Höhere Dämme, das Anpflanzen von Küsten schützenden Wäldern und bessere Vorhersagen machen den Klimawandel beherrschbar.
Manhattan ohne Strom, von Wassermassen überschwemmte Subway-Tunnel und Zehntausende Menschen auf der Flucht: Es waren die Folgen von Hurrikan Sandy, angesichts derer der New Yorker Bürgermeister Michael Bloomberg Anfang November Taten forderte: „Das Klima verändert sich, und alle Regierenden im Land müssen umgehend handeln.“
Zwar hat der Klimawandel Sandy nicht ausgelöst – aber verstärkt, wie Wissenschaftler glauben. Das wird künftig immer häufiger passieren. Damit drohen der Welt heftigere Überflutungen, zudem Hitzewellen und Dürren mit gravierenden Folgen für Städte, Ernährung, Gesundheit und Billionen Euro Kosten für die Wirtschaft.
Investitionen zahlen sich aus
Trotz der düsteren Aussichten haben Forscher und Politiker „Anpassungen an den Klimawandel in ihren Planungen lange Zeit nicht berücksichtigt“, sagt Andreas Marx vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Leipzig. Das ändert sich gerade. So sollen in wenigen Jahren zwei insgesamt 17 Milliarden Dollar teure, verschließbare Seemauern New York vor Überschwemmungen schützen.
Folgen des Klimawandels in Deutschland
Zwischen 1901 und 1910 lag die Jahresmitteltemperatur in Deutschland je nach Region zwischen 7 und 12 Grad, zu den wärmsten Gegenden zählten der Oberrheingraben und das Kölner Becken. Bis zum Vergleichsjahrzehnt 2001 bis 2010 stiegen die Temperaturen je nach Region zwischen 0,25 und 2 Grad. Besonders sichtbar sind diese Sprünge in Teilen von Brandenburg und Sachsen-Anhalt, aber auch in Teilregionen von Hessen und Bayern. Nur in einem schmalen Korridor zwischen Kiel, Hamburg und Hannover blieb es kühler. Auf der Basis dieser Werte rechnen die Forscher zwischen 2011 und 2100 mit einem weiteren Anstieg der Werte um 3,6 bis 4 Grad - je nach Region. Das ist die Grundlage für die Berechnung der Szenarien für einzelne Regionen. Die Einzelergebnisse für jeden Landkreis werden aber erst Anfang Dezember veröffentlicht.
Die Wasserressourcen fallen in den kommenden Jahrzehnten je nach Region sehr unterschiedlich aus. So haben Modellberechnungen für die Ems ergeben, dass sie eher mehr Wasser führen wird als heute - außer im Sommer. Ganz anders sieht es für die Elbe aus. In ihrem Einzugsgebiet gibt es nach den Szenarien weniger Wasser, weil es im Sommer seltener regnet und durch die Hitze auch mehr Wasser verdunstet. Die Schneeschmelze im Winter kann die Gesamtbilanz nicht mehr ausgleichen. Extreme Niederschläge im Winter steigern aber gleichzeitig das Hochwasserrisiko. Wassermangel in Flüssen hat nicht nur Folgen für Flora und Fauna. Auch die Schifffahrt kann beeinträchtigt werden. Mit großer Knappheit wird im Leipziger Becken, im Oderbruch, Sachsen-Anhalt und in der Oberrheinebene gerechnet.
Mehr Wärme könnte die Vegetationsperiode der Bäume verlängern. Das führt erst einmal zu positiven Effekten: Wälder könnten mehr schädliches Kohlendioxid aus der Luft filtern. Und die Forstwirtschaft hat durch das Wachstum etwas mehr Holz zur Verfügung. Diese Pluspunkte könnten aber durch die größere Trockenheit gleich wieder schwinden. Denn sie stresst die Wälder und macht Bäume anfälliger für Schädlinge und Krankheiten. Dazu steigt zum Beispiel in Brandenburg die Waldbrandgefahr um 16 Prozent. Buchen gelten als Verlierer der Entwicklung, Kiefern zählen eher zu den Gewinnern. Für die Zukunft empfehlen die Forscher die Pflanzung von Mischwäldern - um mögliche Ausfälle einer Baumart ausgleichen zu können.
Die gute Nachricht lautet, dass ein Rückgang der Produktion eher unwahrscheinlich ist. Denn die Vegetationszeit verlängert sich durch mehr Wärme, Winterkulturen profitieren davon. Im Sommer lassen sich trockenere Böden von Jahr zu Jahr durch Spielräume bei Fruchtarten, Sortenwahl und Düngung kompensieren. Ein Problem aber wird in einigen Regionen häufiger Wassermangel durch zu wenig Regen im Sommer. Das trifft vor allem Mais und andere Sommerkulturen, weil sie früh beim Wachstum gehemmt werden. Hier können Investitionen wie zum Beispiel in Rückhaltebecken oder künstliche Bewässerung ins Geld gehen. Ein Umdenken ist auch bei Drainagen gefragt - denn dadurch geht Grundwasser verloren.
Im Sommer wird die Hitze das Flusswasser in einigen Regionen wahrscheinlich so erwärmen, dass es nicht mehr als Kühlwasser für Kraftwerke verwendet werden kann. Sie müssten zeitweise abgeschaltet werden. Auch bei Wasserkraftwerken ist wegen weniger Wasserdruck im Sommer mit Einbußen zu rechnen. Beim Wind und Sonne rechnen Wissenschaftler besonders im Winter mit einer leichten Zunahme der Auslastung. Da die Kraftwerke im Sommer beeinträchtigt sind, nutzt das zum Ausgleich ohne effektive Speicher nicht viel.
Solche Investitionen zahlen sich aus. Laut einer britischen Studie könnten höhere Deiche, Frühwarnsysteme für Krankheiten und neue Ackermethoden die gigantischen Folgekosten des Klimawandels um bis zu ein Drittel reduzieren. „Viele Entscheider haben begriffen, dass der Klimawandel kommt, selbst wenn wir die CO2-Emissionen senken“, sagt Ralf Schüle, der am Wuppertal Institut für Klima, Umwelt und Energie forscht.
Skeptiker wie der Ex-RWE-Manager Fritz Vahrenholt weisen darauf hin, dass die Erde sich in den vergangenen 15 Jahren kaum erwärmt habe und eine Anpassung wenig dringlich sei. Forscher aber halten dagegen, dass auch früher ähnlich lange Erwärmungspausen üblich waren und die Temperatur danach immer wieder stieg.
Deutsche Politiker setzen auf Anpassung
Je unwahrscheinlicher es wird, dass die Klimawissenschaftler irren, desto mehr setzen Politiker auf die Option Anpassung. Auch in Deutschland. So haben überflutungsgefährdete Städte die Bordsteine ihrer Straßen erhöht, um Abflusskorridore zu schaffen: Bei Starkregen fließt das Wasser wie in einem Flussbett in Richtung Freifläche ab. Stuttgart hat ein Bauverbot für die Hügel am Stadtrand ausgesprochen. So findet im Sommer kühle Luft einen Weg ins Zentrum und glättet Hitzewellen.
Aber nicht nur Städte reagieren. Die Holzwirtschaft verwendet für Nutzwälder statt Fichten und Buchen vermehrt nordamerikanische Douglasien – sie kommen besser mit Trockenheit klar. Die Niederlande investieren bis 2050 rund 80 Milliarden Euro, um 1200 Kilometer Deiche zu erhöhen und Strände aufzuschütten. Das US-Transportministerium wiederum rät, für den Highway-Bau hitzeresistenten Asphalt zu verwenden, weil das Reparaturen spart.
Das Problem der teuren Anpassungsmaßnahmen: „In Entwicklungsländern fehlt es an Geld, Wissen, Technik und Institutionen, um sie umzusetzen“, sagt Wuppertal-Forscher Schüle. Darum wollen die Industriestaaten armen Ländern bis 2020 rund 100 Milliarden Dollar überweisen – für stabilere Häuser, den Küstenschutz, neue Pflanzensorten oder Systeme, die Krankheiten vorhersagen.
Bis es so weit ist, setzen die aufstrebenden Staaten auf gute Ideen und Low Tech – mit ausländischer Hilfe. So legen asiatische Küstenschützer zusammen mit der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) in Vietnam und den Inselstaaten im Südpazifik riesige Mangrovenwälder gegen Sturmfluten an. Und in Zentral-Bangladesch verlegen Bauern ihre Beete in schwimmende Gärten und halten statt Hühnern zunehmend Enten. Der französische Architekt Vincent Callebaut will sogar ganze schwimmende Städte bauen, die Menschen aus überfluteten Regionen eine neue Heimat bieten.
Anderswo ist nicht zu viel, sondern zu wenig Wasser das Problem: Bis 2020 werden laut UN allein in Afrika bis zu 220 Millionen mehr Menschen unter Wasserknappheit leiden als heute. Im afrikanischen Burkina Faso entdecken Bauern darum die uralte Zai-Technik wieder: Sie graben zwischen Feldern Höhlen für Termiten. Die Tiere untertunneln die Äcker, die dann wie ein Schwamm Regenwasser aufsaugen – ein Reservoir, aus dem sich die Feldpflanzen in der Trockenzeit ernähren.