Der Wiederaufstieg in den Dax ist perfekt: Die Commerzbank kehrt nach fast genau viereinhalb Jahren in die erste deutsche Börsenliga zurück. Vom 27. Februar an zählt das Geldhaus wieder zu den inzwischen 40 Mitgliedern im Deutschen Aktienindex. Der Indexanbieter Stoxx, eine Tochter der Deutschen Börse, gab die von Experten so erwartete Entscheidung am Freitagabend nach Schluss der Wall Street in Zug bekannt.
Möglich wurde die vorzeitige Rückkehr des Dax-Gründungsmitglieds durch den Rückzug des Gaseherstellers Linde von der Frankfurter Börse. Der derzeit wertvollste Dax-Konzern erfüllt damit eines der Kriterien nicht mehr und wird vom Dax-Kurszettel gestrichen.
Die Commerzbank hatte im Herbst 2018 wegen ihres kräftig gestutzten Börsenwertes ihren Platz im Dax verloren und ist seit dem 24. September 2018 im MDax der mittelgroßen Werte gelistet. Der damalige Commerzbank-Chef Martin Zielke hatte den Abstieg des Dax-Dinos - ausgerechnet im Jahr des 30. Jubiläums des deutschen Leitindex' – seinerzeit betont gelassen kommentiert: „Für die Bedeutung der Bank für die deutsche Volkswirtschaft ändert sich überhaupt nichts.“
Börsengang: Fakten und Begriffe
IPO steht für „Initial Public Offering“, was so viel wie „erstmaliges öffentliches Angebot“. Im Angelsächsischen spricht man bei einem Börsengang auch von „going public“. Es geht also um den Börsengang, der Anlegern erstmals öffentlich Teile des Unternehmens in Form vom Aktien anbietet. Die Aktien sind dabei ein – meist winziger – verbriefter Anteil am Eigenkapital eines Unternehmens.
Eine Neuemission ist ein Angebot neu geschaffener Wertpapiere. Das können Aktien, Anleihen, Zertifikate oder sonstige Wertpapiere sein. Kommen etwa bei einem Börsengang neue Aktien aus einer Kapitalerhöhung auf den Markt, spricht man von einer Neuemission.
Sie legt den Zeitraum fest, innerhalb dessen ein Anleger neu emittierte Wertpapiere zeichnen kann, also sich durch schriftliche Erklärung die Übernahme eines bestimmten Betrags zusichern kann. Nur wenn die Nachfrage schwach ist, wird eine Zeichnungsfrist auch mal verlängert.
Vor Beginn der Zeichnungsfrist nennt das Unternehmen eine Preisspanne, zum Beispiel von 20 bis 25 Euro. Die Investoren teilen dann mit, wie viele Aktien sie zu übernehmen bereit sind und nennen dafür einen Preis innerhalb der Preisspanne. Kommen nicht genug Anfragen zusammen, kann das Unternehmen – der Emittent – die Preisspanne auch senken. Aus den Zeichnungsaufträgen ermittelt der Emittent dann den Ausgabepreis, zu dem es die Aktien den Investoren überlässt.
Bei vielen Börsengängen können über das genannte Emissionsvolumen hinaus in den Tagen nach der Erstnotiz an der Börse weitere Aktien ausgegeben werden. Diese Mehrzuteilung wird auch Greenshoe genannt. Sie kommt bei hoher Nachfrage nach den Wertpapier zum Einsatz. Wie groß der Greenshoe ist, muss im Börsenprospekt stehen.
Nachdem die Aktien zum Ausgabepreis an die Anleger verteilt worden sind, wird es ernst: Die Aktien werden zum ersten Mal an der Börse gehandelt. Aus Kauf- und Verkaufsangebot wird der erste Kurs im Handel ermittelt – die Aktie notiert zum ersten mal an der Börse. Die Erstnotiz erfolgt zum angekündigten Datum, der erste Handelskurs sollte über dem Ausgabepreis liegen.
Wertpapiere, die an einer Börse gehandelt werden, unterliegen bestimmten Spielregeln. An einem regulierten Markt sind diese besonders umfassend und verlangen zum Beispiel Banken, die den Handel betreuen und Berichtspflichten, wie die Veröffentlichung von Quartalsberichten nach bestimmten Vorschriften. Am unregulierten Markt sind die Vorschriften lascher und die eine Überwachung des Handels – etwa bei der Kursbestimmung - greift nicht.
Beim Börsengang kommt eine zuvor festgelegt Zahl an Aktien in den Börsenhandel. Der Wert all dieser Aktien zusammen entspricht dem Platzierungsvolumen. Dabei kann es sich um neue Aktien aus einer Kapitalerhöhung (Neuemission) oder um Aktien der bisherigen Eigentümer und vorbörslichen Investoren handeln.
Multipliziert man den Aktienkurs mit der Zahl aller frei handelbaren Aktien eines Unternehmens, erhält man den Börsenwert eines Unternehmens. Dieser entspricht der Marktkapitalisierung gleichgesetzt. Die Aktien, die nicht zum Handel an der Börse zugelassen sind, – also im Bestand des Unternehmens verbleiben – sind dabei unberücksichtigt.
Unternehmen lassen selten alle Aktien an der Börse zum freien Handel zu, sondern lediglich einen Teil. Liegt etwa der Streubesitz bei 30 Prozent, sind auch nur 30 Prozent der Eigenkapitalanteile an der Börse handelbar. Je höher der Streubesitz, umso liquider ist der Handel und umso geringer die Kursschwankungen, die sich aus Kauf- und Verkaufsorders ergeben.
In der Regel verbleibt bei einem Börsengang ein großer Teil der Aktien in Besitz von den bisherigen Eigentümern. Während der Haltefrist – auch Lock-up-Periode genannt – dürfen sie aus diesem Bestand keine Aktien verkaufen. Eine lange Haltefrist gilt als Bekenntnis zu einem Unternehmen.
Die Konsortialbanken begleiten den Börsengang und anschließenden Aktienhandel für ein Unternehmen. Das lassen sich die Banken natürlich vom Unternehmen bezahlen. Eine besondere Aufgabe fällt den Konsortialbanken zu, die sich als Designated Sponsor engagieren. Sie sorgen dafür, dass der Handel liquide bleibt, auch wenn zum Beispiel Käufer keinen Verkäufer der Papiere finden. Dann übernehmen sie den Part des Verkäufers, damit immer ein Kurs gestellt werden kann.
Darunter versteht man das Verfahren, mit dem der Preis für neu an die Börse zu bringende Aktien festgelegt wird. Da vor der Emission von neuen Aktien kein Börsenhandel mit diesen Papieren stattfindet, kann dieser Preis nicht durch Angebot und Nachfrage an der Börse bestimmt werden. Beim angelsächsischen Auktionsverfahren geben die Banken, die das Unternehmen an die Börse bringen, eine Preisspanne vor. Innerhalb dieser können Investoren ihre Gebote abgeben. Auf Grund der vorliegenden Orderlage wird der tatsächliche Emissionskurs letztlich aus dem Gebots-Durchschnitt gebildet. Früher wurde das heute kaum noch gebräuchliche Festpreisverfahren angewandt, bei dem sich die beratenden Banken und die AG schon vor Verkaufsangebot auf einen Preis einigten, den Anleger dann akzeptieren mussten.
Die Roadshow ist eine Werbetour eines Unternehmens bei möglichen Investoren. Dabei wird versucht, möglichst viele Investoren zu gewinnen, die den angestrebten Preis für die Aktien zu zahlen bereit sind. Die Roadshow ist daher wichtig, um die richtige Preisspanne auszuloten.
Zur Wahrheit gehört allerdings auch: Die Zugehörigkeit zum Dax ist durchaus eine Prestigefrage. Ein Platz im Schaufenster der deutschen Wirtschaft garantiert Aufmerksamkeit und lockt internationale Investoren. Dazu kommt: Indexfonds (Exchange Traded Fund/ETFs), die die Zusammensetzung des Leitindex' nachbilden, müssen je nach Dax-Aufstellung umschichten, was in der Regel Einfluss auf die Aktienkurse bestimmter Titel hat.
Wichtiges Signal an die Kunden
Der amtierende Commerzbank-Chef Manfred Knof machte denn auch bei der Bilanzvorlage am Donnerstag keinen Hehl daraus, dass die Rückkehr in den Dax für sein Haus eine gute Nachricht wäre: Dies wäre „als allererstes ein wichtiges Signal an unsere Kunden“, sagte der Manager. Er rechne damit, dass die Zugehörigkeit zum Dax die Position der Commerzbank im Firmenkundengeschäft „nochmal stärken“ werde.
Nicht zufällig rührte das derzeitige Commerzbank-Management vor der aktuellen Entscheidung der Börse die Werbetrommel in eigener Sache: Ende Januar und damit gut zwei Wochen vor der Bilanzvorlage ließ das teilverstaatlichte Geldhaus wissen, es sehe sich gerüstet für die Rückkehr in den Dax. Die Bank habe im Jahr 2022 vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) knapp 3,4 Milliarden Euro Gewinn gemacht. Damit sei die von der Börse in der Zwischenzeit eingeführte Vorgabe erfüllt, dass Dax-Mitglieder mindestens auf Basis des Ebitda in den vorhergehenden beiden Geschäftsjahren profitabel gewesen sein müssen. Unter dem Strich fuhr die Commerzbank im vergangenen Jahr mit gut 1,4 Milliarden Euro den höchsten Gewinn seit 2007 ein.
Ein Treppenwitz um Wirecard
Für das Geldhaus ist die Rückkehr in den Dax zugleich eine Bestätigung des Konzernumbaus: Der Anfang 2021 angetretene Vorstandschef Knof hatte den Sparkurs verschärft. Die Bank baute Tausende Stellen ab und verkleinerte ihr noch vor der Corona-Pandemie mit etwa 1000 Standorten vergleichsweise engmaschiges Filialnetz in Deutschland deutlich.
Treppenwitz der Geschichte: Den Platz der Commerzbank unter den damals noch 30 Konzernen in der ersten deutschen Börsenliga nahm im Herbst 2018 ausrechnet der Zahlungsdienstleister Wirecard ein. Für das einst hochgejubelte Unternehmen war im Sommer 2020 Schluss: Nach einem Bilanz-Skandal um Luftbuchungen in Milliardenhöhe brach Wirecard zusammen, in München läuft derzeit ein Prozess wegen Verdachts des gewerbsmäßigen Bandenbetrugs. Auf der Anklagebank unter anderen: der frühere Wirecard-Chef Markus Braun.
Ein Gutes hatte der Wirecard-Skandal letztlich aber doch: Der Dax wurde nicht nur von 30 auf 40 Konzerne erweitert, sondern bekam auch neue Regeln – unter anderem eben die, dass nur noch profitable Unternehmen in die erste deutsche Börsenliga aufgenommen werden.
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