterie große Fortschritte gemeldet, die in der Praxis aber noch nicht überall angekommen sind“, sagt Martin Winter, Leiter des MEET Batterieforschungszentrums an der Uni Münster. Ein Problem sei noch, dass beim Laden und Entladen große Mengen des flüssigen Elektrolyten, also des Ladungsträgers zwischen den Elektroden, durch Nebenreaktionen verloren gingen.

Feststoffbatterien hätten wiederum das Problem, dass die Elektroden über den Betrieb zyklisch schrumpfen und wachsen. „Dadurch können Risse im Materialverbund entstehen, Elektroden und Elektrolyt verlieren stellenweise den Kontakt.“ Es gebe Versuche, das Problem mit dem Einsatz weicher Polymer-Elektrolyte zu lösen – oder man müsse den Batteriezellenverbund von außen mit hohem Aufwand stark unter Druck setzen. „Das macht dann die Batterie als Gesamtsystem viel teurer“, sagt Winter.

Aufbau einer Gigafabrik

Cromme hält bestehende technische Hürden bei der Theion-Batterie für überwindbar. „Neue Technologien zu entwickeln, birgt immer Risiken“, sagt der Beiratsvorsitzende des Start-ups. „Aber die Zahl der ungelösten Probleme ist bei Theion von Monat zu Monat gesunken.“

Bis Ende des Jahres will das Team nun eine komplette Batteriezelle in voller Größe entwickeln. Für Ende 2024 ist dann im Rahmen der Industrialisierung der Technologie eine erste kleine Produktionslinie geplant. Erste Abnehmer könnten Kunden in Nischenmärkten sein, etwa in der Luft- und Raumfahrt und Musterzellen für die Autoindustrie. Danach ist der Aufbau einer Gigafabrik geplant, um diese Branchen zu beliefern. Grundsätzlich sei es möglich, in großen bestehenden Batteriewerken Anlagenteile zu ersetzen und auf die Technologie von Theion umzurüsten, sagt Ehmes. 

Cromme will sich bei der Professionalisierung der Firma, bei Talentsuche und Finanzierung engagieren. „Mit Sicherheit werden wir viel Geld brauchen“, sagt Cromme. Trotz der schwieriger gewordenen Finanzierungslage für Start-ups gibt er sich optimistisch: „Wenn wir mit der Technologie noch einen Schritt weiter sind, bin ich sicher, dass wir die Mittel finden, die wir brauchen, um den nächsten Schritt zu machen.“

Ausdauer könnte aber nötig sein. „Eine neue Batteriechemie braucht vom Forschungsstadium bis zum massenhaften Einsatz in der Autoindustrie acht bis zehn Jahre Entwicklungszeit“, sagt Batterieexperte Winter. Auf das Elektroauto, das drei mal so lange fährt, müssen Autofahrer also wahrscheinlich noch eine Weile warten. 

Lesen Sie auch: Ausgelaugt oder frisch? Neue Schnelltests für die E-Auto-Batterie geben Auskunft

Mehr zum Thema
Unsere Partner
Anzeige
Stellenmarkt
Die besten Jobs auf Handelsblatt.com
Anzeige
Homeday
Homeday ermittelt Ihren Immobilienwert
Anzeige
IT BOLTWISE
Fachmagazin in Deutschland mit Fokus auf Künstliche Intelligenz und Robotik
Anzeige
Remind.me
Jedes Jahr mehrere hundert Euro Stromkosten sparen – so geht’s
Anzeige
Presseportal
Lesen Sie die News führender Unternehmen!
Anzeige
Bellevue Ferienhaus
Exklusive Urlaubsdomizile zu Top-Preisen
Anzeige
Übersicht
Ratgeber, Rechner, Empfehlungen, Angebotsvergleiche
Anzeige
Finanzvergleich
Die besten Produkte im Überblick
Anzeige
Gutscheine
Mit unseren Gutscheincodes bares Geld sparen
Anzeige
Weiterbildung
Jetzt informieren! Alles rund um das Thema Bildung auf einen Blick