Werner knallhart
Auslandsüberweisung: Erfahrungsbericht Quelle: imago, Montage

Auslands-Überweisung: Ein Gefühl wie als Mafioso

Mag ja sein, dass diese unglaublich indiskreten Nachfragen am Telefon nur gut gemeint sind: Aber beim Überweisen von Geld in ein Land außerhalb Europas kommt man sich mitunter vor, als wolle man im Darknet den Mörder seiner Großmutter bezahlen.

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Ich habe es getan. Ich habe einem Freund Geld mit Western Union geschickt. Mein Gott, das fühlt sich gerade so an, als lebte ich in den Fünfzigerjahren und müsste Ihnen gestehen, Vater eines unehelichen Kindes zu sein. Dabei habe ich ja eigentlich nichts Anstößiges gemacht. Ich habe einfach nur einem guten Freund geholfen. Weil dieser Freund aber in Sri Lanka lebt und mein Kundenkonto neu war, gingen bei Western Union wohl alle Warmlampen an.

Das alles kam so: Wie in Sri Lanka häufiger Usus, lebt dieser Freund gemeinsam mit seiner Familie samt Mutter unter einem Dach in der Nähe von Colombo. Ich kenne diese Menschen seit vielen Jahren. Anfang Dezember hat mir eins der Kinder vor Ort eine aufwendig selbstgebastelte Weihnachtskarte persönlich in die Hand gedrückt. Nun war die Mutter aber vor über einem Jahr unglücklich gestürzt. Der Fuß hat seitdem die Form eines aufgepusteten Putzhandschuhs.

Nun hüpfen Sie mit diesem krumm und nur halb verheilten Bruch im Alter von Ende Sechzig mal eine zwanzigstufige Betontreppe zur Wohnung auf und ab. Das eigene Zuhause war der Mutter seit Monaten zum Gefängnis geworden. Die Familie musste also dringend umziehen. Und da tat sich nun dieses niedliche Appartement in Strandnähe auf – ebenerdig!

Doch wie das in Sri Lanka so ist: Die Vermieterin verlangt sechs Monatsmieten als Kaution. Das haut rein. Also hatte ich mich entschlossen, meinem Freund das fehlende Geld für die Kaution von Deutschland aus zu transferieren. Knapp 400 Euro. Aber wie?

Im Internet googelte ich nach dem modernen Angebot eines innovativen Fintech-Start-ups, das mit unschlagbaren Preisen die Welt der internationalen Geldtransfers revolutioniert hatte. Naja, die ersten Treffer waren alles Anzeigen. Selbst die Top-Ten-Listen waren Anzeigen. Wenn das schon so losgeht...

Das Blöde in meinem Fall war: Mein Kumpel aus Colombo hat, wie er sagt, keine international erreichbare Kontoverbindung. Das sei in seinem Land oft so. Ich müsse ihm das Geld irgendwie so rüber senden, dass er es in bar abholen kann. Er wisse nur von Filialen von Moneygram und Western Union.

Ich entschied mich blindlings für Western Union. Schon beim Öffnen der Seite wurde mir etwas mulmig. Auf einem Button stand: „Jetzt geld senden >>>“. Hmm. Rechtschreibfehler auf der Startseite. War ich wirklich auf der offiziellen Western-Union-Seite gelandet? westernunion.com? Ja. Wird Sorgfalt bei denen etwa auch klein geschrieben?

Mitten auf der Seite direkt unter „Registrieren“ dann der Link zu „Schützen Sie sich vor Betrug“. Ich klickte drauf.

Eine bunte Welt zum Thema Abzocke tat sich auf, mit Kategorien wie „Bewusstsein für Betrug“, „Betrugsarten“, „Aufklärung“, „Betrug melden“, „Tipps zur Betrugsprävention“ und sogar einem „Betrugs-Quiz“ auf Englisch. Heissa! Da kann man dann zum Beispiel erraten, was wohl die beste Verhaltensweise ist, wenn jemand, mit dem man seit einem Jahr liebevoll chattet, den man aber noch nie persönlich kennengelernt hat, plötzlich dringend um 200 Dollar für ein Flugticket bittet.

A.  200 Dollar per Western Union überweisen.
B.  100 Dollar per Western Union überweisen.
C.  Anbieten, das Flugticket für den Anderen zu buchen.

Richtige Antwort: C. Denn dann falle auf, wenn der Andere das Bargeld nur unter einem Vorwand einstreichen will und eigentlich gar kein Interesse am Flugticket hat.

Bei einer anderen Frage kommt sogar das Thema „Geldtransfer für Mietkaution“ vor. Ist mein langjähriger Kumpel ein Betrüger? Nein, Marcus, nein, dreh jetzt nicht durch. Du kennst ihn doch! Es geht beim Ratespiel um unbekannte Abzocker.

Ein Betrugs-Quiz zugunsten der Sicherheit. Gut gemeint. Aber doch eher nicht dazu geeignet, bei mir das Image von solchen Geldtransfers zu steigern. Man kriegt ja richtig Angst vor dieser Dienstleistung.

Aber ich wollte und ich hatte es ja nun versprochen. Für den Transfer brauchte ich den exakten Namen meines Freundes, wie er im Ausweis steht. Er versicherte mir, sein Name stünde im Ausweis so: Prasad Kodikara Malith Fernando. (Okay, der Name ist jetzt von mir hier geändert, aber von der Länge kommt der hin.)

Ich tippte alles ein. Geldbetrag, Name des Empfängers, Empfängerland, meinen Namen und meine Kreditkartendaten. Die Kröten könne sich mein Freund in wenigen Minuten vor Ort abholen. Klick und los!

Rechtschreibfehler und Chaos in Auslandsüberweisungen

Plötzlich öffnete sich eine Seite meines Kreditkartenanbieters. Irgendein Sicherheitsdingsbums konnte nicht überprüft werden. Weil ich dafür nicht freigeschaltet bin. Bezahlung gescheitert. Mist! Ich drückte frustriert auf „Zurück zu Western Union“. Dort aber hieß es zu meiner Überraschung sinngemäß: Läuft. Geben Sie uns 30 Minuten, um alles zu checken. Also doch? Ja, was denn nun?

Dann kam eine E-Mail von Western Union (die Rechtschreibfehler und das Wort-Kuddelmuddel sind ein Zitat):
„Vielen Dank, dass Sie sich für Western Union entschieden haben. bei der Überprüfung Ihrer Transferdetails sind wir auf einige Angaben gestoßen, die bestätigt werden müssten. Rufen Sie uns unter 0800 181 1797 (…) an. Wenn Sie sich nicht innerhalb von 4 achdem Sie diesen Transfer in Auftrag gegeben haben, wird dieser Geldtransfer storniert.“

Innerhalb von 4 was? Minuten, Stunden, Tagen, Wochen? Meine Güte! Ich rief die Hotline an. Dort wurden mir von der Computerstimme alle möglichen wählbaren Anliegen aufgezählt; den Posten „Transferdetails bestätigen“ gab es aber nicht. Ich wählte irgendetwas anderes.

Dann wurde ich zu einer Dame durchgestellt, die einen Akzent hatte, der zum europäischen Sitz von Western Union im Baltikum passte. Hier mein Gedächtnisprotokoll dieses Gesprächs:

„Guten Tag, wir haben Sie angerufen, weil wir zu Ihrer eigenen Sicherheit einige Details überprüfen müssen.“ (ICH hatte doch angerufen. Aber egal, es ging ja um meine Sicherheit. Wer wollte da so kleinlich sein?)
„Okay, gerne, was wollen Sie wissen?“
„Also, wie heißt der Empfänger der Transaktion?“
„Prasad Fernando. Das ist zumindest die Kurzfassung. Reicht das?“
„Sagen Sie bitte den vollständigen Namen.“
„Den muss ich nachschlagen. Wo steht der…? Ach hier: Prasad Kodikara Malith Fernando.“

„Okay. Und woher kennen Sie diese Person?“ (Marcus, es ist alles zu deinem eigenen Schutz.)
„Wir kennen uns seit Jahren. Wir haben uns mal im Urlaub mit Freunden kennengelernt.“
„Und wozu ist das Geld vorgesehen?“ (Was? Das klang nun nicht mehr so, als wolle man mich schützen, sondern eher, als wolle man mich eines Verbrechens überführen. Aber durchatmen. Diskretion ist was für Sparkassen-Kunden. Western Union wollte sicher nur prüfen, ob ich Schlagworte nenne wie: Kokain, Schusswaffe oder Lösegeld. So zum Anklicken im System.)

„Mein Bekannter zieht um und kann sich die Kaution nicht leisten.“ (Sollte ich die Geschichte mit dem gebrochenen Fuß seiner Mutter erzählen? Die ist schließlich sehr anrührend. Wer könnte danach zu einem Geldtransfer noch nein sagen?)
„Ok. Nennen Sie mir bitte die genaue Höhe des Betrages.“

Ich las artig die runde Summe in Rupien und die krumme Summe in Euro plus Servicegebühr vor.

„Wann sind Sie geboren?“

Ich dachte schon gar nicht mehr über die Sinnhaftigkeit nach und nannte meinen Geburtstag. Aber jetzt denke ich: Was könnten die mit der Info anfangen? Wo wollte Western Union mein Geburtsdatum gegenchecken? Gibt es da so geheime Checklisten in Zusammenarbeit mit irgendwelchen Geheimdiensten?

„Danke. Und wie alt sind Sie?“

Huch, war das nicht der alte Dating-Trick? Wie alt bist du und in welchem Jahr bist zu geboren? Damit schlecht vorbereitete Pseudo-Jugendliche beim Doppelcheck ins Rudern kommen? Und vor allem: Wie alt war ich denn, um Gottes Willen?

Ich lachte unsicher: „44?“
„Okay, danke.“ (YES!)
„Und noch?“
„Ich sehe, Ihr Transfer ist bereits genehmigt. In wenigen Minuten kann Ihr Bekannter das Geld in Sri Lanka abholen.“
„Okay, aber eine Gegenfrage: War das schon immer so, dass Sie so kritisch nachbohren?“
„Wir machen Stichproben, denn in letzter Zeit kommt es öfter zu Betrugsversuchen. Und wir wollen ja, dass Sie bei uns sicher sind.“

Wir verabschiedeten uns freundlich. Ich nahm mein Telefon vom Ohr und war ganz aufgekratzt. So musste es sich anfühlen, wenn man mit einer Leiche im Kofferraum von der Polizei angehalten wird: „Haben Sie was getrunken?“

Dabei hatte ich doch gar nichts verbrochen. Aber offenbar stößt man bei einem internationalen Geldtransfer in Gefilde vor, wo sich Recht und Unrecht sehr nahe kommen. So, wie wenn man mit seinen Kindern an der Hand am Kottbusser Tor aussteigt, um noch eben zu Rossmann zu gehen.

Ich rief meinen Kumpel per WhatsApp an und erzählte ihm vom Transfer-Theater. Er saß gerade im Tuktuk und es tat gut, ihn überrascht lachen zu hören. Mann! Das Geld hat er schon abgeholt. Und seine Mutter freut sich wie verrückt. Morgen steht der Umzug an.

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