Autozulieferer Wie Autobauer ihre mittelständischen Zulieferer auspressen

Kostendruck auf mittelständische Zulieferer. Quelle: imago images

Die Autokonzerne brauchen Geld: Sie müssen in E-Mobilität und autonomes Fahren investieren. Daher verschärfen sie den Druck auf die Zulieferer. Vor allem kleine und mittelständische Betriebe klagen. Ein Insiderreport.

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Wasserdampf wabert durch die Produktionshalle, der Geruch von Chemikalien hängt in der Luft – und Klaus Weber* will, dass endlich Klarheit herrscht. Im Stile einer Anklage hebt der Geschäftsführer eines Autozulieferers ein silbrig glänzendes Teil empor und ruft: „Das kostet unsere Kunden gerade mal 50 Cent.“ Mindestens zehn Mitarbeiter, sagt Weber, haben an dem Stück gearbeitet. Haben den Rohstoff entladen und ihn eingeschmolzen, in Form gegossen, geschliffen, verpackt und verladen. Und trotz der vielen Arbeitsschritte wollten seine Kunden „den Preis für dieses Teil weiter drücken“, sagt Weber, jedes Jahr aufs Neue: nicht zu fassen.

Vor allem kleine und mittelständische Betriebe klagen, dass die großen Konzerne sie auspressen, gnadenlos. Großzulieferer haben zuletzt ansprechend verdient. Nun aber mehren sich Hinweise, dass die Autobauer den Druck erhöhen, besonders auf mittelständische Lieferanten. Sie wollen in den kommenden Jahren Milliarden in die Zukunft – in Elektromobilität, autonomes Fahren und vernetzte Autos – investieren. Und sich „das Geld für Investitionen“ teils dadurch besorgen, dass „sie bei uns Einsparungen durchsetzen“, sagt der Chef eines Zulieferers. So jedenfalls höre er es von den Einkäufern der Konzerne.

Tatsächlich wuchs in den vergangenen Jahren die Versuchung, in Preisverhandlungen zu zweifelhaften Mitteln zu greifen. Das zeigen interne Unterlagen. Und das ergeben umfangreiche Recherchen bei Einkäufern, Beratern, Anwälten, Vertriebsmitarbeitern und Geschäftsführern zahlreicher Zulieferer. Dabei werden die Grenzen freier Vertragsgestaltung in Richtung Machtmissbrauch ausgedehnt. Dabei geht es um Geschäfte im Graubereich, über die kaum jemand sprechen will. Dabei geht es um viel Geld. Und dabei geht es, gerade für kleinere Zulieferer, auch um die schiere Existenz.

Lieferanten berichten, dass der Druck der Einkäufer zugenommen habe – und zwar nicht nur, was Forderungen nach Preisnachlässen anbelange. Oft würden Autobauer die Vergabe eines Auftrags mündlich an Zusatzleistungen koppeln. Einige verlangten ein „Eintrittsgeld“ in Form versteckter Zahlungen. Wer das Spiel ablehne, gehe nicht nur oft leer aus. Ihm werde auch gedroht, bei künftigen Ausschreibungen nicht mehr berücksichtigt zu werden.

Zur Drohkulisse gehört, dass „vor der Vergabe eines Auftrages vom Zulieferer oft Rabatte eingefordert“ würden, damit für ihn eine Chance bestehe, „den Auftrag zu erlangen“, fasst Ralph Egerer von der Kanzlei Rödl & Partner zusammen, was ihm seine Mandanten erzählen: die Zulieferer. Die VW-Tochter Scania etwa forderte in einer Ausschreibung, die der Redaktion vorliegt, dass der Lieferant nach Vertragsabschluss in drei Folgejahren jeweils einen Rabatt von drei Prozent auf das Bauteil einräumt. Auch sollten Zulieferer dem Lkw-Bauer Rabatt auf das laufende Geschäft gewähren: zehn Prozent vom Wert des neuen Auftrags.

Solche Vorgaben können den Wettbewerb vor allem für neue Lieferanten verzerren, die noch nicht im Geschäft sind. Volkswagen sagt: „Verknüpfungen von zukünftigen Verträgen mit Rabatten auf bestehende Verträge sind untersagt.“ Den konkreten Fall kenne der Konzern nicht und könne ihn daher nicht bewerten. VW fordere kein Eintrittsgeld – und vergebe Aufträge grundsätzlich nach Kriterien wie Qualität, Logistik und Preis. Erst „im Nachgang einer Vergabe“ könne über Rabatte im laufenden Geschäft verhandelt werden. Anders als von Zulieferern behauptet würden Nachlässe auf das laufende Geschäft nicht im Vergabeprozess berücksichtigt, so VW.

Die größten deutschen Autozulieferer

Nach Vertragsabschluss Rabatte fordern? Hersteller rechtfertigen das damit, dass Zulieferer dank des Auftrags Fixkosten reduzieren könnten. Anlagen würden besser ausgelastet, länger laufen. VW erklärt, dass der Konzern zur „Optimierung der laufenden Serie“ auch „Effizienz-Rabatte“ fordere, wenn sich für Lieferanten durch die Neuvergabe wirtschaftliche Vorteile wie bessere Refinanzierungsmöglichkeiten ergäben.

Es kann gute Gründe geben, Preise bei bestehenden Lieferverträgen nachträglich zu senken, etwa, wenn die Produktion günstiger ist als erwartet. Kritisch seien Rabatte aber, wenn ein bestehender Auftrag „ausgepresst“ werde, sagt Rupprecht Podszun, Direktor des Instituts für Kartellrecht an der Universität Düsseldorf: „Wenn zwei Verträge miteinander verknüpft werden, die sonst nichts miteinander zu tun haben – wo soll da die betriebswirtschaftlich nachvollziehbare Begründung sein?“

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