So, vorsichtig, jetzt wird es kurz ein bisschen eng“, sagt Günther Schuh. Um in sein e.Go-Mobil zu klettern, ohne sich den Kopf zu stoßen, muss der Zwei-Meter-Mann sich tief bücken. „Dabei ist der e.Go für einen Kleinwagen schon sehr hoch, fast ein kleiner SUV“, sagt er. In nur zwei Jahren hat der Professor an der Uni Aachen mit Studenten und Partnerfirmen den kleinen Flitzer entwickelt, der jetzt vor ihm steht – vom Reißbrett bis zur Serienproduktion. Es ist ein kleines Wunder: Die etablierte Autoindustrie braucht für so etwas acht Jahre.
Besucher führt Schuh stolz durch seine Werkshalle. Es ist hell und leise – und sauber wie in einer Apotheke. In dem Gebäude auf dem Campus der Uni Aachen werden die Prototypen gebaut. Eine Handvoll Monteure schraubt ruhig und konzentriert an den Autos oder setzt Bauteile zusammen. 11.900 Euro wird der Elektroflitzer nach Abzug der 4000 Euro E-Auto-Kaufprämie kosten; für ihre rein batteriebetriebenen Kleinwagen verlangen VW, Opel oder Smart etwa das Dreifache. Die Produktion des e.Go wird Anfang 2018 starten, 700 Bestellungen für den Kleinwagen hat Schuh jetzt schon.
Schuh ist das passiert, was man in der Branche bisher nur von Tesla-Erfinder Elon Musk kennt. Das Interesse sei „viel größer“, als es in seinen Berechnungen je vorgesehen war. „Es gibt einen riesigen Markt für emissionsfreien Autoverkehr in Städten, den die Branche lange nicht gesehen hat“, sagt er.
Technische Hintergründe zu Akkus
Eine Batterie hat die Aufgabe, beim Aufladen möglichst viele Elektronen aufzunehmen und diese mit möglichst wenigen Verlusten zu speichern. Beim Entladen gibt sie die Elektronen dann wieder ab, um mit diesem Strom zum Beispiel einen Elektromotor oder ein Handy zu betreiben.
Im Akku übernehmen die sogenannten Lithium-Ionen diese Speicheraufgabe: Diesen Atomen fehlt ein Elektron. Daher sind sie elektrisch positiv geladen. Beim Aufladen strömen negativ geladene Elektronen in den Akku und sammeln sich in einem dichten Geflecht aus dem leitfähigen Kohlenstoff Graphit. Dorthin wandern dann auch die positiv geladenen Lithium-Ionen. Jedes von ihnen bindet ein Elektron – man könnte auch sagen, dass jedes Ion ein Elektron festhält, um die Ladungsneutralität zu gewährleisten. Beim Entladen des Akkus verlassen die Elektronen das Graphit nach und nach wieder. Damit wandern auch die positiv geladenen Lithium-Ionen aus dem Graphit-Netzwerk heraus. Später kann der Ladezyklus dann von neuem beginnen.
Je mehr Lithium-Ionen in einen Akku hineinpassen, umso mehr Elektronen und damit Energie können auf gleichem Raum gespeichert werden. Daher arbeitet Bosch schon länger unter anderem daran, den Graphit-Anteil zu reduzieren oder ganz auf das Graphit zu verzichten. Dies würde die Energiedichte des Akkus deutlich steigern. Das scheint jetzt dem Start-up Seeo, das Bosch gekauft hat, gelungen zu sein.
Dabei hatte Schuh nie die Absicht, Autohersteller zu werden. Er forscht an der Optimierung industrieller Prozesse. Aber er ist auf eine Marktlücke gestoßen, die ihn beim Tüftlerehrgeiz gepackt hat.
Schuh ist der Mann, der auch den elektrischen Lieferwagen StreetScooter erfunden hat. Der hat es zu einiger Berühmtheit gebracht, seit die Deutsche Post Schuhs dahinterstehende Firma aufgekauft hat und damit ihre langjährigen Lieferanten wie VW vorführt. Mit seinem nächsten Coup, dem elektrischen Kleinwagen, will Schuh nun endgültig beweisen, dass man im Hochlohnland Deutschland E-Autos bauen kann, die alltagstauglich und erschwinglich sind.
Er ist nicht allein: In Deutschland ist eine Graswurzelbewegung der E-Mobilität entstanden, die sich die Apathie von VW und Co. nicht länger gefallen lassen will. Schuh, der Mann im Anzug und Lackschuhen in der Werkshalle, ist ihr Elon Musk. Nur dass seine Kunden keine Techmillionäre aus dem Silicon Valley sind, sondern Pflegedienste, Kurierfahrer, Handwerker aus Stuttgart, München oder Essen. Sie sind durch die in vielen deutschen Städten drohenden Dieselfahrverbote in ihrer Existenz bedroht, denn es gibt in Europa kaum Benzinlieferautos.
Die Elektropioniere organisieren sich selbst, sie improvisieren, sie tüfteln – und geben dem E-Auto-Markt den Auftrieb, den die Großen nicht hinbekommen haben: Man muss es nur ganz anders angehen, als die alte Industrie es vormacht. Und mit anderen Kunden beginnen.
Elektroautos im Kostenvergleich
Modell | Kraftstoff | Grundpreis | Kosten pro Monat | Kosten pro Kilometer |
BMW i3 | Strom | 36.150 Euro | 598 Euro | 47,8 Cent |
Mini Cooper S | Super Plus | 26.600 Euro | 542 Euro | 43,4 Cent |
Mini Cooper SD | Diesel | 28.300 Euro | 519 Euro | 41,5 Cent |
Quelle: ADAC
Modell | Kraftstoff | Grundpreis | Kosten pro Monat | Kosten pro Kilometer |
Citroën C-Zero | Strom | 19.800 Euro | 433 Euro | 34,6 Cent |
Citroën C1 Vti 68 | Super | 13.900 Euro | 388 Euro | 31,0 Cent |
Modell | Kraftstoff | Grundpreis | Kosten pro Monat | Kosten pro Kilometer |
Ford Focus Electric | Strom | 34.900 Euro | 665 Euro | 53,2 Cent |
Ford Focus 1.5 EcoBoost | Super | 25.500 Euro | 618 Euro | 49,4 Cent |
Ford Focus 2.0 TDCi | Diesel | 28.100 Euro | 623 Euro | 49,8 Cent |
Modell | Kraftstoff | Grundpreis | Kosten pro Monat | Kosten pro Kilometer |
Hyundai IONIQ Elektro | Strom | 33.300 Euro | 587 Euro | 47,0 Cent |
Hyundai i30 1.6 GDI | Super | 22.630 Euro | 562 Euro | 45,0 Cent |
Hyundai i30 1.6 CRDi blue | Diesel | 24.030 Euro | 548 Euro | 43,8 Cent |
Modell | Kraftstoff | Grundpreis | Kosten pro Monat | Kosten pro Kilometer |
Kia Soul EV | Strom | 28.890 Euro | 526 Euro | 42,1 Cent |
Kia Soul 1.6 GDI | Super | 19.990 Euro | 529 Euro | 42,3 Cent |
Kia Soul 1.6 CRDi | Diesel | 23.490 Euro | 539 Euro | 43,1 Cent |
Modell | Kraftstoff | Grundpreis | Kosten pro Monat | Kosten pro Kilometer |
Mercedes-Benz B250e | Strom | 39.151 Euro | 713 Euro | 57,0 Cent |
Mercedes-Benz B220 4Matic | Super | 34.076 Euro | 773 Euro | 61,8 Cent |
Mercedes-Benz B220d | Diesel | 36.521 Euro | 728 Euro | 58,2 Cent |
Modell | Kraftstoff | Grundpreis | Kosten pro Monat | Kosten pro Kilometer |
Nissan Leaf | Strom | 34.385 Euro | 632 Euro | 50,6 Cent |
Nissan Pulsar 1.2 DIG-T | Super | 22.290 Euro | 574 Euro | 45,9 Cent |
Nissan Pulsar 1.5 dCi | Diesel | 22.690 Euro | 535 Euro | 42,8 Cent |
Modell | Kraftstoff | Grundpreis | Kosten pro Monat | Kosten pro Kilometer |
Renault Zoë | Strom | 34.700 Euro | 580 Euro | 46,4 Cent |
Renault Clio TCe 90 | Super | 16.790 Euro | 433 Euro | 34,6 Cent |
Renault Clio dCi 90 | Diesel | 20.290 Euro | 454 Euro | 36,3 Cent |
Modell | Kraftstoff | Grundpreis | Kosten pro Monat | Kosten pro Kilometer |
Tesla Model S 60 | Strom | 71.020 Euro | 1206 Euro | 96,5 Cent |
Mercedes-Benz CLS 400 | Super | 63.427 Euro | 1198 Euro | 95,8 Cent |
Mercedes-Benz CLS 350d | Diesel | 62.178 Euro | 1156 Euro | 92,5 Cent |
Hinweis: Da Tesla selbst keine Autos mit Diesel- oder Benzinmotor verkauft, hat der ADAC zum Vergleich den Mercedes-Benz CLS herangezogen.
Modell | Kraftstoff | Grundpreis | Kosten pro Monat | Kosten pro Kilometer |
VW e-up! | Strom | 26.900 Euro | 472 Euro | 37,8 Cent |
VW up! 1.0 | Super | 14.255 Euro | 375 Euro | 30,0 Cent |
Schon bald drohen Fahrverbote für Dieselautos in Stuttgart, München und 14 weiteren Städten. Am 2. August treffen sich die Topmanager der Autokonzerne zu einem hektisch von Verkehrs- und Umweltministerium einberufenen „Dieselgipfel“ in Berlin. „Ziel ist es, wirksame Maßnahmen zur Reduzierung der Schadstoffemissionen bei Diesel-Pkws zu erreichen“, heißt es dazu aus dem Verkehrsministerium.
Für solche Wortbaustellen hatte Schuh nie Zeit. Bereits 2009 entwickelte er, ebenfalls mit Studenten, den StreetScooter, den ersten rein elektrischen Lieferwagen. „So etwas kann man bis heute von der Industrie nicht kaufen“, sagt er. Die Post war davon so begeistert, dass sie ihm erst 14.000 E-Lkws abkaufte und dann gleich das ganze Unternehmen. „Einen E-Lkw auf Basis eines herkömmlichen Verbrennermodells zu bauen ist technisch kein Problem“, sagt Schuh. Jeder Autobauer könne das, auch jeder große Auftragsfertiger. Nur: „Deren E-Autos wären viel zu teuer“, sagt Schuh, „das liegt an der Art, wie die Autoindustrie produziert.“