




Zwei Meter neunundsechzig – und keinen Millimeter mehr. Der neue Smart bleibt, was er ist – ein ultrakleiner Stadtflitzer. Das Auto, das selbst noch im Hinterhof zwischen zwei Mülltonnen Platz findet, das vorwärts einparkt, wo „normale“ Autos längs zur Fahrbahn stehen. Die Schwaben haben den Rat „ändere nie ein funktionierende System“ befolgt und obendrein noch die Macken des Vorgängers beseitigt.
So gibt es jetzt endlich eine ordentliche Federung und eine Fünfgang-Handschaltung mit Schaltknauf. Die gewöhnungsbedürftige Halbautomatik gehört damit der Vergangenheit an. Daimler hat aus den Fehlern der selbigen gelernt. Den wohl größten haben Zetsche und der damalige Smart-Chef Andreas Renschler 2004 begangen. Den Smart forfour in Kooperation mit Mitsubishi.
Lauter lustige Knubbelnasen - Weltpremiere vom neuen Smart
Der neue forfour muss klappen
Der Viersitzer sah nicht aus wie ein Smart und hatte auch nicht dessen Architektur. Basis war eine Mitsubishi-Plattform. Das Modell machte weder seinen Besitzern noch den Mercedes-Managern viel Freude. „Die Kosten sind völlig aus dem Ruder gelaufen“, erinnert sich Stefan Bratzel, Leiter des Center of Automotive Management in Bergisch-Gladbach. Nach anfänglich guten Verkaufszahlen, brach die Nachfrage dramatisch ein.
Daimler hatte den Wettbewerb auf dem Kleinwagenmarkt unterschätzt, 2006 wurde der forfour eingestellt. Eine Schmach für den erfolgsverwöhnten Premiumautobauer. In den Stuttgarter Büros ist die Anspannung dieser Tage denn auch merklich höher. „Dieser Schuss muss sitzen“, sagt Bratzel. Ein zweites Mal möchte sich keiner blamieren. Die Chancen stehen gut, dass es dazu nicht kommen wird.
Die neuen Smarts und Twingo im Vergleich
Maße: fortwo: 2,69 x 1,66 x 155 forfour: 3,49 x 1,66 x 1,55
Motorisierung: Dreizylinder-Motoren mit 45 kW/60 PS, 52 kW/71 PS und 66 kW/90 PS; Die 60-PS-Version wird zum Marktstart allerdings noch nicht verfügbar sein, sie folgt 2015.
Getriebe: Halbautomatik ade! 5-Gang-Schaltung manuell oder 6-Gang-Doppelkupplungsgetriebe "twinamic"
Kofferraumvolumen: forfour: 730 bis 975 Liter
Ausstattungsvarianten: Drei Stück: passion, prime und proxy; zu ihren Ausstattungsmerkmalen zählen u.a. Multifunktionslenkrad in Leder, Kombiinstrument mit 3,5" Farb-Display sowie Sitzheizung.
Markteinführung: 22.November 2014; ab 2. Oktober auf dem Pariser Autosalon zu sehen
Preis: fortwo ab 10.895 Euro forfour ab 11.495
Gesamtlänge: 3,59 Metern (zehn Zentimeter kürzer als der Vorgänger)
Kniefreiheit hinten: 13,6 Zentimeter (Klassenbestwert)
Kofferraumvolumen: 165 bis 285 Liter
Motorisierung: Benzinmotor 1.2 LEV (Low Emission Vehicle) 16V 75
Preis: 9990 Euro (Grundausstattung)
Ausstattungsvarianten: Expression, Dynamique, Paris
Smart fortwo und Smart forfour basieren auf der neuen gemeinsam mit Renault entwickelten Plattform, die auch den neuen Twingo trägt. Daimler ließ sich bei der Entwicklung wenig reinreden. „Renault musste da manche Kröte schlucken“, glaubt Bratzel. So etwa den Heckantrieb, den die Schwaben bei den Franzosen durchsetzen.
Die gemeinsame Plattform macht die Modelle deutlich wirtschaftlicher. Und – auch das lässt auf eine erfolgreiche Zukunft für den Viersitzer hoffen – produziert wird im slowenischen Werk Novo Mesto, wo der Stundenlohn maximal 40 Prozent des deutschen Niveaus erreicht. Smart-Chefin Annette Winkler, die seit 2010 die Geschäfte der Mercedes-Tochter lenkt, hat ihre Hausaufgaben gemacht.
Smart auf einen Blick
Die Idee zu Smart stammt von Swatch-Gründer Nicolas G. Hayek. Er wollte ein kleines, buntes und vor allem günstiges Auto mit elektrischem Antrieb. Auch eine Kooperation mit Transportunternehmen wie der Bahn sah der Visionär vor. Smart wurde 1994 als Micro Compact Car als Tochtergesellschaft von Daimler und der SMH SA Sociéte Suissse de Microélectronique et d´Horlogerie gegründet. 1998 verkaufte Hayek seine Anteile an Daimler-Benz. Man war sich über die Ausrichtung des Projekts nicht einig.
Sein bisher bestes Jahr erlebte Smart 2008 mit einem Absatz von 134.700 Stück. Seither bröckeln die Verkaufszahlen. 2013 fiel Smart unter die 100.000 Stück-Marke. Im ersten Halbjahr 2014 setzten die Schwaben 46.816 Stadt-Autos ab. Das neue Smart forfour-Modell soll die Perspektive deutlich verbessern.
Seit 2008 setzt Mercedes in Kooperation mit dem Mietwagenunternehmen Europcar auf Carsharing unter dem Namen Car2go. 600.000 Kunden nutzen das Netz in Europa und Nordamerika weltweit. Von den rund 11.000 Fahrzeugen sind 1200 reine Elektro-Autos. Sitz von Car2go war bis Ende 2012 Ulm. Dann firmierte das Unternehmen um in die Daimler Mobility Services GmbH, die verschiedene Mobilitätsdienste wie park2gether oder die Mobilitätsplattform moovel beherbergt.
Das elektrische Smart-Portfolio mit den E-Varianten des Smart fortwo Coupé und Cabrio werden ergänzt durch das smart E-bike, das seit 2012 auf dem Markt ist. Gut möglich, dass Daimler in Kürze auch noch in den Markt für Bike-Sharing einsteigt.
Nach Smart fortwo als Coupé und Cabrio sowie dem neuen Smart forfour, der wie der Zweisitzer auch in einer elektrischen Variante zu haben sein dürfte, denkt Smart-Chefin Annette Winkler bereits über weitere Modelle nach. Ein E-Scooter steht ganz oben auf der Liste. Der sollte eigentlich schon 2014 kommen, wurde zugunsten der neuen fortwo und forfour-Modelle aber verschoben.
Dichter Verkehr, Smog und 160 Städte mit mehr als einer Million Einwohner. Smart erhofft sich viel vom Reich der Mitte. China ist nach Deutschland und den USA bereits der drittwichtigste Markt. Man habe es geschafft, die Marke als "Lifestyle- und Premiumprodukt" zu positionieren, freut sich Chefin Annette Winkler. Seit 2009 ist Smart vor Ort, seit November 2013 mit der elektrischen Version. 16.000 Fahrzeuge haben die Händler 2012 abgesetzt. Nach den ersten sieben Monaten 2013 waren es schon über 10.000. Das Händlernetz soll auf über 90 wachsen.
Produziert wird der Smart fortwo seit 1998 im französischen Hambach. Die Fabrik dort trägt den Namen "Smartville", die Stadt trägt mittlerweile ebenfalls diesen Spitznamen. 2008 erreichte die Gesamtproduktion eine Million Fahrzeuge. Rund 2000 Mitarbeiter sind im Werk Hambach beschäftigt.
In der Schweiz kommen auf einen Smart 35 Einwohner. So groß ist die Dichte der City-Mobile in keiner anderen Stadt. Auf Platz zwei landet Rom mit 43 Einwohnern pro Smart.
Fehlt nur noch, dass die Kunden den neuen Premium-Kleinwagen nachfragen. Die Absatzzahlen der Konkurrenten BMW Mini und Audi A1 belegen – Lifestyle-Flitzer liegen im Trend. Das Kleinwagensegment gewinnt insgesamt an Bedeutung – 2011 lag der Anteil von Kleinwagen an den Neuzulassungen in Deutschland noch bei 5,8 Prozent. 2013 waren es schon 7,9 Prozent. Dabei ist es den Premiumhersteller gelungen, den klassischen Volumen-Marken wie Fiat und Ford in den vergangenen Jahren Marktanteile abzuluchsen.
So fährt die Konkurrenz
Im Kleinwagensegment ungeschlagen:
Absatz (Deutschland): 68.343
Länge: 3,9 Meter
Verbrauch gesamt: 5,0 Liter Super/100 km
Grundpreis: 16.275 Euro
Die Premiumflitzer der Bayern sind den Stuttgartern beim Absatz und der Produktvielfalt weit voraus.
Absatz (Deutschland): 34.263; weltweit: 305.000 (alle Zahlen 2013)
Länge: 3,70 Meter
Verbrauch gesamt: 5,3 Liter Super/100 km
Grundpreis: 17.450 Euro
Auch die Ingolstädter fahren Smart mit ihrem A1 davon - sind allerdings auch preislich deutlich darüber angesiedelt und das Modell mehr als einen Meter länger.
Absatz (Deutschland): 27.267; weltweit: 123.000
Länge: 3,91 Meter
Verbrauch gesamt: 5,0 Liter Super/100 km
Grundpreis: 16.750 Euro
Er ist und bleibt der kürzeste Flitzer auf Deutschlands Straßen, beim Absatz kann es Smart aber nicht mit BMW und Audi aufnehmen.
Absatz (Deutschland): 26.009; weltweit: 98.000
Länge: 2,69 Meter
Verbrauch gesamt: 4,7 Liter Super/100 km
Grundpreis: 9490 Euro
Twingo und Smart teilen sich eine Plattform, 70 Prozent der nicht-sichtbaren Komponenten sind identisch, 95 Prozent der sichtbaren Teile jedoch unterschiedlich. So kommt der Twingo auch auf rund einen Meter mehr Länge und einen deutlich günstigeren Preis.
Länge: 3,59 Meter
Verbrauch gesamt: 5,6 Liter Super/100 km
Grundpreis: 9590 Euro
Absatz (Deutschland): 19.187
Die Japaner teilen sich die Plattform mit dem Citroen C1 und dem Peugeot 107, um Kosten zu sparen. Beim Absatz fahren Japaner und Franzosen den Premiumherstellern noch deutlich hinterher.
Absatz (Deutschland): 9025
Länge: 3,41 Meter
Verbrauch gesamt: 4,6 Liter Super/100 km
Grundpreis: 8950 Euro
Länge: 3,44 Meter
Verbrauch gesamt: 4,6 Liter Super/100 km
Grundpreis: 8990 Euro
Absatz (Deutschland): 4903
Ein gefährlicher Verfolger. Opel hat mit dem Adam den Sprungs ins quirlige Lifestyle-Segment geschafft und versucht ähnlich wie Mini mit einer Vielzahl von Derivaten und Ausstattungspaketen an Marge herauszupressen, was nur geht.
Absatz (Deutschland): 21.122
Länge: 3,7 Meter
Verbrauch gesamt: 5,0 bis 5,3 Liter Super/100 km
Grundpreis: 11.750 Euro
Volumenhersteller wie Ford haben bei der heißen Schlacht auf dem Kleinwagenmarkt das Nachsehen. Die Premiumanbieter graben dem US-Hersteller Marktanteile ab.
Absatz (Deutschland): 8407
Länge: 3,62 Meter
Verbrauch gesamt: 5,9 Liter Super/100 km
Grundpreis: 7990 Euro
In den weitgehend gesättigten Märkten sind die kleinen Modelle eine der wenigen Möglichkeiten für die Hersteller, ihre Marktanteile zu halten. Denn sie werden als Zweit- oder Drittwagen angeschafft. Wer ausreichend hohe Stückzahlen verkauft und Synergien durch Plattformen oder Kooperationen hebt, wie Daimler mit Renault, „für den ist es auch lukrativ“, erklärt Bratzel.
Der CO2-Killer in der Gesamtbilanz
So ist der Smart für Daimler mehr als ein nettes Zubrot. Er wird immer mehr zu einer tragenden Säule im Gesamtkonzept des Konzerns. Seine größte Wirkung entfaltet der Kleine in der CO2-Flottenbilanz. Allein im Mai konnte Mercedes (ohne Vans) seinen Flottenausstoß in Deutschland um mehr als vier Gramm pro Kilometer senken. „Das ist richtig viel“, lobt Bratzel. Zum Vergleich: Die neue Mercedes S-Klasse pustet zwischen Stadtfahrt und Autobahn 115 bis 279 Gramm CO2 pro Kilometer in die Luft, der Smart zwischen 86 und 104 g/km. Der Smart fortwo electric drive – von dem 2013 in Deutschland immerhin 1900 Stück privat zugelassen wurden und damit die Statistik der E-Autos in Deutschland anführt – fährt vollständig emissionsfrei.
Seine Rolle als Bilanz-Schöner erfüllt der Smart bereits bravourös – nicht weniger erfolgreich setzt Chefin Winkler das Stadtmobil als Vorreiter für neue Mobilitätskonzepte ein. „Mit Car2Go hat Daimler das Carsharing auf eine ganz neue Stufe gehoben“, zieht CAM-Leiter Stefan Bratzel die Bilanz aus dem fünfjährigen Bestehen.