Sprengungen von Geldautomaten Warum sind dänische Banken sicherer als deutsche?

Polizisten untersuchen einen gesprengten Bankautomaten. Quelle: imago images

Geldautomatensprengungen gehören ohne Bargeld der Vergangenheit an. Das zeigt zumindest Dänemark. Auch in den Niederlanden sinken die Zahlen. Die deutschen Behörden hingegen rechnen mit einem neuen Rekord. Warum?

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Erstmals gab es 2022 in Dänemark weder einen Banküberfall, noch wurde ein Geldautomat gesprengt. Denn schon seit Jahren verliert das Bargeld in Dänemark an Bedeutung. 2021 teilte die Zentralbank mit, dass Bargeld nur noch zwölf Prozent der Bezahlvorgänge ausmacht. Dementsprechend gibt es nur noch 20 Bankfilialen, die einen größeren Bargeldbestand halten, so der dänische Bankenverband.

2016 war in Dänemark das Rekordjahr, wenn es um Attacken auf Geldautomaten geht. 18 Mal schlugen Täter zu. Doch erhöhte Sicherheitsvorkehrungen und eine stärke Überwachung sorgten dafür, dass die Kriminellen keine Sprengungen mehr durchführten.

Auch in Deutschland gehen immerhin die Banküberfälle stark zurück. 1993 verzeichnete das Bundeskriminalamt (BKA) noch 1623 Überfälle auf „Geldinstitute und Poststellen“. 2021 wurden nur noch 28 Raubüberfälle auf Geldinstitute erfasst.

Geldautomatensprengungen hingegen stiegen in den letzten Jahren stark an. So gab es laut BKA-Daten 2006 gerade mal 16 erfolgreiche Sprengungen und 14 Versuche. 2021 gab es 392 Attacken auf Geldautomaten (203 Versuche, 189 vollständige Diebstähle). Für 2022 rechnen die Behörden mit einem neuen Rekord. Bereits im November gab es 386 Sprengen und Sprengversuche. Die Gesamtanzahl wird erst zu Beginn des zweiten Quartals 2023 bekannt geben.

Lukrativ scheinen die Sprengungen für die Kriminellen zu sein. Anders als bei einem Überfall sind die Aufklärungschancen deutlich geringer. Zudem bestehe kein großer Zeitaufwand hinter den Taten. Innerhalb von fünf Minuten sind die Automaten gesprengt und Täter wieder aus dem Staub. „Es kann nicht immer gesagt werden, wie viel erbeutet wird. Anhand der Sprengungen muss man davon ausgehen, dass es insgesamt ein lukratives Geschäft ist“, so Robin Hofmann, Kriminologe und Dozent an der Universität Maastricht.

Am häufigsten schlagen die Täter in Nordrhein-Westfalen zu. Am 31. Dezember teilte das Landeskriminalamt NRW mit, dass es im vergangenen Jahr 182 Attacken auf Geldautomaten gab. In einer älteren Pressemitteilung des LKA NRW heißt es, dass ein Großteil der Täter aus den Gegenden um Utrecht, Rotterdam und Amsterdam stamme. Die niederländische Polizei geht von einer Gruppengröße von 500 bis 700 Personen aus. In die Niederlande selbst schlagen die Täter nur selten zu. Hofmann schätzt die Anzahl sehr gering ein: „Es gab hier einen kleinen Zuwachs an Sprengungen. Es waren vergangenes Jahr etwas mehr als ein Dutzend.“

Warum schlagen sie in Deutschland zu? Der Experte sieht verschiedene Gründe für die hohe Anzahl an Sprengungen.

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von Hans-Jürgen Schlamp

Zu viele Bankautomaten

Knapp 55.000 Bankautomaten gab es 2021 in Deutschland. Das ist weitaus mehr als in den Niederlanden. Dort konnte zum gleichen Zeitpunkt an nur 836 Automaten Geld abgehoben werden. In Dänemark sind es etwa 2000. Eine größere Anzahl an Bankautomaten bietet den Kriminellen mehrere Möglichkeiten zuzuschlagen. „Darüber hinaus spielt – ganz anders als in Deutschland – Bargeld in Dänemark so gut wie keine Rolle mehr. Entsprechend konnten auch die dortigen Kreditinstitute ihr Bargeldangebot anpassen und damit Tatanreize senken“, erklärt die Deutsche Kreditwirtschaft auf Anfrage der WirtschaftsWoche. Dementsprechend sei die Situation der Nachbarländer nicht zu vergleichen. Zudem sind auch auch die Bauart und die Standortwahl in den Ländern verschieden.

Des Weiteren sind die Bankautomaten in den Niederlanden besser gesichert. Wird ein Automat gesprengt, setzt eine Plombe Tinte oder Leim frei. Das Geld wird nutzlos, Spritzer könnten die Täter entlarven. In Deutschland werden diese Tintenpatronen nicht genutzt. Laut Hofmann könnten die ein Teil der Lösung sein. „Kameraüberwachung und Polizeistreifen sind nicht sicher. Die Täter sind in unter fünf Minuten fertig und dann schnell wieder weg“, erklärt er.

Banken müssen mehr in Sicherheit investieren

Eine flächendeckende Lösung würde laut des Experten nur die Farbplombe bringen. Für die Anschaffung müssten die Banken viel Geld investieren. „Eine Patrone kostet ein paar Tausend Euro und es müssen alle Automaten gesichert werden“, so Hofmann. Da die Banken allerdings die Geldautomaten und das Geld versichern, kommt die Versicherung für den Schaden auf – die Banken verlieren dadurch kein Geld. „Die Versicherungen müssen mehr Druck ausüben“, stellt Hofmann klar. Laut der Deutschen Kreditwirtschaft gibt es allerdings keine einheitliche Lösung: „Präventionsmaßnahmen können nicht pauschal aufgesetzt werden. Sie müssen sich an den Geldautomatentypen und vor allem an den Geldautomatenstandorten orientieren.“

Laut des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft liegt der Schaden inklusive Gebäudebeschädigung schnell im sechsstelligen Bereich. Die Kosten für einen Geldautomaten betragen allein rund 30.000 Euro. „Bei diesen Straftaten muss mit schwersten Personenschäden bis zum Tod gerechnet werden“, erklärt eine Sprecherin des GDV.

Nach aktuellem Stand wurde noch niemand schwer verletzt. „Es ist nur eine Frage der Zeit, bis ein Mensch ernsthaft zu Schaden kommt“, mahnt Hofmann.

Bessere Zusammenarbeit der Strafbehörden über die Grenzen hinaus

Als dritten Punkt sieht Hofmann die grenzüberschreitende Strafverfolgung. Wenn die Polizei die Täter identifizieren kann, dann muss sie im Rahmen des Rechtshilfeersuchens die niederländische Strafbehörde kontaktieren. Um weitere Schritte müssen sich dann die niederländischen Kollegen kümmern. „Es ist ganz oft so, dass die Niederländer sagen, dass es aktuell keine Priorität hat, da es andere Probleme gäbe“, so der Experte, dessen Forschungsschwerpunkt auf der grenzüberschreitenden Strafverfolgung lieg. Auch die Deutsche Kreditwirtschaft sieht in der internationalen Zusammenarbeit einen wichtigen Aspekt: „Die erfolgreiche Zusammenarbeit der europäischen Strafverfolgungsbehörden ist wichtig, da die Tätergruppen häufig international agieren. Dieser Zusammenarbeit sollte weiterhin eine hohe Priorität bei der Ermittlungsarbeit eingeräumt werden.“

Um also in Deutschland die Geldautomatensprengungen zu minimieren, müssen die Banken ihr Automaten-Angebot reduziert und die verliebenden besser sichern. Zudem fordert Hofmann eine bessere Zusammenarbeit der Behörden, um Straftaten über die Ländergrenzen hinweg aufklären zu können.

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Um gegen die Sprengungen vorzugehen, gründete das Bundesinnenministerium im November einen Runden Tisch. Vertreter der Politik, Banken und Versicherungen sind Teil davon. „In der am 8. November 2022 unterzeichneten Gemeinsamen Erklärung haben die Beteiligten sich auf verschiedenste Maßnahmen, insbesondere aber den deutlichen Ausbau von Präventivmaßnahmen an den Geldautomaten sowie deren Umfeld, verständigt“, teilte das BMI mit. Ziel der Maßnahmen sei nicht nur den Erfolg, sondern die Taten zu verhindern. Ende 2023 soll eine erste Auswertung der Fortschritte erfolgen.

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