Restwerte von E-Autos „Was älter und kein Tesla ist, steht oft monatelang im Hof“

Kein Tesla? Keine Verwendung. Quelle: imago images

Verfällt der Wiederverkaufswert von Elektroautos schneller als der von Benzinern und Dieseln? Das kommt vor allem darauf an, welches Modell man sich aussucht.

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Markus Oswald war eigentlich schon „durch mit seiner Entscheidungsfindung“, erzählt der 55-Jährige. Erstmals sollte es ein E-Auto sein. Dann traf er am Wochenende den Mann einer alten Freundin, der einen Gebrauchtwagenhandel betreibt. „Kauf dir bloß kein Elektroauto“, warnte ihn der, „die stehen bei uns am Hof wie Blei.“ Nun ist Oswald wieder verunsichert. Er sucht Rat. Den zu finden, ist alles andere als einfach. 

Die WirtschaftsWoche hat bei den führenden Experten für Restwerte von Gebrauchtwagen ausführlich nachgehakt: Was ist dran an der Behauptung des Händlers?

„Der Markt für Elektroautos hat einige Besonderheiten, die so für die Verbrennerwelt nicht gelten“, sagt Maarten Baljet von der Restwerte-Prognosefirma Bähr & Fess Analytics. Die wichtigste ist der rasante technische Fortschritt der vergangenen Jahre bei den Stromern. „Neue E-Autos haben dadurch zum Beispiel fast immer eine deutlich höhere Reichweite als drei oder vier Jahre alte Autos desselben Modells“, sagt Baljet. Auch die Qualität – und damit die Lebensdauer – der Batterie ist bei neuen Modellen tendenziell besser geworden. Die neuen Modelle sind aber meist nicht teurer, als es die technisch veralteten Modelle als Neuwagen waren.

„Das drückt natürlich enorm auf die Preise solcher Gebrauchter“, beobachtet auch Mathias von Alten, der bei der Unternehmensberatung Publicis Sapient den Markt für Gebrauchtwagen analysiert. So habe zum Beispiel ein drei Jahre alter e-Golf oder BMW i3 oft nur 180 Kilometer realistische Reichweite, ein jeweils neuer mehr als das Doppelte. „Das gibt es in der Benziner- und Dieselwelt so nicht“, sagt von Alten. „Dort ist ein drei Jahre alter BMW 3er technisch fast noch dasselbe Auto wie ein neuer.“ Ganz Unrecht habe der mahnende Gebrauchtwagenhändler also nicht, meint von Alten. „Der Verkauf gebrauchter E-Autos ist für die Händler derzeit alles andere als ein Selbstläufer; alles, was älter als zwei Jahre und kein Tesla ist, steht oft monatelang am Hof.“

Kaufprämie macht alte E-Autos zu Ladenhütern

Denn es kommt noch ein zweites Problem dazu: „Der Markt für Gebrauchtwagen ist derzeit ohnehin schwierig wegen der hohen Rabatte auf neue Autos, die die Hersteller gewähren, um den Verkauf in der Coronakrise wieder anzukurbeln“, sagt von Alten. „Das gilt für Elektroautos nochmals verschärft.“ Die auf bis zu 9000 Euro Kaufprämie deutlich erhöhte staatliche Förderung für neue E-Autos mache gerade bei den kleinen Gebraucht-Modellen, die damals ohne solche hohen Anreize gekauft wurden, die Restwerte „natürlich kaputt“, sagt von Alten.

So kostet zum Beispiel eine neue Renault ZOE derzeit dank der 10.000 Euro Kaufprämie (6000 Euro vom Staat und 4000 von Renault) nur noch 19.900 Euro. Für ein Auto, das reichlich Platz für vier Personen und laut ADAC Ökotest immerhin 355 Kilometer echte Reichweite bietet, ist das ein attraktiver Preis. Eine einjährige gebrauchte ZOE wird laut dem führenden Datensammler für den Gebrauchtwagenmarkt, Schwacke, derzeit im Schnitt mit 17.250 Euro nur unwesentlich günstiger angeboten. Kein Wunder also, dass die Besitzer Probleme haben, Käufer für ihre gebrauchten ZOE zu finden. Zumal sie selbst deutlich mehr zahlen mussten, als sie sich die ZOE vor einem Jahr als Neuwagen anschafften. Damals gab es nur 4000 Euro Kaufprämie. Dieses Dilemma gilt im Kern für alle Elektroautos. Laut Baljet von Bähr & Fess Forecasts kostet ein drei Jahre alter BMWi i3 94 Ah mit 45.000 Kilometern auf dem Tacho derzeit nur noch die Hälfte seines Neupreises. In Euro sind das 18.000 Euro Wertverlust. Ein genau so alter und weit gefahrener Kia Soul kostet gar nur noch 40 Prozent des Neupreises von vor drei Jahren.



Ausnahme: Tesla. Tesla gewährt nach wie vor keinerlei Rabatte auf seine Neuwagen. Wer dort nach zusätzlichen Preisnachlässen jenseits des Herstelleranteils an der staatlichen Kaufprämie fragt, bekommt in der Regel zu hören, dass Rabatt eine Stadt in Marokko sei. Auch seien Tesla-Gebrauchtwagenkäufer weniger penibel, was kleinere Macken wie Lackkratzer betrifft. „Die wollen meist einfach solch ein Auto“, beobachtet von Alten. Und: Die Akkutechnik und damit die Reichweite der Tesla war bereits vor zwei, drei und sogar fünf Jahren besser als die der damaligen Konkurrenzmodelle. Entsprechend ist sie im Vergleich zu neuen Tesla auch nicht so dramatisch veraltet.

Die Restwerte der E-Autos steigen

Ganz anders als bei technisch überholten Gebrauchten sieht es auch mit den Prognosen für die heute neuen Stromer aus. Die aktuelle Phase der schnellen technischen Alterung und vor allem der hohen Förderung wird in zwei oder drei Jahren überwunden sein. „Langfristig werden die Restwerte der E-Autos sogar stabiler sein als die vergleichbarer Verbrenner,“ sagt Baljet. Grund dafür sei unter anderem die weiter steigende Reichweite bei perspektivisch zurückgehenden Neuwagenpreisen. Weil die Stromer weniger Energiekosten verursachen, einen geringen Wartungsbedarf haben und niedriger besteuert werden, entwickeln sie sich laut Baljet zu einer aus Gesamtkostensicht überaus interessanten Alternative zu Verbrennern.

Das bestätigen die Restwertprognosen von Schwacke, die die WirtschaftsWoche exklusiv einsehen durfte. Noch ist die Datenlage zwar etwas dünn, denn der Markt für gebrauchte E-Autos ist noch klein. Sie machen derzeit nur 0,6 Prozent des Gebrauchtwagenmarktes aus, hat von Alten von Publicis ermittelt. Viele populäre Modelle sind noch zu neu: beispielsweise gibt es noch keine drei Jahre alten Tesla Model 3, Mercedes EQC, Polestar 2, Hyundai Kona e oder Audi eTron. Aber das wird sich schnell ändern. Zuletzt (erstes Halbjahr 2020) waren bereits rund elf Prozent der Neuzulassungen Elektroautos.

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