
WirtschaftsWoche Online: Herr Zucman, vor knapp drei Jahren haben Sie ein Buch veröffentlicht, in dem Sie Steueroasen auch in Europa scharf für ihre Rolle bei der Verschleierung von Steuerhinterziehung kritisieren. Welche Bedeutung haben die Panama Papers?
Gabriel Zucman: Die Dokumente zeigen, wie tief verwurzelt die Kriminalität in der Offshore-Welt tatsächlich ist. In den Dokumenten wird endlich bewiesen, dass Banken und Kanzleien in den Steueroasen bereit sind, ihre Dienstleistungen kriminellen Kunden anzubieten. Damit missachten sie grundlegendste Sorgfaltspflichten und befördern Geldwäsche.
Vita
Gabriel Zucman, Jahrgang 1986 und gebürtiger Franzose, ist Assistant Professor an der University of California in Berkeley. Davor forschte und lehrte er in London und Paris und veröffentlichte unter anderem mit dem Ungleichheitsökonomen Thomas Piketty. 2014 erschien sein erstes Buch "Steueroasen - Wo der Wohlstand der Nationen versteckt wird" bei Suhrkamp.
Was haben die Abkommen, wie das zwischen Schweiz und der EU, denn in den letzten Jahren bewirkt?
Wir brauchen dringend einen neuen Ansatz bei der Regulierung von Steueroasen. Es reicht nicht, die dort ansässigen Institutionen zu bitten internationale Regeln anzuwenden. Sie tun es ja offensichtlich nicht. Das liegt an den fehlenden Anreizen.
An welche Anreize denken sie da?
Wir brauchen klare Sanktionen gegen Gebiete, die kriminelle Finanzinstitutionen walten lassen. Wieso erlauben die EU oder die USA überhaupt Finanzindustrien in Ländern wie Panama, wenn es so viele Beweise für deren kriminelle Handlungen gibt? Sanktionen sollten automatisch angewendet und nur aufgehoben werden, wenn die Staaten beweisen können, dass sie die wirtschaftlichen Eigentümer der dort ansässigen Unternehmen kennen. Das sollte mit einem Vermögensregister möglich sein, das die tatsächlichen Besitzer von Immobilien und Finanzanlagen der gesamten Welt auflistet. Aber dieses Register brauchen wir erst einmal.
Das müssen Sie zu den Panama Leaks wissen
Der "Süddeutschen Zeitung" sind nach eigenen Angaben umfassende Daten über Briefkastenfirmen zahlreicher Politiker zugespielt worden. Insgesamt gehe es um 11,5 Millionen Dokumente zu 214.000 Briefkastenfirmen, die von einer Kanzlei aus Panama gegründet worden seien. Die Dokumente würden ein detailliertes Bild darüber abgeben, wie diese Firma "Tag für Tag Sanktionsbrüche und Beihilfe zur Steuerhinterziehung und Geldwäsche in Kauf nimmt". Es gebe Unterlagen über mutmaßliche Offshore-Firmen von zwölf aktuellen und früheren Staatschefs sowie Spuren zu Dutzenden weiteren Spitzenpolitikern, ihren Familien, engsten Beratern und Freunden. Zudem fänden sich fast 130 weitere Politiker aus aller Welt unter den Kunden der Kanzlei, darunter viele Minister. Zur Überblicksseite: www.panamapapers.de
Quelle: dpa/reuters
Die Unterlagen sollen E-Mails, Urkunden, Kontoauszüge, Passkopien und weitere Dokumente zu rund 214.000 Gesellschaften umfassen, vor allem in Panama und den Britischen Jungferninseln. Der Datensatz wurde der „Süddeutschen Zeitung“ von einer anonymen Quelle zugespielt. Die „Süddeutsche Zeitung“ teilte die Daten mit dem Internationalen Konsortium investigativer Journalisten (ICIJ) und Partnern auf der ganzen Welt. Etwa 370 Journalisten aus 78 Ländern haben im Zuge der Recherchen den Datenschatz aus rund 11,5 Millionen Dateien ausgewertet. Es handle sich um „ein gigantisches Leak in einer bislang nicht vorstellbaren Dimension von rund 2,6 Terabyte“.
Die Kanzlei Mossack Fonseca aus Panama bietet die Gründung und Verwaltung von Offshorefirmen an. Nach eigenen Angaben beschäftigt das Unternehmen über 500 Mitarbeiter auf der ganzen Welt. Die Kanzlei ist demnach in Belize, den Niederlanden, Costa Rica, Großbritannien, Malta, Hong Kong, Zypern, den Britischen Jungfern-Inseln, Bahamas, Panama, Anguilla, Seychellen, Samoa und den US-Bundesstaaten Nevada und Wyoming tätig.
Mossack Fonseca bietet zudem Rechtsberatung unter anderem in den Bereichen Finanzen, geistiges Eigentum und öffentliche Ausschreibungen an. Außerdem setzt die Kanzlei Treuhandfonds und private Stiftungen auf und verwaltet sie.
Gegründet wurde die Kanzlei 1977 von dem deutschstämmigen Rechtsanwalt Jürgen Mossack. 1986 tat er sich mit dem Panamaer Ramón Fonseca Mora zusammen. Der Anwalt, Schriftsteller und Politiker war bis vor kurzem Berater von Staatschef Juan Carlos Varela. Wegen Ermittlungen gegen Mossack Fonseca in Brasilien lässt er seine Beratertätigkeit derzeit ruhen.
Panama ist einer der wichtigsten Finanzplätze in Lateinamerika. Ein äußerst liberales Bankengesetz lockte zahlreiche Kreditinstitute nach Mittelamerika. Die Finanzkrise ging an Panama weitgehend vorbei und brachte dem Finanzplatz sogar zusätzliche Investitionen.
Nachdem sich die Schweiz zuletzt von ihrem Bankgeheimnis verabschiedet hatte, galt Panama vielen als neue Steueroase. Immer wieder gibt es Berichte über illegale Transaktionen. In den Achtzigerjahren war das Land das Bankenzentrum der kolumbianischen Drogenkartelle. Zuletzt bemühte sich Panama allerdings darum, dieses Image loswerden und sich als seriöser Finanzplatz zu positionieren.
So erließ die Regierung eine Reihe neuer Richtlinien für Banken, Versicherungen, Immobilienfirmen sowie Wertpapier- und Edelsteinbörsen. Im Februar strich der OECD-Arbeitskreis für Maßnahmen zur Geldwäschebekämpfung (Gafi) Panama von der grauen Liste, auf der Staaten geführt werden, die beim internationalen Austausch von Finanz- und Steuerinformationen noch hinterherhinken. Der Internationale Währungsfonds (IWF) lobt in seinem jüngsten Bericht die Stabilität des Bankensektors.
Die Zwergstaaten sträuben sich, Auskünfte über dort ansässige Reichen zu geben. Wie kann sich das ändern?
Wir probieren bereits die Banken und Kanzleien zu regulieren, die dort ansässig sind. Jedoch sind die dort verwalteten Vermögen oft bei uns in Europa und den USA investiert. Wir sollten daher dazu übergehen, die Besitzer dieser Vermögen zu identifizieren und sie direkt zur Verantwortung zu ziehen.