Autobranche VW-Zulieferer SAM Automotive meldet Insolvenz an

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Probleme der Autozulieferer

Die Banken, darunter die Kreissparkasse Göppingen und die DZ Bank, hatten beim Eigentümerwechsel einen Konsortialkredit über insgesamt 63,9 Millionen Euro und einer Laufzeit bis Ende 2022 vergeben. Unter Beratung des Frankfurter Heuking-Teams um den Partner Thomas Schrell ließen sich die Institute so gut wie alle verfügbaren Sicherheiten einräumen, darunter neben Marken- und Patentrechten auch eine „Erstrangige notarielle Geschäftsanteilsverpfändung“. Zusätzlich gab der Investor Bregal über sein Investmentvehikel Decorum eine bis Ende 2018 laufende Patronatserklärung über maximal 8,5 Millionen Euro ab.

Offenkundig gingen die Pläne der Geschäftsführung nicht auf. Die Nachfrage schwächte sich zuletzt ab. Verschärft wurde die Lage im Frühjahr durch einen Großbrand im Galvanikbereich des Werks in Böhmenkirch. Beides habe zu Umsatzeinbrüchen geführt, die nicht kompensiert werden konnten, heißt es in einer Pressemitteilung von Schultze & Braun.

„Die Geschäftsleitung hat in den vergangenen Monaten intensiv an verschiedenen Rettungsszenarien gearbeitet“, so Verwalter Leichtle. Dafür holte das Management die Sanierungsexperten der Frankfurter Kanzlei Finkenhof an Bord und die restrukturierungserprobten Wirtschaftsprüfer der Andersch AG.

Insolvenzverwalter Leichtle dürfte nun vor der Herausforderung stehen, zum einen mit den Kreditgebern Lösungen zu erzielen, etwa eine teilweise Freigabe der Sicherheiten, um den Geschäftsbetrieb aufrecht zu erhalten. Zum anderen muss er sich mit dem Hauptkunden VW einigen, wobei der Hersteller ebenfalls ein erhebliches Interesse an der weiteren Belieferung haben dürfte, um die eigene Produktion nicht zu gefährden. Mit WKW Automotive und C&F Automotive gibt es nur zwei zentrale Wettbewerber von SAM.

Auch bei einem möglichen späteren Bieterverfahren dürfte vor allem die Kundenbeziehung zu VW - samt möglichst auskömmlicher und stabiler Verträge - ein zentrales Asset sein. Auch die Warenkreditversicherer, die Arbeitsagentur und die Gewerkschaft IG Metall dürften in dem Verfahren eine Rolle spielen.

Letztere hatte bereits unter dem alten Eigentümer höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten gefordert, die über teils unzumutbare Arbeitsbedingungen und hygienische Verhältnisse in den Werken klagten. Auch gegen Pläne, Teile der Produktion in die Slowakei zu verlagern, regte sich Widerstand. Gestern Abend hatte die IG Metall zudem den Insolvenzantrag öffentlich gemacht.

In der Sanierungsbranche galt das Unternehmen derweil schon länger als Krisenkandidat, zumal der gesamte Sektor unter erheblichem Kostendruck steht.

Zudem zeichnen sich - unabhängig vom aktuellen Fall - strukturelle Probleme ab. So sehen Insolvenzverwalter eine Pleitewelle - ausgelöst durch das Elektroauto - auf die deutsche Zulieferindustrie zurollen. Mehr als 100.000 Arbeitsplätze dürften verloren gehen, hatte der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Insolvenzrecht im Deutschen Anwaltverein, Martin Prager, im vergangenen Jahr prognostiziert. Vor diesem Hintergrund erwägen derzeit bereits einzelne Verwalter-Kanzleien ihre Präsenz in Baden-Württemberg auszubauen.

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