Autozulieferer Läutet der Fall Volkswagen eine Zeitenwende ein?

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Für einzelne Teile gibt es nur einen Zulieferer

Der Fall kann sich jederzeit wiederholen: Für den vom Lieferstopp betroffenen VW Golf liefern rund 500 Zulieferer Einzelteile zu. Die Produktion ist auf Kante genäht, denn das Prinzip der doppelten Absicherung mit zwei Lieferanten pro Teil ist nicht überall praktikabel. Oft benötigen Autobauer spezielle Teile, die nur von einem Hersteller produziert werden. „Viele Fahrzeugtypen werden in so vielen Varianten gebaut, dass die einzelnen Stückzahlen klein sind – also lohnt es sich oft nicht, einen zweiten Lieferanten für jedes Teil zu beauftragen“, sagt Jan Dannenberg von Berylls.

Die Milliarden-Buße für VW im Überblick

Es kann Autoanalyst Schwope zufolge Wochen oder gar Monate dauern, bis ein neuer Zulieferer einspringen kann oder ein zweiter die doppelte Stückzahl liefert. Zulieferer müssen erst Personal und Werkzeuge aufbauen, bis sie liefern können, zudem durchlaufen die Teile bei Herstellern zeitaufwendige Kontrollen.

VW gibt zu, dass „die Absicherung aller Lieferteile durch zwei oder mehrere Lieferanten faktisch und kaufmännisch nicht möglich“ sei. Die Abhängigkeit sei heute „so eng, dass alle daran Beteiligten darauf angewiesen sind, dass Verträge eingehalten werden“, schreibt VW in einer Stellungnahme.

„Ohne Zulieferer geht gar nichts."

Im Verband der Automobilindustrie (VDA) sind sowohl Autobauer als auch die Zulieferer vertreten. Eine nicht immer einfache Konstellation. „Wir tragen Lob und Tadel von Zulieferern – meist gebündelt – zu den Einkaufschefs und umgekehrt deren Erwartungen an die Lieferanten“, sagt VDA-Geschäftsführer Klaus Bräunig – und weiter: „Ohne Zulieferer geht gar nichts. Und wer mit seinen Forderungen überzieht, zieht am Ende doch den Kürzeren, das zeigt die Erfahrung beider Herstellergruppen.“

Doch es muss nicht immer ein Streit sein – eine Naturkatastrophe oder Feuer reichen aus, um den Nachschub zu gefährden. Nicht nur aus diesem Grund überwiegen für Marc Staudenmayer, Deutschland-Geschäftsführer der Strategieberatung Advancy, die Risiken, wenn bestimmte Teile nur von einem Lieferanten bezogen werden. „Die Einsparungen gegenüber einer Lösung mit zwei Lieferanten für ein Bauteil werden im Schadensfall sofort aufgebraucht“, so Staudenmayer. Dies sei seit Jahren bekannt, allerdings sei es vielen Herstellern wichtiger, kurzfristig Geld zu sparen, als langfristig ihre Lieferungen abzusichern.

Weil der drohende Ausfall eines Zulieferers so brisant für die Autobauer ist, werden hochspezialisierte Werkzeuge, die Teile für die Autobauer fertigen, besonders geschützt. „Wichtige Werkzeuge stehen in speziellen Räumen, sodass sie etwa im Fall eines Brandes geborgen werden können und nicht kaputt gehen“, sagt Berater Dannenberg. Die Autobauer verlangen solche Investitionen von ihren Zulieferern, sonst bekommen sie mitunter keinen Auftrag.

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