Schöne neue Solarwelt
Fotovoltaik wird zum Milliardengrab. Pleitewelle erfasst Modulhersteller. Handelskrieg mit China. Die Schlagzeilen könnten schlechter kaum sein. Eben noch als Zukunftstechnik bejubelt, gilt die Fotovoltaikindustrie nun als Totengräber der Energiewende.
Tatsächlich steckt die Solarbranche in ihrer größten Krise. Das Modulangebot ist doppelt so hoch, wie der Markt nachfragt. Die Hersteller verschleudern ihre Ware unter Produktionskosten. Zudem sei der Ausbau der Fotovoltaik zu teuer, wettern Politiker und Ökonomen, zu ineffizient die Technik, zu unsozial die Förderung.





Das ist alles richtig. Und falsch zugleich. Denn was da ausgefochten wird, sind Debatten von gestern. Während Politik und Verbände immer aufs Neue über die Einspeisevergütungen streiten, ist die Solartechnik längst einen Schritt weiter: Sie steht vor ihrem eigentlichen Durchbruch.
Schon heute kostet Sonnenstrom vom Dach in 102 Ländern weniger als der Strom vom Versorger – auch in Deutschland. Große Solarkraftwerke in den USA liefern Energie sogar bereits ab umgerechnet 6,4 Cent pro Kilowattstunde – fast so preiswert wie Kohlekraftwerke. Und die Kosten für Solar sinken weiter.
Möglich macht das ein atemberaubender Innovations- und Technologieschub: Er bahnt den Weg dafür, dass sich die mit einem Marktanteil von 85 Prozent heute dominanten Siliziummodule auch ohne staatliche Förderung verkaufen lassen. Zugleich erschließen sich bald ganz neue Anwendungen, die gestern noch utopisch erschienen. So haben Forscher Solarzellen entwickelt, die sie wie Farbe auf Glas sprühen, auf Stahl lackieren oder auf Papier drucken. Es entstehen völlig neue Kleinstkraftwerke: Balkonbrüstungen, Fenster oder Vorhänge, die Strom erzeugen und in die Steckdose speisen.
Damit wird die Technik bald allgegenwärtig. Analysten der Schweizer Großbank UBS sprechen bereits von einer Revolution des subventionsfreien Sonnenstroms. Sie gehen davon aus, dass Hausbesitzer und Unternehmen in wenigen Jahren geradezu gezwungen sind, eine Fotovoltaikanlage zu installieren – weil der Strom vom Dach viel preiswerter wird als der aus der Steckdose. Und mit Batteriespeichern im Keller, die die Solarenergie für den Abend speichern, wird es sogar noch lukrativer, seinen eigenen Strom zu produzieren. Mit der Folge, dass Subventionen in den Ausbau komplett wegfallen können.
Zugleich erfasst das Fotovoltaikfieber nicht nur wohlhabende Hausbesitzer mit genügend Dachfläche. Auch Mehrfamilienhäuser und Bürotürme werden mit Balkon-Panels oder Strom erzeugenden Fassaden zu Kraftwerken. Jeder kann künftig Sonnenenergie gewinnen – und sich die Installation der neuartigen Fotovoltaiksysteme, die künftig gar als Strom-Rollo oder energieliefernde Fensterfolie daherkommen, wohl auch leisten.
Kennzahlen zu Solarstrom
Fotovoltaik sind weltweit am Netz.
kommen allein 2017 dazu.
weniger Kohle- und Gasstrom werden in sieben Jahren nachgefragt.
Stromkosten sparen Solarstromerzeuger im Jahr 2020.
kostet dann die Kilowattstunde.
Das wird den Zubau an Solarsystemen noch weit stärker beschleunigen, als es jede staatliche Subvention vorher konnte. Heute sind weltweit mehr als 100.000 Megawatt Solaranlagen installiert, schätzt die Internationale Energieagentur – das entspricht in etwa der Leistung von 100 großen Atomkraftwerken. Und allein im Jahr 2017 sollen Prognosen zufolge rund 50.000 Megawatt dazukommen. Schon drängt sich die Frage auf: Wohin eines Tages mit all dem Sonnenstrom?
Solarenergie wird für viele Verbraucher zum neuen Billigstrom – und die Welt steht vor einer Sonnenwende. Welche Techniken sie befeuern, wie das die Märkte verändern wird und wie preiswert Sonnenstrom wirklich wird, lesen Sie auf den folgenden Seiten.