Am 15. Juni 2005 um 10.30 Uhr trafen sich in der früheren Quelle-Kapitale Fürth bei Nürnberg die Gesellschafter der Madeleine Schickedanz Vermögensverwaltung. In der Gesellschaft war die Familienhabe gebunkert. Zu den Inhabern zählten neben Schickedanz auch ihre Kinder aus früheren Ehen. Und nicht alle waren von Muttis kreditfinanzierten Shoppingtouren angetan.
Hans-Peter Mangold, Sohn aus erster Ehe, probte den offenen Aufstand. Er hatte im Vorfeld der Sitzung Anwälte eingeschaltet und verweigerte seiner Mutter bei der Versammlung die Entlastung. Er fühle sich nicht ausreichend informiert, halte die Geschäftspolitik für „riskant“ und könne „keine tragende Strategie“ erkennen, heißt es in dem geheimen Protokoll des Treffens.
Früher ohne Anwälte
Schickedanz war ob der Revolte im Familienkreis konsterniert. Sie sehe in den Argumenten ein Misstrauen ihr gegenüber. Auch ihre Eltern hätten vielfach vor kritischen Situationen gestanden, aber in der Familie sei nicht mit Anwälten verkehrt worden. „Wie ihre Eltern werde auch sie dort, wo sie das Risiko trägt, alleine entscheiden“, vermerkt das Protokoll.
Der Satz dürfte auch vor Gericht eine Rolle spielen: Schickedanz trägt das Risiko, sie entscheidet. Von Druck durch Esch oder Scheinkäufen für einen Oppenheim-Investorenclub ist selbst im Familienkreis nicht die Rede. Ihr Ehemann Leo Herl führte bei dem Treffen vielmehr aus, dass die Investition im Zuge der Kapitalerhöhung zwingend notwendig war, um eine Insolvenz abzuwenden. Mit späteren Aktienkäufen sollte der Markt beruhigt werden. Im Umfeld der Quelle-Erbin heißt es, die Strohfrau-Konstruktion sei damals angesichts der internen Spannungen auch innerhalb der Familie verschwiegen worden. Fest steht: Hätte die Quelle-Erbin die Einwände ihres Sohnes beherzigt, würde sie wohl noch zu den reichsten Deutschen zählen. Stattdessen muss die 69-Jährige nun darauf bauen, dass das Gericht ihr glaubt – oder ihre Anwälte einen Vergleich aushandeln.
Die Kompromissbereitschaft der neuen Sal.-Oppenheim-Führung scheint jedoch begrenzt. Nach Verrechnung von Sicherheiten und Kreditschulden könnte Schickedanz einen gewissen Lebensstil behalten, aber mehr – sprich: Schadensersatz – sei nicht drin, deutet ein Jurist an.
Götterdämmerung
Das Filmchen auf der Internet-Seite des Bankhauses Sal. Oppenheim ist zwei Minuten und 42 Sekunden kurz. „Über 220 Jahre Kontinuität“ verspricht der Werbeclip. Der seit 2010 amtierende Oppenheim-Chef Wilhelm von Haller joggt darin die Eingangstreppe der Bank in Köln hinauf oder liest auf dem Rücksitz seiner Limousine den Wirtschaftsteil. Dazu geben er und andere Vorstände wohlklingende Anlegermaximen von sich. Bekennen sich zur „besonderen Form der Wertschätzung“. Wollen durch die Kombination „aus Personen und Vermögen“ für ihre Kunden „die beste Bank der Welt“ sein. Denn: „Es geht darum, Versprechen zu halten.“
So soll sie aussehen, die neue blitzsaubere Oppenheim-Welt. Nicht einmal am Rande ist die Rede von Verfehlungen der Vergangenheit. Für manchen Oppenheim-Esch-Anleger ist das der blanke Hohn.
Von Beginn an ist die Deutsche Bank als Neu-Eigentümerin auf Distanz zu Esch gegangen. Doch ganz kann sie die Verbindung nicht kappen. Schließlich haben gerade besonders wohlhabende Kunden dort insgesamt mehr als vier Milliarden Euro investiert.
Wie gefährlich die Verquickung mit Esch werden kann, zeigt ein in einer Sendung des WDR zitiertes Gutachten der Anwaltskanzlei Freshfields. Die Risiken für die Deutsche Bank durch mögliche Forderungen geschädigter Anleger beziffert es auf 1,8 Milliarden Euro. Weiter heißt es, dass die Aufklärung über Risiken nicht den üblichen Standards entsprochen habe – ein Vorwurf, der den Klägern bei den bevorstehenden Prozessen Munition liefert. Die Deutsche Bank erklärt, das Gutachten sei „in einem frühen Stadium der Verhandlungen“ entstanden, die Rechtsrisiken hätten sich nicht materialisiert.