Brennstoffzellenauto Mirai: Selbst das Wasserstoff-Flaggschiff kommt nicht aus der Nische

Mit 63.900 Euro abzüglich der knapp 10.000 Euro Umweltbonus fährt der Mirai kostenmäßig nun in der üblichen Business-Klassen-Liga.
Das Wasserstoffauto profitiert bislang kaum vom europäischen E-Mobil-Boom. Daran wird auch die Neuauflage des Toyota Mirai erst einmal nichts ändern. Doch die Japaner haben ihren langen Atem schon einmal bewiesen. Ab März bietet Toyota die zweite Generation seiner Brennstoffzellenautos auch in Deutschland an. 300 Einheiten pro Jahr sollen an Kunden gehen, vor allem Dienstwagenfahrer mit ökologischem Gewissen haben die Japaner im Visier.
Das Absatzziel klingt bescheiden, ist aber ein gewaltiger Sprung: Vom Vorgänger schaffte es seit 2015 gerade einmal eine niedrige dreistellige Zahl auf deutsche Straßen. Aber auch global soll die Wasserstoff-Reiselimousine vom Super-Exoten mindestens zum erfolgreichen Nischenmodell werden. Rund 100.000 Einheiten will man über die nächsten Jahre verkaufen – zehnmal so viel wie von Generation eins. Das könnte durchaus gelingen, ist die Neuauflage nicht nur technisch und optisch attraktiver geraten, sondern auch billiger geworden. 64.000 Euro kostet das günstigste Modell, rund 15.000 Euro weniger als der Vorgänger.
Allgemein scheinen die Zeiten auf den ersten Blick gut zu sein für das ehrgeizige Vorhaben. Nicht nur in Europa, sondern weltweit gibt es zurzeit einen nie gekannten Wasserstoff-Hype, denn das Gas gilt als der wichtigste Energielieferant einer sauberen Zukunft. Neben Deutschland hat sich vor allem Japan den Wandel von der Erdöl- zur Wasserstoffwirtschaft vorgenommen, will als erstes Land der Welt eine kommerzielle Lieferkette für Wasserstoff in Betrieb nehmen. Toyotas Mirai fährt dabei als Flaggschiff voran; und auch die Olympischen Spiele im Sommer sollen, so sie denn stattfinden, mit zahlreichen Brennstoffzellen-Mobilen im Shuttle-Dienst einen Ausblick auf die emissionsfreie Mobilität von morgen geben.

Eher wie ein Ufo als wie ein Serienauto wirkte Toyotas Wasserstofflimousine Mirai, als es 2014 Premiere feierte. Knapp sieben Jahre später startet nun die zweite Auflage des futuristischen Brennstoffzellen-Mobils. Und die hat einen großen Sprung gemacht – nicht nur, was die Optik angeht.

Musste man bei Generation eins das Design noch mehr oder weniger zähneknirschend akzeptieren, ist es beim neuen Modell gar ein möglicher Kaufgrund. Aus dem exzentrischen Keil mit hohem Heck und weit aufgerissenen Nüstern ist eine wohlproportionierte Fünf-Meter-Limousine mit langer Fronthaube und dynamischer Dachlinie geworden. Der Mirai II hätte auch locker unter dem Logo der Premium-Tochter Lexus vorfahren können – so schick und edel tritt der große Toyota auf.

Auch der Innenraum wirkt deutlich aufgeräumter als bei Generation eins. Zwar gibt es immer noch relativ viele Tasten und Displays, doch die Gestaltung ist ruhiger und vor allem viel gradliniger.

Auch das Platzangebot wirkt nun großzügiger. Ein echter Innenraumriese wird aus der E-Limousine allein aufgrund des Platzbedarfs von Brennstoffzelle und Tanks zwar wohl nicht mehr – aber die Beklemmung aus dem Vorgänger stellt sich trotz der immer noch recht wuchtigen Mittelkonsole und des niedrigen Fond-Dachs nicht mehr ein.

Zudem ist die Limousine nun als Fünfsitzer zugelassen, darf also auch im deutschen Taxi-Dienst eingesetzt werden. Als Flughafen-Shuttle wird er da aber bei voller Besetzung nur bedingt taugen. Denn auch wenn der Kofferraum geräumiger und vor allem weniger zerklüftet wirkt als zuletzt, zählt er immer noch zu den kleineren seiner Klasse. Dazu kommt, dass sich die Rücksitzlehnen nicht zwecks Vergrößerung des Stauabteils umlegen lassen.

Die größten Verbesserungen gibt es beim Antrieb. Weil die Tankkapazität gewachsen und der Verbrauch gleichzeitig um zehn Prozent gesunken ist, schafft der Mirai nun ein Drittel mehr Kilometer am Stück als in der ersten Generation. Genaue Daten nennt Toyota nicht, rund 650 Kilometer dürften es aber sein. Den in den Brennstoffzellen generierten und in einem Akku zwischengespeicherten Strom nutzt ein E-Motor mit 134 kW/182 PS zum Antrieb. Der Neue fühlt sich damit deutlich stärker an als der 110 kW/150 PS starke Vorgänger. Was aber besonders gefällt ist die selbst für Elektroautos überlegene Ruhe, mit der die Limousine beschleunigt. Selbst das typische Turbinengeräusch hat Toyota weit in den Hintergrund gedämmt.

Die zweite entscheidende Verbesserung ist der Preis, der um mehr als 14.000 Euro gesunken ist. Mit 63.900 Euro abzüglich der knapp 10.000 Euro Umweltbonus fährt der Mirai kostenmäßig nun in der üblichen Business-Klassen-Liga. Zudem sind regional möglicherweise weitere Förderungen abrufbar, so dass sich der Toyota dem Vergleich mit Audi A6, BMW 5er oder Mercedes E-Klasse problemlos stellen kann. Dazu kommen die großen E-Auto-Vorteile bei der Dienstwagenbesteuerung, die den Mirai vor allem für Unternehmen interessant macht.

Der aktuell einzige direkte, elektrische Konkurrent, Teslas Model S, kostet ab knapp 77.000 Euro, den etwas kleineren Polestar 2 gibt es ab 54.000 Euro. Bei beiden Modellen dürfte das Laden aber leichter fallen – bundesweit rund 33.000 E-Ladepunkte treffen auf nicht einmal 100 Wasserstoff-Tankstellen.
Unterm Strich ist der Mirai vom Design-Exoten zum Hingucker gereift. Die Technik bleibt ungewöhnlich, ist aber ausgereift und vor allem nicht mehr exorbitant teuer. Wer eine Wasserstofftankstelle in der Nähe hat und etwa sein Unternehmen mit dem Dienstwagen ökologisch gewissenhaft vertreten will, findet im Brennstoffzellen-Toyota ab dem kommenden Jahr eine echte Alternative zu Audi, BMW, Mercedes, Tesla und Co.
Zunächst wird das Gas für Japan allerdings wenig klimafreundlich mit australischem Braunkohlestrom gewonnen. Doch langfristig soll der Wasserstoff emissionsfrei aus Wind- oder Sonnenkraft produziert werden und die Klimabilanz des Landes optimieren.
Auch hierzulande wird das Gas noch häufig aus fossilen Quellen hergestellt. Künftig soll Strom aus Windrädern oder Solarzellen genutzt werde. Darin liegt auch der große Vorteil der flüchtigen Substanz: Es kann überschüssigen Strom für einen spätere Nutzung speichern und transportierbar machen. Gebraucht wird es unter anderem für zahlreiche Industrieprozesse, aber auch für die Energieerzeugung. Sei es zum Befüllen des Stromnetzes oder direkt für den Betrieb von Elektro-Motoren, etwa im Auto.
Die Brennstoffzelle im Pkw ist in der Verwertungshierarchie aber längst nicht Nummer eins, sondern steht in starker Konkurrenz. Nicht nur mit der Industrie, sondern auch mit der Schifffahrt, mit Zügen und Flugzeugen. Auch die Lkw dürften früher in der Lieferkette kommen. Denn anders als bei den Wettbewerbern, gibt es beim E-Pkw eine erprobte andere Möglichkeit zur CO2-Reduzierung – den Betrieb mit Strom aus einer Batterie. Das direkte Vertanken von Öko-Strom ist um einiges effizienter als das vorherige Umwandeln in Wasserstoff, der anschließende Transport zur Tankstelle und das letztendliche Zurückwandeln in elektrische Energie. Aus einer Kilowattstunde Energie lässt sich im Batterie-Auto eine Reichweite 6,44 Kilometern generieren. Beim Brennstoffzellenauto ist es nur gut die Hälfte (3,35 Kilometer). Der Rest sind Wirkungsgradverluste.
Auch Toyota sieht den Pkw nicht am vorderen Ende der Wasserstoff-Nahrungskette. Vor allem Autos für die Stadt oder für die Mittelstrecke sind auch in den Augen der Japaner mit Batterien besser bedient. Auf der Langstrecke sieht das aber möglicherweise anders aus: Das Reichweitenpotenzial von Batterieautos ist beschränkt, das Stromladen dauert viel länger als das Nachtanken von Wasserstoff. Allerdings ist der Vorsprung der Brennstoffzelle zuletzt geschrumpft – einige E-Autos kommen mittlerweile genauso weit wie der neue Mirai, der es in der neuen Generation auf 650 Kilometer bringt.
Und auch das Stromtanken wird zunehmend flotter. Und meist auch einfacher: Denn während das Schnellladenetz rasant ausgebaut wird, wächst das Netz an Wasserstoff-Tankstellen nur sehr langsam. Knapp 90 gibt es aktuell in Deutschland, in ganz Europa sind es keine 140, die meisten davon in Ballungsräumen. Der Langstreckenvorteil der Brennstoffzelle relativiert sich dadurch in der Praxis.
Die Hoffnung für den Brennstoffzellen-Pkw ist der Wasserstoff-Lkw. Denn allein für die paar Hundert Mirai und eine vielleicht ähnliche Zahl des derzeit einzigen anderen H2-Mobils, des Hyundai Nexo, lohnt sich der Ausbau eines Tankstellen-Netzes nicht. Interessant könnte es hingegen für Brennstoffzellen-Trucks im Güterfernverkehr sein. Bei ihnen nämlich ist der Akku im Gegensatz zum Pkw nicht erste Wahl, da er für die nötige Leistung und Reichweite wohl zu schwer, groß und teuer werden würde. Doch bislang ist ungewiss, ob sich die Brennstoffzelle im Straßengüterverkehr durchsetzt. Und auch hier fehlt noch die Zapfsäulen-Infrastruktur.
Auf kurzer Distanz hat das Brennstoffzellenauto das Rennen gegen das Batteriemobil zumindest in Europa bereits verloren, kaum einer der hiesigen Autohersteller verfolgt ernsthafte Pläne zum Serienstart eines Brennstoffzellen-Pkws. Zu den wenigen Ausnahmen zählt Jaguar Land Rover, die zumindest bald mit ersten Prototypen-Tests starten wollen, als Zielmärkte aber vor allem Länder mit schwacher Elektrizitäts-Infrastruktur sehen. Und auch mittelfristig scheinen die Perspektiven in Westeuropa eher überschaubar. Ändern könnte sich das, wenn regenerativ erzeugter Strom im Überfluss vorhanden ist, so dass die Wasserstoff-Mobilität nicht mehr in Konkurrenz zu anderen Verbrauchern des Gases treten müsste – und der geringe Gesamtwirkungsgrad unwichtig wird.
Toyota und auch Hyundai werden die mäßigen Aussichten zunächst wenig stören. Mit Japan und China dürfte es erst einmal zwei große Märkte für zumindest einige tausend Brennstoffzellen-Autos geben. Und falls die Zeit irgendwann reif für mehr ist, sind die Vorreiter dieser Technologie vermutlich besser vorbereitet, als der Wettbewerb.
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