„Engpass an Komponenten“ Mercedes verkündet einen Milliardengewinn – und beantragt Kurzarbeit

Mitarbeiter in Bremer Mercedes-Werk: Der Autobauer hat am Standort Bremen Kurzarbeit beantragt. Quelle: dpa

Mercedes-Benz verkündet hohe Gewinne und beantragt gleichzeitig Kurzarbeit. Kritiker finden das unmoralisch. Der Autobauer verweist auf eine „volatile“ Gesamtsituation – und rechnet seine Abgaben vor.

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„Wir haben Mercedes-Benz zu einem profitableren Unternehmen weiterentwickelt“, beglückwünschte sich Konzernchef Ola Källenius am Freitag selbst. Eines belege das zurückliegende Geschäftsjahr eindeutig: „Die strategische Ausrichtung stimmt.“ Tatsächlich waren es vor allem freudige Botschaften, die Mercedes seinen Aktionären in der vergangenen Woche präsentierte: Der Betriebsgewinn kletterte 2022 um 28 Prozent auf 20,5 Milliarden Euro, der Umsatz legte um zwölf Prozent auf 150 Milliarden Euro zu. Unterm Strich verdiente der Stuttgarter Autobauer 14,8 Milliarden Euro – ein Drittel mehr als im Jahr davor. Anlass genug, um für die diesjährige Hauptversammlung eine um 20 Cent erhöhte Dividende vorzuschlagen.

Umso mehr mag es überraschen, dass am Montag, nur wenige Tage nach dem verkündeten Milliardengewinn, bekannt wurde: Anfang März wird Mercedes in Bremen Hunderte Mitarbeiter in Kurzarbeit schicken. Vom 1. bis 17. März werde „in Teilbereichen des Werks Bremen tageweise die Schichtplanung angepasst“, bestätigt der Autobauer auf Anfrage. Die „Fahrweisen-Anpassung“ werde „zum Teil über Arbeitszeitinstrumente ausgeglichen“. Darüber hinaus sei „teilweise auch Kurzarbeit beantragt“ worden. Der Betriebsrat spricht von einer „Unternehmensentscheidung“ und 700 betroffenen Mitarbeitern. Wie passt das mit den Erfolgsmeldungen vom Freitag zusammen?

Die Antwort ist simpel: Allen jüngsten Erfolgen zum Trotz kann Mercedes „makroökonomische und geopolitische Ereignisse nicht kontrollieren“, wie Konzernchef Källenius am Freitag ebenfalls bekräftigt hat. In seinen Prognosen für das laufende Geschäftsjahr gab sich der Autobauer deshalb auch betont verhalten, versuchte Anleger auf weniger Profit und zurückgehende Margen einzustellen.

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In seinem Jahresausblick schreibt Mercedes von einer „außergewöhnlichen Unsicherheit“ in der Weltwirtschaft. Dies könne sich „auf die Lieferketten und die Entwicklung der Rohstoff- und Energiepreise auswirken“. Auch wenn das vergangene Jahr unterm Strich erfolgreich lief: Die Pandemie, Engpässe in der Halbleiterlieferkette und die Auswirkungen des Ukrainekriegs hätten das Geschäft nach wie vor stark beeinträchtigt, teilte Mercedes am Freitag mit. Klar ist: Ohne Lieferengpässe hätte Mercedes 2022 noch deutlich mehr Autos absetzen können. Die Versorgung mit Halbleitern sei inzwischen besser geworden, gab sich Mercedes zwar optimistisch. Allerdings würden „weiterhin individuelle Herausforderungen bestehen bleiben, welche zu Lieferengpässen führen können“.

Und genau dieser Fall ist jetzt eingetreten. „Gegenwärtig besteht weltweit ein Lieferengpass an bestimmten Komponenten“, teilt eine Mercedes-Sprecherin zur Begründung der Kurzarbeit in Bremen mit. Die Gesamtsituation sei nach wie vor volatil. Auf Schwankungen reagiere man „bestmöglich“ und stehe diesbezüglich „in engem Austausch mit unseren Lieferanten“. Weiter heißt es: „Die Mercedes-EQ Elektrooffensive hat weiterhin höchste Priorität.“ In Bremen werden unterem anderem die batterieelektrischen Modelle Mercedes-Benz EQC und EQE gefertigt.

Das Bremer Werk, das rund 12.500 Mitarbeiter beschäftigt, hat seit der Corona-Pandemie immer wieder mit Lieferengpässen zu kämpfen. 2022 etwa hatte Mercedes dort mehrmals eine vierstellige Anzahl an Mitarbeitern in Kurzarbeit geschickt: Allein im Oktober waren es 2.500 Beschäftigte, die jeweils fünf Tage lang verkürzte Schichten zu absolvieren hatten. Seinerzeit begründete Mercedes den Schritt mit Nachschubproblemen bei Halbleitern.

Allerdings: Was im Oktober 2022 nur eine wenig beachtete Meldung war, sorgt in diesen Tagen für einen öffentlichen Aufschrei. Das Timing unmittelbar nach der Gewinnverkündung am Freitag mag nicht das Geschickteste gewesen sein, attestiert selbst die wirtschaftsnahe CDU: „Kurzarbeit und Milliardengewinne passen nicht zusammen“, sagt etwa Dennis Radtke, stellvertretender Vorsitzender des CDU-Sozialflügels, in der „FAZ“. „Öffentliche Gelder für die Gewinnmaximierung zu verwenden“ sei „unanständig“.

Mercedes lässt diesen Vorwurf nicht auf sich sitzen. Man prüfe den Einsatz von Kurzarbeit „sehr sorgfältig unter Einhaltung der geltenden Kurzarbeiterregelungen“, entgegnet eine Mercedes-Sprecherin. Und: „Wir sind uns unserer Verantwortung als Unternehmen gegenüber der Gesellschaft sowie unseren Aktionären bewusst.“

Dann beginnt die Sprecherin vorzurechnen: Das Kurzarbeitergeld werde aus Mitteln der Arbeitslosenversicherung finanziert. Mercedes und seine Beschäftigten hätten in den letzten zehn Jahren einen niedrigen einstelligen Milliardenbetrag eingezahlt, bezogen hätten die Beschäftigten in Kurzarbeit dagegen im vergangenen Jahr nur einen zweistelligen Millionenbetrag. Außerdem habe Mercedes-Benz „in den letzten Jahren in erheblichem Umfang Steuern gezahlt“. 2021 seien es allein Ertragssteuern in der Höhe von 3,3 Milliarden Euro gewesen, „ein Großteil in Deutschland“. Und nicht zuletzt: Die Bundesagentur für Arbeit rechne für 2023 ohnehin mit Überschüssen im Haushalt. Frei übersetzt: Das Geld ist doch da, warum sollten wir es dann nicht beziehen?

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Auf die Frage, ob angesichts der aktuellen Lieferengpässe auch in anderen Mercedes-Werken wieder Kurzarbeit anstehen könnte, geht der Konzern nicht ganz so ausführlich ein: „Die weltweiten Mercedes-Benz Werke laufen derzeit nahezu uneingeschränkt“, heißt es da lediglich.

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