Restwerte von E-Autos „Was älter und kein Tesla ist, steht oft monatelang im Hof“

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Tesla Model 3 am stabilsten

Wenn diese Modelle dann in drei oder vier Jahren auf den Gebrauchtmarkt kommen, können sich die heutigen Käufer über sehr wertstabile Autos freuen, glauben die Experten von Schwacke. Darauf deuteten schon die aktuellen Preise der Jahreswagen hin. So kostet ein Tesla Model 3, das ein Jahr alt ist, im August 2020 laut Schwacke mit durchschnittlich 44.900 immer noch 79,6 Prozent seines Neupreises – trotz auch in diesem Segment höherer staatlicher Kaufprämie für neue Model 3. Damit ist der elektrische Tesla viel wertstabiler als ein etwa gleich teurer Benziner in seinem Segment: Der BMW 330 i kostet ein Jahr alt noch 71 Prozent seines Neupreises. Ein Audi A4 S Tfsi 68 Prozent. „Das sind sehr hohe Restwerte beim Tesla, denn die beiden Verbrenner im Vergleich sind ebenfalls Autos mit eher geringem Wertverlust“, schreiben die Analysten von Schwacke. Etwas stärker, aber immer noch geringer als bei vergleichbaren Verbrenner-Modellen, ist der Wertverlust bei den E-Autos der Konkurrenz: Ein BMW i3 bringt nach einem Jahr noch 66,8, der Audi eTron 76,6 Prozent seines Neupreises.

Unternehmen wie Schwacke und Bähr & Fess analytics erstellen auch Restwertprognosen. Diese sind besonders für Leasingfirmen wichtig, die unter anderem darauf ihre monatlichen Raten kalkulieren. Schwacke hat die Prognosen für fünf heute neuen E-Autos in 36 Monaten erstellt; Berechnungsgrundlage waren 20.000 Kilometer pro Jahr.

Der eTron von heute wird demnach in drei Jahren im Schnitt noch 48,1 Prozent seines Neupreises kosten, ein VW ID.3 45 Prozent, der BMW i3 41, ein Polestar 2 52 Prozent und ein Renault ZOE 38. Sieger ist erneut das Model 3 mit einem Wiederverkaufswert von 54,3 Prozent nach drei Jahren bei 60.000 Kilometern.

Wie lange hält der Akku?

Das liegt zum Teil daran, dass Tesla bereits seit 2013 auf dem Markt ist und es viele empirische Daten über die Qualität seiner Akkus gibt. Hansjörg von Gemmingen etwa, ein passionierter E-Auto-Fahrer und in Fachkreisen als Kilometerfresser bekannt, ist aktuell bereits 600.000 Kilometer mit ein und demselben Akku unterwegs. In den USA veröffentlichen zudem Tausende von Tesla-Fahrern den Zustand ihrer Akkus (gemessen in Prozent der Neu-Kapazitäten) regelmäßig in einem öffentlich zugänglichen Excel-Sheet. Demnach haben die meisten nach fünf Jahren und 100.000 Kilometern noch rund 84 Prozent der ursprünglichen Reichweite. Auch im Labor kann man die voraussichtliche Lebensdauer einer neuen Batteriezelle und damit des Akkus gut prognostizieren. Die Ergebnisse lassen auf mehr als 2000 komplette Lade-Zyklen und damit Hunderttausende Kilometer Lebensdauer schließen. 

Immer noch setzen einige Studien die Lebenserwartung der Akkus neuer E-Autos mit 150.000 Kilometern viel zu niedrig an. Der Wert stammt aus teilweise Jahrzehnte alter Literatur und wurde damals als Richtwert für die wirtschaftliche Lebensdauer von Benzinern verwendet. „Dennoch ist die Unsicherheit zur Lebensdauer der Akkus für viele Gebrauchtwagenkunden noch immer ein großes Hindernis“, sagt von Alpen von Publicis Sapient. Empirische Daten von Privatleuten und Labortests seien ja schön und gut, „aber hier würde es helfen, wenn die Hersteller oder die Gebrauchtwagenhändler die Akkus der Gebrauchten von unabhängigen Dritten testen und zertifizieren lassen könnten.“ Genau daran arbeitet das Münchner Start-up Twaice derzeit zusammen mit dem TÜV Rheinland. „Wer ein Verbrenner-Auto nach Scheckheft pflegt, hat beim Weiterverkauf starke Argumente. Die entscheidenden mechanischen Bestandteile des Wagens sind dann in einem halbwegs nachvollziehbaren Zustand“, sagt Twaice-Manager Sebastian Becker. Für Elektrofahrzeuge, bei denen die Batterie das wichtigste Bauteil ist, gebe es derzeit noch keine individuellen herstellerunabhängigen Informationen.

Twaice und der TÜV wollen eine spezielle Software in diversen E-Modellen installieren. Algorithmen werden dann überwachen, wie das Auto gefahren und vor allem geladen wird. Für die Lebensdauer ist es zum Beispiel nicht egal, ob ein Akku ständig an Schnellladesäulen oder zu Hause mit weniger starken elektrischen Leistungen geladen wird. Noch wichtiger ist, ob ein Lithium-Ionen-Akku sehr häufig ganz leer gefahren wird oder ob er meist rechtzeitig nachgeladen wird, so lange noch ein kleiner Rest Strom vorhanden ist. Unter anderem solche Parameter soll die Software erfassen und auswerten. Daraus will Twaice ein von den Garantieversprechen der Hersteller unabhängiges Batterielabel schaffen, auf das sich dann zum Beispiel Verkäufer, Händler und Gutachter stützen können. Gäbe es so etwas heute schon, hätte das sicherlich auch Markus Oswald seine Entscheidung erleichtert.

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