Klimabilanz von Diesel und Elektromotoren Die fünf wichtigsten Kritikpunkte an der Sinn-Studie

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Wie lange hält der Akku?

Die dritte wichtige Variable ist die Lebensdauer des Akkus. Sicher: Gäbe der schon nach wenigen Jahren den Geist auf und müsste er ausgetauscht werden, würde sich die Gesamtbilanz des E-Autos wiederum verschlechtern. Sinn setzt für seine Berechnung nun eine Gesamtlaufleistung von 150.000 Kilometern für den Tesla an. Er stützt sich dabei auf Daten aus anderen Studien, etwa der Agora Verkehrswende, die ähnliche Lebensdauern veranschlagen.

Dabei unterläuft den Autoren derselbe Fehler wie bei den Normverbräuchen und der Akkuherstellung: Sie schließen aus Durchschnittswerten großer Datensamples (Metastudien), die durch von mehrheitlich älteren und kleineren Akkus beeinflusst sind, auf den konkreten Tesla. Tesla gewährt jedoch bereits mehr Garantie als die von Sinn angenommenen 150.000 Kilometer, nämlich 192.000 Kilometer. Es liegen zudem empirische Daten vor, die Laufleistungen von bis zu 600.000, einzelne Ausreißer sogar von bis zu 700.000 Kilometern mit einem Tesla-Akku ausweisen.

Anders als Sinn und Buchal es tun, kann man bei einem Akku die Lebensdauer nicht in Kilometern ansetzen. Entscheidend ist die Zahl der Ladezyklen: Wie oft kann man den Akku be- und entladen, bevor er kaputt geht. Was die Zelle stresst und altern lässt, sind nicht gefahrene Kilometer, sondern neben der Hitze beim Schnellladen vor allem hohe Stromstärken innerhalb einer Zelle (Ampere); diese entstehen, wenn viele Elektronen in kurzer Zeit von Anode zu Kathode wandern oder zurück, also beim Schnellfahren und wiederum Schnellladen.

Ebenfalls nicht förderlich für die Lebensdauer der Zellen sind häufige Komplett-Entladungen. Die von Sinn zitierte „umfangreiche Übersichtsstudie“ argumentiert aber auf Zellebene, im Gesamtakku (im Tesla hier 4400 Zellen) schützt jedoch die Batteriemanagement-Software- und die Leistungselektronik in modernen E-Autos die Zellen vor solchen kompletten Entladungen, weil sie die Ströme auf die vielen Zellen verteilt. Ebenso können einzelne defekte Module (im Tesla ja 24 bis 28 Zellen) auch getauscht werden, der gesamte Akku ist deswegen noch lange kein Ersatzfall.

Weil der Tesla mit einer Batterieladung 500 Kilometer Reichweite schafft, würden die von Sinn angenommenen 150.000 Kilometer Lebensdauer nur 300 Ladezyklen entsprechen. Der WirtschaftsWoche liegen aber glaubhafte Laboranalysen vor, in denen die 21700er Zellen von Panasonic im Tesla bis zu 3000 Zyklen schafften. Schon die konservativ angenommenen 1300 Zyklen, die Sinn zitiert, ergäben eine Lebensdauer von rund 520.000 Kilometern.

Hinzu kommt: Der Tesla hat einen sehr großen Akku, den Sinn unter anderem deswegen gewählt hat, weil er einen, seiner Darstellung folgend, realistischen CO2-Abdruck für ein schnelles, „windschnittiges“ E-Auto berechnen wollte (großer Akku = viel CO2 in der Herstellung). Große Akkus mit vielen Zellen (im Model 3 rund 4400 Zellen) haben aber nicht nur Nachteile, sondern auch einen erheblichen Vorteil gegenüber kleineren: eine viel höhere Lebensdauer als kleine Akkus mit weniger Li. Ion-Zellen, weil sie für die gleiche Laufleistung nicht so oft geleert werden.

Sinn schreibt in seiner Replik auf die Kritik seiner Annahmen zur Lebensdauer des Akkus: „Realistisch sind (…), weil es häufig pressiert, schnelle Ladevorgänge mit hoher Ladeleistung, die die Kapazität verringern, weil die Wärme den Batterien zusetzt.“

Das wiederum ist nicht mit der Statistik in Einklang zu bringen, wonach Pkws in Deutschland 23 Stunden am Tag parken und nur 38 Kilometer weit bewegt werden.

Tatsächlich sind nach Angaben von Tesla je nach Land nur 5 bis 10 Prozent der Ladevorgänge Schnellladungen, E-Autos anderer Hersteller sind größtenteils noch gar nicht schnellladefähig oder das Netz aus für sie passenden Schnellladesäulen ist noch dünn. „Die allermeisten Ladevorgänge geschehen mit nur 11 Kilowatt Ladeleistung nachts in der Garage, die zweitmeisten tagsüber am Arbeitsplatz“, sagt Klaus Baumgärtner, Chef einer Unternehmensberatung, deren 34 Tesla im Außendienst seit Ende 2014 inzwischen zusammen 4 Millionen Kilometer gefahren sind.

Die Lebensdauer des Tesla-Akku ist damit viel zu gering kalkuliert.

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