Webasto nach Corona-Vorfällen „Der Krisenstab muss einen kühlen Kopf bewahren“

Holger Engelmann, Vorstandsvorsitzender der Webasto SE., bei einen Pressestatement: Der Autozulieferer hatte seine wegen mehrerer Coronavirus-Fälle zwei Wochen lang geschlossene Unternehmenszentrale im Februar wieder geöffnet. Quelle: dpa

Beim oberbayerischen Autozulieferer Webasto gab es Ende Januar den ersten Corona-Infizierten in Deutschland. Im Interview erzählt Unternehmenschef Holger Engelmann, was er aus der Krise gelernt hat, inwieweit die weltweite Produktion des Schiebedach-Produzenten wieder in den Normalbetrieb zurück kehrt – und was er anderen Unternehmen empfiehlt.

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Herr Engelmann, der erste Patient, bei dem das Coronavirus in Deutschland festgestellt wurde, war ein 33-jähriger Mitarbeiter der Firma Webasto. Was haben Sie als Chef des Unternehmens aus der Coronakrise gelernt?
Durch unser schnelles und entschiedenes Handeln im Januar ist es gelungen, die weitere Verbreitung des Virus im Unternehmen einzudämmen. Dieses Vorgehen war nur möglich, weil wir sofort alle wichtigen Funktionen bei uns an einen Tisch geholt haben und dem Wohl unserer Mitarbeiter von Anfang an bei allen Überlegungen oberste Priorität eingeräumt haben.

Sie haben die Konzernzentrale einen Tag, nachdem der erste Mitarbeiter mit der Lungenkrankheit Covid-19 diagnostiziert wurde, geschlossen. Wie wichtig ist in so einem Fall Schnelligkeit?
Wir haben in dieser Zeit gelernt, wie wichtig der enge geschäftsbereichs- und regionenübergreifende Austausch mit kurzen Entscheidungswegen in so einem Fall ist. Das Know-how und die Erfahrung, die Webasto im Projektmanagement hat, waren dafür sehr wertvoll. Ich durfte in diesen Wochen wieder einmal erfahren, wie großartig das Engagement und der Zusammenhalt bei Webasto sind.

Was empfehlen Sie anderen Unternehmen?
Eine offene, transparente und schnelle Kommunikation ist in einer solchen Situation von zentraler Bedeutung. Der enge Kontakt mit den zuständigen Behörden war für uns sehr wichtig, um die Sachlage verstehen und einschätzen zu können. Unsere Mitarbeiter haben wir über alle Entscheidungen und Entwicklungen auf dem Laufenden gehalten, Fakten fürs Intranet aufbereitet und ihnen die Möglichkeit gegeben, Antworten auf zusätzliche Fragen per Telefon und Mail zu erhalten. Auch gegenüber den Medien haben wir von Anfang an offen und transparent kommuniziert.

von Philipp Frohn, Andreas Macho, Jürgen Salz

Sie haben bei Webasto einen Krisenstab eingerichtet. Worauf kommt es da an?
Wenn es um das Wohl der Mitarbeiter und der Bevölkerung geht, ist es wichtig, nicht nur rasch Maßnahmen zum Schutz der Gesundheit zu treffen, sondern auch mit Informationen und Erklärungen zu versuchen, den Menschen ihre Unsicherheit zu nehmen. Um das leisten zu können, muss der Krisenstab einen kühlen Kopf bewahren und über ein gutes Netzwerk verfügen. Deshalb sollte sich das Management gut überlegen, wie eine Task Force im Krisenfall zusammengesetzt sein muss. Dabei spielen Organisations- und Fachwissen, aber auch menschliche Eigenschaften eine Rolle.

Läuft heute wieder alles wie früher? 
Wir haben mehr als 50 Standorte weltweit und beobachten die Entwicklungen zum Thema Coronavirus weiterhin engmaschig. Aktuell konzentrieren wir uns auf die Sicherung unserer Kundenprojekte und Lieferketten. Wir stehen in engem Kontakt mit unseren Kunden und Lieferanten und besprechen mit ihnen individuell die weitere Vorgehensweise. Die wirtschaftlichen Auswirkungen des Virus auf global agierende Unternehmen sind groß. China ist nicht nur für uns ein wichtiger Produktionsstandort und Markt, sondern auch für viele unserer Kunden.

Und die Produktion?
Inzwischen ist die Produktion an allen unseren chinesischen Standorten außerhalb der Provinz Hubei wieder in eingeschränktem Maße angelaufen. Nach letzten offiziellen Informationen der chinesischen Regierung könnten auch unsere Werke in Xiangyang und Wuhan in dieser Woche wiedereröffnet werden. Die weitere Entwicklung bei Webasto ist vor allem davon abhängig, wie es bei den Automobilherstellern weitergeht. Je nachdem, wie schnell deren Werke dort wieder normal arbeiten, werden auch die Abfragen nach unseren Produkten wieder anziehen.

Haben Sie interne Regeln angepasst oder verändert, um gegen die Ausbreitung des Coronavirus im Betrieb gerüstet zu sein?
An allen Webasto Standorten gelten weiterhin erhöhte Hygienestandards. Unsere Mitarbeiter sind angehalten, Geschäftsreisen grundsätzlich eher zu vermeiden, beziehungsweise auf Telefon- oder Videokonferenzen auszuweichen. Geschäftsreisen von und nach China sind bis auf weiteres ausgesetzt. Für die vom Robert-Koch-Institut definierten Risikogebiete in Südkorea, Italien, Frankreich und Iran gilt die firmeninterne Regelung, dass Mitarbeiter nur mit einer Ausnahmegenehmigung des Managements geplante Geschäftsreisen antreten können.

Inwieweit justiert Webasto einzelne Stellschrauben seiner Lieferkette neu?
Webasto produziert grundsätzlich im Markt für den Markt und arbeitet mit lokalen Zulieferern zusammen. Das gilt auch für China. Vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklungen überprüfen wir unsere Lieferketten und überlegen, wo wir sie weiter optimieren und damit noch regionaler agieren können.

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