Wirtschaft von oben #340 – Albanien: Diese Bunkerinsel vor Albanien ist das nächste Übernahmeziel der Trumps
Ein paar Boote am heruntergekommenen Pier. Ein kleines Militärschiff aus alten Zeiten. Verlassene Gebäude und Bunker über die Insel und ihre Pinienwälder verteilt. Sazan in der albanischen Adria wirkt von oben betrachtet ziemlich ausgestorben. Ab und an kommen ein paar Touristen vom Festland, um am Strand zu baden. Sonst: nichts.
Doch wenn es nach Jared Kushner geht, soll sich das bald ändern. Der Ehemann von Ivanka Trump, Tochter des US-Präsidenten, plant hier ein Luxus-Refugium für Reiche. Investitionsvolumen: 1,4 Milliarden US-Dollar.
Sazan ist nicht Kushners einziges Vorhaben in der Region. Auch an der albanischen Küste hat seine Investmentfirma Affinity Partners Pläne vorgelegt, für Strandvillen, Hotels und Wasserspaß, mitten im Landschaftsschutzgebiet. Umgesetzt sind die Bauvorhaben noch lange nicht. Aber die Grundlagen dafür hat Albaniens Regierung um Premier Edi Rama geschaffen, gesetzlich und logistisch. Ein paar Kilometer nördlich von der Halbinsel Zvërnec ist ein internationaler Flughafen gebaut worden – noch im Schutzgebiet und trotz laufender Klagen dagegen.
Rama und Tourismusministerin Mirela Kumbaro stehen Investoren wie den Trumps sehr offen gegenüber. Ihr Argument: Klasse statt Masse. Luxus statt Lauben, alles im Einklang mit der Natur.
Vögel fliegen, Flugzeuge nicht
Albanien ist auf dem Weg vom Geheimtipp zur Touristenhochburg. Im vergangenen Jahr kamen fast zwölf Millionen Gäste in das 2,7-Millionen-Einwohner-Land. Der neue Flughafen in Vlora soll etwas Druck vom stark ausgelasteten Hauptstadtairport Tirana nehmen. Die offizielle Eröffnung im Mai war jedoch nicht mehr als eine PR-Aktion. Eine kleine Maschine durfte Vlora anfliegen. Exklusive Satellitenbilder von LiveEO belegen jedoch, dass der Flughafen alles andere als fertig ist.
Bilder: LiveEO/Google Earth, LiveEO/Airbus/Pleiades
Auf weniger scharf aufgelösten Fotos von Anfang August sieht man zwar, dass seit April weiter gebaut wurde, etwa anhand der betonierten Rollfelder. Es fehlen aber nach wie vor einige Bauabschnitte.
Naturschützer protestieren. Rosa Flamingos sind die Stars der Narta-Lagune an der Halbinsel Zvërnec. Bis zu 3000 von ihnen versammeln sich hier zum Futtern und Nisten, zusammen mit vielen anderen seltenen Wasservögeln. Sie lassen sich etwa von der Aussichtsplattform der neuen Brücke zum Kloster Zvërnec beobachten. Für Zugvögel ist das flache Gewässer ein wichtiger Zwischenstopp auf ihrem Flug über die Adria.
Bilder: LiveEO/Google Earth, LiveEO/Airbus/Pleiades
Der Flughafen gefährdet laut der Stiftung Euronatur eines der einzigartigsten Ökosysteme Europas. „Und auch künftige Passagiere wären gefährdet, da in dieser Region eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für Vogelschlag besteht“, heißt es bei Euronatur. Der Flughafen München beriet das Projekt bis April 2025, verlängerte den Beratervertrag aber nicht.
Während der Flughafen als Ausgangspunkt für den Tourismus im Südwesten Albaniens also stockt, ist der Boom, von dem die Trumps profitieren wollen, an anderer Stelle längst sichtbar. Die Strandlandschaft etwa an der Green Coast hat sich stark gewandelt, wie die Satellitenbilder zeigen. In den vergangenen Jahren sind immer mehr Liegen und Sonnenschirme im Sand hinzugekommen, Häuser und Hotels in den Hängen.
Bilder: LiveEO/Google Earth, LiveEO/Airbus/Spot, LiveEO/Maxar/WorldView
Ministerin Kumbaro betont, der Tourismus dürfe nicht ausufern. Die zwölf Millionen Gäste seien zu viele für so ein kleines Land, sagte sie. In einem massentouristischen Wettbewerb mit Italien oder Griechenland könne man nicht bestehen. „Das ideale Rezept: Natur und Luxustourismus.“
Wie eine Wüste das Wasser
Kumbaro und Premier Rama halten die Trumps für geeignet, dieses Rezept umzusetzen. Rama, Regierungschef in vierter Amtszeit, ist mit Trumps Schwiegersohn Kushner gut bekannt. Kushners Firma Affinity Partners steht hinter den Plänen für den bislang unberührten Küstenstreifen und auf Sazan. Dem italienischen Journalisten Marzio Mian sagte Rama, sein Land könne es „sich nicht leisten, ein Geschenk wie Sazan nicht zu nutzen. Wir brauchen Luxustourismus wie eine Wüste Wasser braucht.“ Die Kontroversen rund um die Projekte scheue er nicht, vor allem nicht, wenn sie Aufmerksamkeit und Investments generieren.
Kumbaro zufolge kommt die albanische Regierung den Investoren deutlich entgegen: Während der Bauphase zahlen diese keine Steuern, und der Staat kümmert sich um Wasserversorgung, Elektrizität und Abwässer.
Hafen, Insel Sazan, Albanien
18.07.2025: Acht Boote liegen am Pier. Im Süden des Hafens ist noch ein kleines Militärschiff zu sehen. An anderen Tagen bringen Ausflugsdampfer Touristen an den Strand im Norden.
Bild: LiveEO/Maxar/Legion
Noch sieht die Insel von oben aus wie in den vergangenen Jahrzehnten. Als das albanische Militär hier wachte. Während des Kommunismus unter Diktator Enver Hoxha in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts sollten die Soldaten von hier das abgeschottete Albanien beschützen, wahlweise vor den kapitalistischen Feinden aus Richtung Italien oder den U-Booten des Ostblocks.
Beide könnten ja, so die etwas paranoide Vorstellung Hoxhas, Albanien über die Adria kapern wollen. Passiert ist das nie.
Militärgelände, Insel Sazan, Albanien
18.07.2025: Überall auf der Insel hat das Militär alte Bunker und Tunnelsysteme zurückgelassen. Auf dem staubigen Gelände sind die Wege zwischen Übungsplätzen und Baracken gut zu erkennen.
Bild: LiveEO/Maxar/Legion
Die Insel ist bedeckt mit Pinienwäldern, steinigen Felsen und Stränden an türkisblauem Mittelmeerwasser. Als die meisten Soldaten in den 1990er-Jahren abzogen, war die Insel jahrzehntelang praktisch unbewohnt.
Die Ruinen der Schule, des Kinos, des Theaters und des Krankenhauses für die Militärs und ihre Familien stehen noch.
Aufenthaltsorte, Insel Sazan, Albanien
18.07.2025: Unterschiedlichen Quellen zufolge war nördlich des Geländes eine Schule, in den Gebäuden östlich des Waldabschnitts war ein Kino untergebracht und im Südwesten ein Krankenhaus.
Bild: LiveEO/Maxar/Legion
Wie weit genau die Pläne der Trumps sind, ist nicht klar. In einem Interview mit dem „Zeit Magazin“, das Ende Juli erschien, sagte Rama: „Es geht voran.“ Allerdings nicht gleichmäßig schnell, man müsse unterscheiden: Der Küstenstreifen, die Halbinsel Zvërnec, sei in Privatbesitz, die Insel gehöre dem Staat. Der Küstenstreifen habe die Planungsphase hinter sich, so Rama. „Über die Insel Sazan verhandeln wir noch wegen der Bedingungen der Partnerschaft.“ Wie die aussehen, sagte er nicht, dafür betonte er, wie beeindruckend die Liste der Unternehmen sei, „die Teil dieser neuen Grenzen des Mittelmeertourismus werden wollen“.
Rama will sein Land bis 2030 in die EU führen. Doch ihm werden immer wieder Korruption und Kontakte zum organisierten Verbrechen nachgesagt.
Kushner ist offenbar bereit, 1,4 Milliarden US-Dollar für die Insel zu zahlen. Anfang 2024 machte das Parlament den Weg frei, als es mehrheitlich für eine „Änderung des Gesetzes Nr. 81/2017 über Schutzgebiete“ stimmte, die der Premierminister eingebracht hatte. Projekte von strategischer Bedeutung können den Schutzstatus nun aushebeln, wenn bestimmte Kriterien erfüllt sind. So müssen etwa 1000 Arbeitsplätze geschaffen werden. Auf dieser Grundlage bekam Kushner den Zuschlag.
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Die Rubrik entsteht in Kooperation mit dem Erdobservations-Start-up LiveEO – dieses ist eine Beteiligung der DvH Ventures, einer Schwestergesellschaft der Holding DvH Medien, ihrerseits alleiniger Anteilseigner der Handelsblatt Media Group, zu der auch die WirtschaftsWoche gehört.