Fahrberichte Panik, Fahrspaß, Getriebestörung: Der Porsche Taycan im Test

WirtschaftsWoche-Redakteure Michael Kroker (l.) und Thomas Stölzel testen den Taycan. Quelle: Marcel Stahn

Der Porsche Taycan ist das erste Elektroauto aus deutscher Produktion, das komplett neu entwickelt wurde – ein historischer Schritt. Die WirtschaftsWoche wollte wissen, was das Auto taugt und ist es Probe gefahren.

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Der Porsche Taycan ist das erste Elektroauto aus deutscher Produktion, das nicht auf einem Verbrenner-Modell basiert, sondern komplett neu entwickelt wurde – ein historischer Schritt für die deutsche Autoindustrie. Die WirtschaftsWoche wollte wissen, was das Auto taugt und ist es Probe gefahren*. Die Stimmen aus der Redaktion:

„Als Schwabe und Porsche-Fan ist mein Urteilsvermögen natürlich voreingenommen. Der Fahrspaß ist für einen Viersitzer-Porsche extrem groß, wobei wir auch gleich bei einem Kritikpunkt sind: Ich finde, es sollte ein Zweisitzer sein. Ein elektrifizierter 911er. Schade, dass Porsche meinte, mit dem Taycan die eierlegende Wollmilchsau bauen zu müssen.

Ganz schrecklich finde ich das User-Interface der Displays. Generell: Vier Displays im Armaturenbrett? Alle im unterschiedlichen Format? Das ist ein Punkt, der sehr deutlich aufzeigt, wo die Deutschen hinterher sind – Interface, Software, User Experience in allem das weiter geht als das Lenkrad in der Hand und der Fuß auf dem Pedal. Die Beschleunigung des Taycan ist natürlich der Hammer. Das ist bei einem Elektrowagen nicht so schwer hinzubekommen, aber porschemäßig perfekt auf die Straße gebracht.“

Patrick Zeh, Art Director
4 Sterne 


„Kann man sich als Fahrer eines sieben Jahre alten Kleinwagens ans Steuer eines 625-PS-Elektroflitzers wagen? Nach kurzer Skepsis und vorsichtigem Gas- und Bremse-Antesten zeigt sich schnell: Man kann. Zumindest im Normal-Modus. Einzig der Gedanke an den Wert des Testwagens bringt mich anfänglich ins Schwitzen, dann lässt sich der Taycan aber überraschend kommod durch das nachmittägliche Gedränge der Düsseldorfer Innenstadt lenken.

Wermutstropfen: Zum ersten Mal sitze ich am Steuer eines Sportwagens und möchte im Rheinufertunnel total gern ein sattes Wrömm-Wrömm von den Wänden zurückschallen hören. Was ich im Sport-Modus als Sounddatei zum Trost bekomme, klingt eher nach betrunkener Hummel im Weltall.

So sieht Porsches Elektro-Sportwagen aus
Porsche Taycan Quelle: Porsche
Porsche Taycan Quelle: Porsche
Porsche Taycan Quelle: Porsche
Porsche Taycan Quelle: Porsche
Porsche Taycan Quelle: Porsche
Porsche Taycan Quelle: Porsche
Porsche Taycan Quelle: Porsche

Panik-Moment: Mein Mit-Tester und ich tauschen nach der Hälfte der Strecke die Plätze, er rückt ans Steuer, da klappen wie von Zauberhand die Außenspiegel ein. Wir – beide nicht an ein modernes Auto gewöhnt – suchen mit wachsender Verzweiflung zwischen all den Touch-Icons, Lämpchen, Knöpfen und Displays, wie man die verflixten Dinger wieder ausklappt. Vor meinem geistigen Auge fällt schon einen Porsche-Mitarbeiter bei unserem Anruf lachend vom Stuhl, da erspähe ich nach gut zwei Minuten endlich den erlösenden Knopf. Puh. Zum Glück hat uns keiner dabei beobachtet.

Adrenalin-Moment: Als der Einweiser eine Testrunde mit uns fährt und unvermittelt die brutale Beschleunigung der Launch Control (Blitzstart) vorführt. Mein Hinterkopf schließt ebenso schwungvoll wie innig Freundschaft mit der Kopfstütze, auch der Puls gibt Vollgas.

Fazit: Der Taycan macht mir schnell Spaß. Zum ersten Mal brauche ich bei Überholmanövern nicht mehr angespannt nach dem nächsten PS-starken Auto von hinten Ausschau zu halten, bevor ich mich auf die linke Spur wage. Der Wendekreis steckt den meines Kleinwagens locker in die Tasche – nicht verkehrt im wuseligen Altstadt-Verkehr. Selbst im Fond sitzt man mit unerwartet viel Beinfreiheit bequem, insgesamt fühlt man sich eher wie in einer luxuriösen Limousine. Doch wo kann man die brachiale Kraft des Taycan schon ausnutzen? An einem Karnevalstag im Rheinland jedenfalls nicht.“

Jana Reiblein, Chefin vom Dienst WirtschaftsWoche Online
4 Sterne

 

„Plötzlich taucht auf dem Display die Meldung auf: „Getriebestörung. Weiterfahrt eingeschränkt möglich.“ Dabei habe ich nur mal kurz Vollgas gegeben (oder besser ausgedrückt Vollstrom). Da kommt bei mir schon die Frage auf, warum hat ein E-Auto eigentlich ein Getriebe? Laut Porsche ist es ein Softwarefehler im Vorführwagen. Tatsächlich verschwindet die Warnmeldung, als ich den Wagen kurz ausschalte und neu starte.

Die Software scheint an einigen Stellen tatsächlich der Schwachpunkt des Taycan zu sein. Die Sprachsteuerung im Navi will mich auch nach mehrfachem Versuch nicht zur heimischen Adresse in Düsseldorf schicken, sondern in ein mehr als 1000 Kilometer entferntes Nest in Ungarn. Aber das sind Schwächen, über die ich gern hinwegsehe. Denn ansonsten macht der Elektro-Porsche Spaß. Der beherzte Tritt aufs Pedal beschleunigt den Wagen so katapultartig, dass Insassen wohl kurz vor einem Schleudertrauma stehen. Die Autos, die gerade an der Ampel noch neben einem standen, werden klein im Rückspiegel. Und das, obwohl ich die Geschwindigkeitsbegrenzung eingehalten habe. Der Porsche kann aber auch anders, lässt sich kinderleicht durch die Stadt steuern, ohne Ruckeln. Auch dank seiner gelenkten Hinterräder, die für einen beeindruckend kleinen Wendekreis sorgen.

Der künstlich erzeugte Motorensound im Innenraum ist Geschmackssache. Ich finde ihn mitunter überflüssig, im Sport-Plus-Modus ist er mir zu laut. Seit es brachial beschleunigende und trotzdem leise E-Autos gibt, ist ein lauter Motoren- und Auspuffklang einfach nicht mehr gleichbedeutend mit Kraft, wirkt anachronistisch.

Noch mehr Fahrspaß erwarte ich, wenn es der erste kompakte Zweisitzer von Porsche auf den Markt schafft, den man auch mal in einer einsamen Kurve etwas driften lassen kann. Der Taycan ist einfach zu groß, als dass ich mich das trauen würde. Wie sich jetzt noch jemand einen neuen Porsche mit Verbrennungsmotor kaufen kann, ist mir trotzdem schleierhaft.“

Thomas Stölzel, Redakteur
3 Sterne

„Design: angenehm unaufgeregt, er sieht kleiner, also weniger protzig aus, als er ist. Handlich. Nicht zu breit, ohne Kratzer raus aus der Tiefgarage. Alles solide, gutaussehend drinnen, nichts klappert, nichts nervt. Sicht nach außen nicht besonders, aber ich habe ja Kameras. Die Bedienung: Einfach und intuitiv. Gas (muss man das nicht eigentlich anders nennen, bei E-Autos?), Bremse (giftig), das war's. Ansonsten bei den Anzeigen keine großen Unterschiede zu einem klassischen Benziner – jedenfalls wirkt das Auto nicht wie Software auf Rädern. Fahrleistungen: in der Stadt großartig, ich fahre wie mit dem Motorrad – Dank der sehr guten Beschleunigung, schnell noch überholen, um sich an der Ampel einzufädeln. Das macht Spaß und spart Zeit.

Ich muss mich immer wieder zur Ordnung rufen, um diszipliniert und legal zu fahren. Der schnelle U-Turn: verboten, aber verlockend, dank des minimal kleinen Wendekreises, beim Beschleunigen: Achtung, jetzt bin ich gleich bei 70. Das gleiche auf der immer wieder durch Tempo-100-Zonen kastrierten Autobahn von Düsseldorf ins Ruhrgebiet. Ich bin in den 90 Minuten unter 200 geblieben, einfach zu viele Kurven und zu viel Verkehr, aber bei Top-Speed: Man merkt sie nur bei Blick auf den Tacho. Was ich vermisse: Motorsound anstelle des leisen Singens. Aber hier sechs Zylinder röhren zu lassen, wäre irgendwie lächerlich. Problematischer und die Kernfrage sind Reichweite und Ladegeschwindigkeit. Unsere Fachleute sagen: Tesla ist hier viel besser. Das würde ich gerne mal testen.

Beim Porsche gilt: Wäre es ein vollgetankter Benziner gewesen, wäre ich bestimmt mal eben von Düsseldorf nach Frankfurt gefahren (schon, um zu Hause ein bisschen anzugeben). Aber bei Übergabe hatte der Porsche noch 300 Kilometer Reichweite. Vermutlich wäre ich wieder zurückgekommen, aber man weiß ja nie. Das braucht dann doch etwas Routine und Beherrschung der Ladevorgänge. Schon die Frage, welches der zahlreichen im Kofferraum abgelegten Kabel das richtige ist, schien mir nicht ganz leicht zu beantworten.

Ich bin nur einmal mangels Treibstoff liegengeblieben, mit einer Moto Guzzi California, bei einem Test. Die Italienerin soff wie ein Loch und hatte nur einen kleinen Tank. Kein Spaß, so im Autobahn-Niemandsland. Seither weiß ich: Das Problem ist weniger die relativ geringe Reichweite als die Unsicherheit darüber. Beim eigenen Fahrzeug dürfte sich zumindest dieses Problem mit etwas Routine geben.“

Hauke Reimer, Stellvertretender Chefredakteur
4 Sterne

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