
Riesensofas, Flachbildschirme und Stehtische, angenehm umrahmt von heller Holzvertäfelung: Die Flaggschiff-Filiale der Commerzbank auf der Stuttgarter Königstraße setzt auf eine futuristische und offene Atmosphäre. Kunden werden an Videokassen bedient, können sich aber auch mit dem Berater aus Fleisch und Blut in eine ruhige Ecke zum Gespräch zurückziehen. Sieht so die Bank der Zukunft aus?
Ein Kongress, veranstaltet vom Bankerverband IBF in Frankfurt, zu Beginn der Woche versuchte, die Entwicklung Geldinstitute zu ergründen. Fünf Thesen lassen sich herauskristallisieren.
1. Die Renaissance der Filiale
Eine Diskussion über die Bank der Zukunft kann sich nicht am Thema Filiale erschöpfen, muss aber bei ihr anfangen. Sie ist das erste, an das viele Kunden beim Wort „Bank“ denken, Kindheitserinnerungen an die erste Sparschweinschlachtung mit anschließender Kontoeröffnung am Schalter inbegriffen.
Vermutlich ist es aber ein Fehler vieler Entscheider, davon auszugehen, das müsse immer so bleiben. Jüngere und internetaffine Kunden legen nämlich weniger Wert auf Filialen, sagen zumindest Umfragen.
So digitalisieren Banken ihr Geschäftsmodell
Durch Auswertung des Kundenverhaltens über alle Kanäle (Online, Mobil, Filiale) können Kundenbedürfnisse besser gefiltert werden und so der ideale Zeitpunkt für eine individuelle Kundenansprache identifiziert werden.
Quelle: Roland Berger
Die Neukundengewinnung ist in den letzten Jahren sehr schwierig geworden. Banken müssen daher innovative Ideen entwickeln, um Neukunden mit einfachen und digitalisierten Produkten zu überzeugen.
Es reicht nicht aus, Geschäftsmodelle zu optimieren. Banken müssen auch ihr Wachstum vorantreiben und neue Geschäftsfelder erschließen.
Durch Kooperationen mit branchenfremden digitalen Playern oder FinTech-Unternehmen bekommen Banken direkten Zugang zu innovativen Ideen und lernen die Denkweise der "Digital Natives".
Fehler müssen erlaubt sein, denn nur so können sich Organisationen in dem sich ständig ändernden digitalen Umfeld weiterentwickeln.
Digitalisierung ermöglicht eine neue Art des Kundenservice. Um diese Chancen nutzen zu können, muss ein radikaler Kulturwandel in den Banken stattfinden.
Die Digitalisierung muss entlang der gesamten Wertschöpfungskette bis hin zum Back Office stattfinden, damit auch komplexe Finanzprodukte schnell und zuverlässig abgewickelt werden können.
Digitale Hardliner glauben nicht, dass sie überhaupt eine Zukunft hat. Bankvorstände dagegen beteuern, wie wichtig die Filiale zumindest für die persönliche Beratung noch immer sei. Doch selbst bei klassischen Bankern ist die Haltung zur Filiale ambivalent. Sie schließen zumindest trotz ihrer Bekenntnisse immer mehr davon.
„Die Öffnungszeiten von Filialen sind für Arbeitnehmer genauso unrealistisch wie für Jugendliche, die eine Ausbildung machen oder zur Schule gehen“, sagt André Bajorat, Experte für digitale Finanzdienstleistungen und Manager bei mehreren FinTech-Unternehmen. So könne die Filiale ihren Trumpf nicht ausspielen, nämlich die Nähe zum Kunden.
Der Schlüssel zur Wiederbelebung der Filiale liegt vielleicht in der Verknüpfung von traditionellem und digitalem Banking. Davon ist etwa Martin Zielke, Vorstand für das Privatkundengeschäft der Commerzbank, überzeugt. „Die Zukunft der Filiale ist persönlich und digital“, sagt Zielke.
Zumindest in ihren Vorzeigefilialen wie der in Stuttgart setzt die Bank dieses Konzept um. Giro- und Kreditkarte samt Geheimnummern können Kunden dort direkt nach der Kontoeröffnung mitnehmen, statt tagelang auf die Post zu warten.
Das ist keine Jahrhundertinnovation, aber ein erster Schritt zu mehr Bequemlichkeit. Der Weg in die Zukunft dürfte aus vielen kleinen Schritten wie diesem bestehen.
2. Mehr Kreativität wagen
„Banker, FinTech-Gründer, Finanzregulierer und andere Experten sind sich einig, dass die Entwicklung neuer Produkte und Dienstleistungen bei den Bedürfnissen der Kunden ansetzen muss“, sagt Michael Kötter, Professor an der Frankfurt School of Finance & Management und Forschungsprofessor am IWH Halle. Dieses Bekenntnis lässt sich natürlich auch auf alle anderen Branchen übertragen und gilt heute wie künftig. Entscheidend ist die Frage, wie es umgesetzt wird - und mit welchen Inhalten.
Die zehn wichtigsten jungen Finanzdienste aus dem Internet
Die zehn wichtigsten jungen Internet-Finanzdienste
Quelle: Unternehmen, eigene Recherche
Geschäftsmodell: Girokonto auf dem Smartphone
Sitz: Berlin
gegründet: 2013 von Jonas Piela, Oliver Lukesch und Wilken Bruns
größte Geldgeber: Business Angels
Nutzer: nicht veröffentlicht
Mitarbeiter: 9
Geschäftsmodell: Social Trading: ambitionierte Anleger folgen erfahrenen Spekulanten
Sitz: Frankfurt, London
gegründet: 2009 von Robert Lempka und Thomas Winkler
größte Geldgeber: Luminor Capital
Nutzer: 80.000
Mitarbeiter: 47
Geschäftsmodell: Internet-Zahldienst und Festgeld
Sitz: Stockholm, Köln
gegründet: 2005 von Sebastian Siemiatkowski
größte Geldgeber: Sequoia Capital, Atomico
Nutzer: 25 Millionen
Mitarbeiter: 1.100
Geschäftsmodell: Scoring-Algorithmus zum Aufbau einer digitalen Bank
Sitz: Hamburg
gegründet: 2012 von Sebastian Diemer
Investoren: Värde Partners, Blumberg Capital, Pont Nine Capital
Kunden: 2 Millionen Nutzer gescored, bei 9 Niederlassungen
Mitarbeiter: mehr als 200
Stand:Oktober 2014
Geschäftsmodell: Private Finanzplanung über soziales Netzwerk
Sitz: Köln
gegründet: 2012 von Dieter Fromm und Johannes Cremer
größte Geldgeber: Dieter von Holtzbrinck Ventures, Family Offices
Nutzer: etwa 5000
Mitarbeiter: 12
Geschäftsmodell: Vermittlung von Bank- und Privatkrediten
Sitz: Berlin
gegründet: 2007 von Alexander Artopé und Eckart Vierkant
größte Geldgeber: Earlybird
Nutzer: nicht veröffentlicht
Mitarbeiter: über 100
Geschäftsmodell: Kursprognosen durch Auswertung sozialer Netzwerke
Sitz: Köln
gegründet: 2011 von Jonas Krauß und Stefan Nann
größte Geldgeber: Ayondo, eigenes Management
Nutzer: 2.700
Mitarbeiter: 7
Geschäftsmodell: Automatisierte Geldanlage
Sitz: Frankfurt
gegründet: 2013 von Thomas Bloch, Yassin Hankir und Oliver Vins
größte Geldgeber: Business Angels
Nutzer: 200 Testkunden, Ziel bis 2018: 100.000
Mitarbeiter: 14
Geschäftsmodell: Festgeldanlagen bei internationalen Banken
Sitz: Berlin
gegründet: 2013 von Tamaz Georgadze, Frank Freund, Michael Stephan
größte Geldgeber: Index Ventures
Nutzer: Etwa 5.000
Mitarbeiter: 30
Geschäftsmodell: Social Trading: Anleger folgen erfahrenen Händlern und Profis
Sitz: Wien
gegründet: 2011 von Andreas Kern
größte Geldgeber: Speedinvest, Verlagsgruppe Handelsblatt
Nutzer: 28.000
Mitarbeiter: 24
Aus Sicht von Franz Welter, Abteilungsdirektor Innovation und Digitalisierung bei der DZ Bank, soll dabei die Zusammenarbeit mit den Kunden eine wichtigere Rolle spielen. „Neue Formate wie Hackatons werden in den Regelbetrieb der Banken integriert“, sagt Welter. Auf solchen Veranstaltungen treffen sich interne und externe Experten, um neue Ideen mit potenziellen Kunden zu entwickeln und gleich vor Ort gemeinsam zu testen. Nicht mehr nur Banker und Juristen sollen dann an der Entwicklung beteiligt werden, auch Mitarbeiter anderer Disziplinen werden integriert.